Motīv

[184] Motīv (mittellat. motivum, »das in Bewegung Setzende«, von movere, bewegen), soviel wie Beweggrund; daher: etwas motivieren, soviel wie die bestimmenden Gründe dafür angeben und es dadurch rechtfertigen. In der Psychologie heißen Motive im weitern Sinn alle innern Momente (Vorstellungen, Gefühle etc.), die in einem gegebenen Fall als Antriebe oder Triebfedern des Wollens sich geltend machen; im engern Sinne nur die Vorstellungen (von den Zwecken und möglichen Wirkungen unsers Handelns), die bei der zwischen mehreren möglichen Willensakten stattfindenden Wahl im Bewußtsein vorhanden sind. Ob durch die jeweilig vorhandenen Motive der Wille mit Notwendigkeit bestimmt wird oder nicht, ist eine zwischen dem Determinismus und dem Indeterminismus (s. d.) strittige Frage. Ein M. kann auch durch Irrtum hervorgerufen sein; über die rechtlichen [184] Folgen hiervon vgl. Irrtum. – Im öffentlichen Leben versteht man unter den Motiven eines Gesetzentwurfs die demselben beigegebene Begründung (Motivierung), die heutzutage fast immer dem Druck übergeben werden und ein wertvolles, aber nicht blind zu benutzendes Erklärungsmittel für den Sinn des Gesetzestextes sind. Man spricht ferner von einer motivierten Tagesordnung im Gegensatz zur einfachen, wenn der Antrag, über einen Gegenstand zur Tagesordnung überzugehen, in diesem Antrag selbst kurz begründet wird, was als eine mildere Form der Ablehnung aufzufassen ist. – In der Poesie und dementsprechend in der Kunst überhaupt sind Motive die letzten Bestandteile einer dichterischen Konzeption, die des Dichters (Künstlers) Phantasie in Bewegung setzen und, sofern sie Grund motive sind, den Kern und Mittelpunkt seiner Schöpfungen bilden. – In ähnlichem Sinne heißen in der Musik Motive die letzten charakteristischen Glieder eines Kunstwerkes, aus denen sich dasselbe entwickelt. Motive sind sozusagen die einzelnen Gesten des musikalischen Ausdrucks, von deren richtiger Auffassung letzten Endes alles Verständnis der musikalischen Formen abhängt. Die Lehre von der Begrenzung der Motive hat unter dem Namen Phrasierung (s. d.) in neuerer Zeit erhöhte Beachtung gefunden. Vgl. Riemann, System der musikalischen Rhythmik und Metrik (Leipz. 1903). Über Leitmotiv s. d.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 184-185.
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