Bedingung

[545] Bedingung, im allgemeinen dasjenige, von dem etwas andres abhängig ist; es gibt deshalb so viele Arten von Bedingungen als Arten der Abhängigkeit (s. d.). In den meisten Fällen ist nun aber das Bedingte nicht nur von einem, sondern von mehreren Umständen in Verbindung abhängig; diese bilden dann zusammengenommen die vollständige, hinreichende B., während jeder der betreffenden Umstände einzeln nur eine unvollständige (Partial-) B. darstellt. Von der vollständigen B. und nur von dieser gilt der Satz, daß mit der B. auch das Bedingte gesetzt ist, und, wo das Bedingte nicht stattfindet, auch die B. nicht vorhanden sein kann (posita conditione ponitur conditionatum, sublato conditionato tollitur conditio), wogegen vom Bedingten auf eine bestimmte B. nicht mit Sicherheit geschlossen werden kann, da verschiedene Bedingungen unter Umständen die gleiche Folge oder Wirkung haben. Es wird dadurch nahe[545] gelegt, in jedem Falle nach einem höhern Begriff zu suchen, der das Wesentliche der verschiedenen, einzeln hinreichenden Bedingungen umfaßt; dieser Begriff enthält dann die notwendige und hinreichende B. So ist für die Flächengleichheit zweier Dreiecke die umgekehrte Proportionalität der Grundlinien und Höhen notwendige und hinreichende, deren Gleichheit zwar hinreichende, aber nicht notwendige B. Die notwendige B. heißt auch conditio sine qua non, weil ohne sie das Bedingte schlechterdings nicht sein kann. Erst mit der Auffindung der notwendigen und hinreichenden B. gilt die wissenschaftliche Untersuchung eines Abhängigkeitsverhältnisses für abgeschlossen; man kann dann nicht nur von der B. auf das Bedingte, sondern auch umgekehrt schließen. Über den Unterschied, der bisweilen zwischen den (wirkenden) Ursachen und den (unwirksamen) Bedingungen eines Vorganges gemacht wird, s. Ursache.

In der Rechtswissenschaft bezeichnet das Wort conditio, wie das deutsche Wort B., in seiner weitesten Bedeutung überhaupt alle nähern Bestimmungen eines Rechtsgeschäfts. Im engern Sinne versteht man sodann darunter die einer Willenserklärung eingefügte Beschränkung, durch die der Eintritt oder die Wiederaufhebung einer Rechtswirkung von einem für menschliches Wissen ungewissen Umstand abhängig gemacht wird. Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet aufschiebende (suspensive) B. und auflösende (resolutive) B. Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden B. vorgenommen, so tritt die von der B. abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritte der B. ein. Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auslösenden B. vorgenommen, so endigt mit dem Eintritte der B. die Wirkung des Rechtsgeschäfts, und es tritt der frühere Rechtszustand wieder ein. Eine Rückwirkung tritt nur ein, falls eine solche von den Parteien ausdrücklich vereinbart wurde. Wer unter einer aufschiebenden B. berechtigt ist, kann im Falle des Eintritts der B. Schadenersatz von dem andern Teil verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit, d. h. solange der Ein tritt oder Nichteintritt der B. noch ungewiß war, das von der B. abhängige Recht schuldhaft vereitelt oder beeinträchtigt hat. Das Gleiche gilt für die auflösende B. Hat eine Partei den Eintritt oder Nichteintritt der B. zu ihrem Vorteil wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als zu ihrem Nachteil erfolgt (vgl. Bürgerliches Gesetzbuch, § 158 mit 162). Das gemeinrechtliche Institut der Addictio in diem (s. d.) hat im Bürgerlichen Gesetzbuch keine Aufnahme gefunden (vgl. jedoch Reuvertrag). In dem § 2074 des Bürgerlichen Gesetzbuches und noch bezüglich der B. bei letztwilligen Zuwendungen dreierlei Bestimmungen enthalten: 1) Der Eintritt einer aufschiebenden B. muß im Zweifel vom Bedachten selbst erlebt werden. 2) Die B., während eines Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas, was in unsrer Willkür steht, zu unterlassen oder fortgesetzt zu tun, wird im Zweifel dahin ausgelegt, daß das Tun oder das Unterlassen die Zuwendung auflösen soll. 3) Die den Vorteil eines Dritten bezweckende B. gilt im Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte die zum Eintritte der B. erforderliche Mitwirkung verweigert. Beispiel zu Nr. 3: Der wohlhabende A soll 10,000 Mk. erhalten, wenn er die arme B heiratet; diese aber weigert die Heirat trotz gehöriger Werbung. Unsittliche, gesetzlich verbotene, unmögliche und widersprechende Bedingungen machen das betreffende Rechtsgeschäft unwirksam und nichtig. Unzulässig sind Bedingungen nach heutigem deutschen Recht sowie nach den meisten Rechten bei der Eheschließung, der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, dem Antritt eines Amtes, der Annahme an Kindes Statt, der Auflassung der Aktienzeichnung u. dgl.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 545-546.
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