Joseph [1]

[310] Joseph (hebr., entweder »er nimmt hinweg«, nämlich die Schmach der Kinderlosigkeit von Rahel, nach 1. Mos. 30,23, oder »er vermehre« das Mutterglück), 1) vorletzter Sohn des Patriarchen Jakob von der Rahel, erregte als der Liebling seines Vaters den Neid und Haß seiner Brüder, die ihn an eine arabische Handelskarawane nach Ägypten verkauften, wo er als Sklave in den Dienst des Hofbeamten Poliphar kam. Von dessen Frau, deren Verführung er keusch widerstanden hatte, beschuldigt, schmachtete er jahrelang im Kerker, bis der Pharao Ägyptens, den Träume beunruhigten, von seinem Mundschenk, dem J. einst einen Traum trostvoll gedeutet hatte, von ihm und seiner Begabung, Träume auszulegen, erfuhr. Nachdem er die Träume des Königs von den sieben fetten und den sieben magern Kühen, den sieben vollen und den sieben dürren Ähren auf sieben fruchtbare und sieben unfruchtbare Jahre gedeutet und ihm weise Ratschläge erteilt hatte, ward er zum Minister erhoben. Als solcher machte er in den unfruchtbaren Jahren die bisher unabhängigen Ackerbesitzer zu Kronbauern, die dem König jährlich den Fünften als Erbzins abgeben mußten Nachdem J. seinen durch die Hungersnot nach Ägypten zum Korneinkauf getriebenen Brüdern verziehen, veranlaßte er sie, sich mit ihrem Vater in Ägypten niederzulassen, wozu er ihnen das Land Gosen einräumte. Josephs von der Assnat, einer Priesterstochter aus On (dem spätern Heliopolis), geborne Söhne hießen Ephraim und Manasse, denen Jakob gleiches Erbrecht mit seinen übrigen Söhnen einräumte und von denen sich demnach zwei mächtige, volkreiche Stämme Israels ableiten. – Als Vorbild jugendlicher Reinheit sowohl als umsichtiger Klugheit und hohen Edelsinns, wie er sich seinen Brüdern gegenüber äußerte, bot die Gestalt Josephs poetische Motive für epische und dramatische Gestaltung, die vielfach verwertet wurden. Von den zahlreichen dramatischen Bearbeitungen aus dem 16. Jahrh. absehend, erinnern wir hier nur an Grimmelshausens sehr mäßigen Roman: »Des Vortrefflich Keuschen Josephs in Egypten Erbauliche Lebensbeschreibung« (1670), Zesens »Assenat« (Amsterd. 1670), eine sehr beachtenswerte Leistung, sowie an Bodmers »Keuschen J.« (1750) und Méhuls Oper (1807). Vgl. A. v. Weilen, Der ägyptische J. im Drama des 16. Jahrhunderts (Wien 1887).

2) J. der Heilige, Gatte der Maria, der Mutter Jesu, daher sein Nähr- oder Pflegevater genannt. Nach den Evangelien war er ein Zimmermann, wird aber nach dem öffentlichen Auftreten Jesu nicht mehr erwähnt und scheint deshalb vorher gestorben zu sein. Die christliche Sage läßt ihn erst im hohen Greisenalter die Maria heiraten, um jeden Gedanken an eine natürliche Erzeugung Jesu fernzuhalten. Sein Gedächtnis wird in der römisch-katholischen Kirche 19. März, in der griechischen 26. Dezember gefeiert. Pius IX. erhob 8. Dez. 1870 den Tag meinem Fest erster Klasse und J. zum Schutzpatron der ganzen Kirche. Der Hebung seines Kultes widmet sich seit 1860 die »Erzbruderschaft vom heiligen J.« Seit 1875 wird der Kult auch durch eine vielgelesene Zeit schrift: »Sendbote des heiligen J.«, gefördert, und Leo XIII. hat ihn durch Rundschreiben vom 15. Aug. 1889 den Gläubigen aus Herz gelegt. Vgl. Jesus Christus, S. 247.

3) J. von Arimathia (richtiger Arimathäa, d. h. Ramathem bei Lydda), Anhänger Jesu, dessen Leichnam er in einer Grabhöhle in seinem eignen Garten beisetzte. Nach biblischem Bericht war er Mitglied des Synedrions in Jerusalem, nach der Tradition einer der 70 Jünger und Apostel in England. Sein Tag: 17. März, bei den Griechen 31. Juli.

4) J. Barsabas, mit dem Beinamen der Gerechte (justus), wurde samt Matthias an Stelle Judas Ischariots als Apostel vorgeschlagen, doch entschied das Los gegen ihn (Apostelg. 1,23). Schon im 2. Jahrh. berichtet die Legende, er sei zum Giftbecher verurteilt worden, habe ihn aber ohne Nachteil für seine Gesundheit getrunken.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 310.
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