Revolution

[852] Revolution (mittellat.), Umwälzung, Umdrehung, z. B. in der Astronomie die Umlaufsbewegung eines Gestirns um seinen Zentralkörper; dann im weitern Sinne jede gewaltsame Umgestaltung sowohl in der physischen Welt (Naturrevolution) als im politischen und sozialen Leben der Völker, insbes. die Umgestaltung einer bestehenden Staatsverfassung, die widerrechtlich, d. h. mit Verletzung der Rechtsordnung des Staates, bewerkstelligt wird. Den Gegen satz zu der R. in diesem Sinne bildet die Reform, d. h. die planmäßige Veränderung der Staatsverfassung, die sich auf verfassungsmäßigem Wege vollzieht. Hiernach gehört zu dem Wesen der R. eine gewaltsame Umgestaltung der Regierungsform, nicht bloß ein gewaltsamer Wechsel in der Person des Regierenden, und ebendarum ist eine sogen. Palastrevolution (s. d.), d. h. der Sturz eines Staatsbeherrschers, der sich im Innern des Palastes durch eine Intrige vollzieht, und wobei alsbald ein andrer an die Stelle des gestürzten Monarchen gesetzt wird, keine eigentliche R. Eine R. der letztern Art kann auch nicht nur von den Regierten, sondern auch von den Regierenden ins Werk gesetzt werden. Solche Revolutionen waren z. B. die Umwandlung der französischen Republik in ein Kaiserreich dadurch, daß sich Napoleon I. vom Ersten Konsul zum Kaiser erheben ließ, sowie nachmals die Proklamierung des bisherigen Präsidenten der Republik zum Kaiser als Napoleon III. Wird eine solche R. rasch und plötzlich in Szene gesetzt und durchgeführt, so pflegt man von einem Staatsstreich zu sprechen. Bei denjenigen Revolutionen aber, die von den Regierten ausgehen, sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder wird nämlich die R. nur durch Einzelne und zwar namentlich durch die Aristokratie eines Landes ausgeführt, wie dies z. B. im alten Rom bei dem Sturz des Königtums durch die Patrizier der Fall war, oder es erhebt sich die Masse des Volkes gegen die bestehende Staatsregierung, um derselben ein gewaltsames Ende zu bereiten. Zuweilen wird unter R. ausschließlich diese Art verstanden. Dahin gehören z. B. die englische R. 1688, die große französische R. seit 1789, die zur Errichtung der ersten französischen Republik führte, die Julirevolution 1830, die Revolutionen von 1848 etc. Viel erörtert ist die Frage, ob das Volk ein Recht zur R. habe. Vom Rechtsstandpunkt aus ist sie jedenfalls zu verneinen, denn die R. ist an und für sich schon nach ihrem Begriff immer etwas Rechtswidriges. Dagegen gelangt man freilich unter Umständen zu einem andern Resultat, wenn man eine R. nicht als eine Rechtserscheinung, sondern als eine Naturerscheinung im Völkerleben ansieht, die durch einen Notstand (Rußland!), dem sie ein Ende macht, hervorgerufen ward. Die Frage, ob eine vollendete R. als gerechtfertigt erscheinen könne oder nicht, ist eben nicht vom rechtlichen, sondern vom historisch-politischen Standpunkt[852] aus zu beantworten. Vgl. Liman, Die R. Eine vergleichende Studie über die großen Umwälzungen in der Geschichte (Berl. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 852-853.
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