Antrag

[596] Antrag, im Rechtsleben und im öffentlichen Leben überhaupt die an eine Behörde oder sonstige öffentliche Stelle gerichtete Aufforderung, nach bestimmter Richtung hin eine besonders bezeichnete Tätigkeit eintreten zu lassen. Dergleichen Anträge werden entweder mündlich gestellt, soz. B. in einer Gerichtsverhandlung von seiten der Parteivertreter oder des Staatsanwalts oder des Verteidigers, oder in einer Repräsentativversammlung von den Mitgliedern der betreffenden Körperschaft; oder sie werden schriftlich in besondern Eingaben und Gesuchen eingereicht, oder sie können auch zu Protokoll erklärt werden, wie z. B. der Berufungs- und Revisionsantrag im Strafverfahren zu Protokoll des Gerichtsschreibers; oder endlich der Antragsteller hat die Wahl, ob er auf die eine oder andre Art vorgehen will (so können z. B. die Berufung und Revision zu Protokoll oder schriftlich eingelegt werden). Die Begründung des Antrags kann entweder so geschehen, daß in erster Linie der A. gestellt und dann dessen tatsächliche und rechtliche Begründung angefügt wird, oder so, daß zunächst das tatsächliche Material vorgetragen, die nötigen Rechtsausführungen beigefügt und endlich als logische Schlußfolgerung der bestimmt formulierte A. (z. B. auf Klageabweisung oder auf Freisprechung oder auf Verurteilung) gestellt wird. Im Zivilprozeß bilden vermöge der herrschenden Dispositions- und Verhandlungsmaxime (s. Zivilprozeß und Verhandlung) die Anträge regelmäßig die unerläßliche Voraussetzung für die richterliche Tätigkeit überhaupt (judex ne procedat ex officio) sowie für deren Ziel und Grenze (judex ne eat ultra petita partium). Im Strafprozeß ist vermöge der Offizial- und Untersuchungs maxime (s. Strafprozeß) die Gerichtstätigkeit zwar hinsichtlich ihres Beginnes (s. auch Antragsdelikt), aber im allgemeinen dann nicht mehr hinsichtlich ihres weitern Verlaufs von Parteiantragen abhängig. In beiden Arten des Verfahrens berechtigt die Abweisung eines Antrags den Antragsteller zur Ergreifung eines Rechtsmittels (s. d.). – Über die formelle Behandlung der Anträge in parlamentarischen Körperschaften enthalten die Geschäftsordnungen regelmäßig nähere Vorschriften. So muß nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstags (§ 17 ff.) jeder von Mitgliedern des Hauses ausgehende A. mit der Eingangsformel versehen sein: »Der Reichstag wolle beschließen ...« Es gehören dazu die Unterschriften von 15 Mitgliedern. Anträge, die einen Gesetzentwurf enthalten, bedürfen ebenso wie die Regierungsvorlagen einer dreimaligen Beratung. In der ersten Lesung sind Abänderungsanträge nicht zulässig, für die zweite Beratung sind[596] sie ohne Unterstützung gestattet, während ein Abänderungsantrag für die dritte Lesung von 30 Mitgliedern unterstützt sein muß. Anträge, die keine Gesetzentwürfe enthalten, bedürfen einer nur einmaligen Beratung und Abstimmung. Abänderungsanträge hierbei bedürfen der Unterstützung von 30 Mitgliedern. Ein A. auf Vertagung oder auf Schluß der Debatte bedarf ebenfalls der Unterstützung durch 30 Mitglieder. Nach der Geschäftsordnung für das österreichische Abgeordnetenhaus (§ 18) beginnen die Anträge, die schriftlich eingebracht und von 20 Abgeordneten unterschrieben sein müssen, mit den Worten: »Das hohe Haus wolle beschließen ...« Gesetzentwürfe bedürfen in der Regel einer dreimaligen Abstimmung. Zusatz- und Abänderungsanträge können nur in der Spezialdebatte gestellt werden. Der A. auf Schluß der Debatte ist jederzeit zulässig und bedarf keiner Unterstützung (§ 39).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 596-597.
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