Leitmotiv

[392] Leitmotiv, ein öfters wiederkehrendes prägnantes Motiv, das durch die Situation, in der es zuerst auftrat, oder durch die Worte, zu denen es zuerst gebracht wurde, eine bestimmte Bedeutung erhält und überall, wo es wieder auftritt, die Erinnerung an jene Situation wachruft und damit zu einem bedeutsamen Faktor für die Wirkung der musikalischen Darstellungsmittel wird. Ganz fremd war die Idee des Leitmotivs auch unsern Klassikern nicht, doch erscheint es bei ihnen zumeist nur in der Gestalt einer ungefähren Charakteristik der verschiedenen Personen (vgl. die Leporello-Terzen im »Don Juan«, die Kaspar-Baßfiguren im »Freischütz« etc.); mit voller Bedeutsamkeit tritt es zuerst in Berlioz' »Symphonie phantastique« (L'idée fixe) und »Harold in Italien« und in Wagners »Fliegendem Holländer« und »Lohengrin« auf. In seinen spätern Werken hat Wagner den Gebrauch der Leitmotive außerordentlich ausgedehnt und eine faktische thematische Einheit ganzer Musikdramen durchgeführt; doch ist es nicht ganz leicht, denselben überall zu folgen, weil sie in zu großer Zahl auftreten, so daß die von Wolzogen, Heintz u.a. besonders bearbeiteten »Führer« durch die Wagnerschen Tondramen in der Tat für minder vorbereitete oder minder begabte Hörer ersprießliche Hilfsmittel sind.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 392.
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