Waterloo [1]

[429] Waterloo, 1) Dorf in der belg. Provinz Brabant, Arrond. Nivelles, 15,5 km südlich von Brüssel, am südlichen Rande des Soigner Waldes, an der Staatsbahnlinie Brüssel-Luttre und der Nebenbahn W.-Mont-Saint-Jean, mit einer runden Kirche, zahlreichen für die in der Schlacht bei Belle-Alliance Gefallenen errichteten Denkmälern, Fabrikation von Kunstdünger und Seife und (1905) 4205 Einw. – Berühmt ist W. durch die Schlacht vom 18. Juni 1815, die letzte Napoleons, dessen Herrschaft durch ihren Verlust zu Ende ging. Jetzt wird sie in Deutschland meist nach dem Meierhof La Belle-Alliance genannt, von den Franzosen von jeher nach dem Dorfe Mont-Saint-Jean, dem Schlüssel der britischen Stellung. Wellington nahm, nachdem ihm die Unterstützung der nach der Schlacht bei Ligny (s. d.) auf Wavre zurückgegangenen Preußen für den 18. Juni zugesagt war, eine Stellung zwischen Braine l'Alleud und Papelotte. Seine Hauptmacht, ohne die Detachierungen rund 62,000 Deutsche, Briten und Niederländer mit 135 Geschützen, stand an beiden Seiten der Straße Charleroi-Brüssel auf einem Höhenzug entlang des Weges Braine l'Alleud-Ohain. Vor der Front waren als Stützpunkte besetzt vor dem rechten Flügel Schloß Hougomont, in der Mitte La Haye-Sainte, links die Gehöfte Smohain, La Haye und Papelotte. Wellington beschränkte sich in Erwartung der preußischen Unterstützung auf die Verteidigung.

Karte zur Schlacht bei Waterloo (18. Juni 1815).
Karte zur Schlacht bei Waterloo (18. Juni 1815).

Napoleon stellte am Morgen des 18. Juni sein Heer 1,5 km vom Feind in Schlachtordnung, rund 73,000 Mann mit 254 Geschützen, was bei der engen Massierung der Truppen am Abend vorher und dem durchweichten Boden langsam vor sich ging. Erst 111/2 Uhr gab der Kaiser, wohl gezwungen durch die späte Erledigung des unbedingt notwendigen Abkochens und in der festen Überzeugung, vor den erst 15. Juni geschlagenen Preußen sicher zu sein, den Befehl zum Angriff. Die Division Jérôme ging gegen Hougomont vor, das aber, von den Braunschweigern[429] und Nassauern tapfer verteidigt, bis zum Ende der Schlacht nie ganz in den Besitz der Franzosen kam. Den Angriff auf den linken Flügel der Verbündeten eröffnete gegen 11/2 Uhr das Feuer von 80 Geschützen, wobei der wichtige Punkt La Haye-Sainte nicht genügend gewürdigt wurde; doch verzögerte sich dieser Angriff, da Napoleon die Nachricht vom Anmarsch der Preußen gegen seine rechte Flanke erhielt. Erst um 2 Uhr griff Ney mit dem Korps Erlons (4 Divisionen in sehr dichter, dem feindlichen Feuer gegenüber ungünstiger Formation) den linken Flügel der Verbündeten einschließlich La Haye-Sainte an: die Niederländer wichen, doch hielt Picton mit den britischen Brigaden Pack und Kempt stand. und als die Franzosen in Unordnung kamen, attackierten Somerset und Ponsonby mit 2 Brigaden britischer Reiter, warfen und verfolgten sie unter schwersten eignen Verlusten bis unter die französischen Batterien. Picton und Ponsonby fanden hier den Heldentod. Der erste große Angriff war hiermit 3 Uhr nachmittags abgeschlagen, 3000 Franzosen waren gefangen. Es trat eine Pause ein, während der die Franzosen eine furchtbare Kanonade unterhielten. Dann unternahm die Reiterei Milhauds und Lefebvre-Desnouettes, etwa 5000 Pferde, einen zweiten Angriff, um zwischen Hougomont und La Haye-Sainte durchzubrechen; aber dreimal wurde er durch die unerschütterliche Standhaftigkeit von 20 englischen, braunschweigischen und nassauischen Infanteriekarrees, der deutschen Legion und hannoverscher Landwehr im Verein mit der Kavallerie des Lords Uxbridge zurückgewiesen. Unterdessen tobte der Kampf um die Gehöfte weiter, und La Haye-Sainte mußte nach 5 Uhr nachmittags vornehmlich aus Mangel an Schießbedarf geräumt werden. Wellingtons Heer war nur noch zur Hälfte kampffähig, aber im Vertrauen auf die Preußen hielt er stand, selbst als nach Verlust auch von Papelotte und La Haye die Franzosen seinem Zentrum ganz dicht gegenüberstanden und dieses durch Truppen des linken Flügels verstärkt werden mußte. Und die Preußen kamen, Blücher hielt Wort. Trotz unsagbarer Beschwerden beim Marsch auf regendurchweichtem Boden erreichte die Spitze von Bülows Korps nach 1 Uhr den östlichen Rand des Schlachtfeldes, und 41/2 Uhr konnte Bülow mit seinem ganzen Korps die beiden Divisionen Lobaus, die Napoleon erst gegen 3 Uhr den Preußen entgegengeschickt hatte, auf Plancenoit, ein Dorf fast im Rücken des französischen Zentrums, zurückwerfen. Hier entspann sich ein erbitterter Kampf. Napoleon schickte Lobau 12 Bataillone Garde mit 24 Geschützen zu Hilfe, um sich der unterdessen auf 40,000 Mann verstärkten Preußen zu erwehren; mit einem letzten großen Schlag wollte er Wellingtons Schlachtlinie durchbrechen: der letzte Versuch der Rettung. Eine Division von Erlons Korps und ein Teil der Kaisergarde, wahrscheinlich 6 Bataillone, gingen vor, wurden aber von den Verbündeten unter Wellingtons persönlicher Führung und mit Unterstützung des preußischen Korps Zieten, dessen Avantgarde gegen 6 Uhr bei Ohain war, zurückgeschlagen. Jetzt waren die Franzosen überall im Weichen, nur die Garde bewahrte ihre Haltung; endlich fiel Plancenoit, der rechte Flügel war damit völlig eingedrückt, und der Rückzug verwandelte sich in regellose Flucht, um so mehr, als die Preußen unter Gneisenaus persönlicher Führung der Schlacht eine rastlose Verfolgung, eine der großartigsten der Kriegsgeschichte, folgen ließen, wodurch die feindlichen Streitkräfte vollkommen aufgelöst wurden. Blücher und Wellington trafen sich am Abend des Schlachttages bei La Belle-Alliance. Die Verluste der Franzosen sind nicht genau festzustellen, betrugen aber sicher über die Hälfte der Armee, die der Verbündeten rund 22,000 Offiziere und Mannschaften, davon etwa 1/3 Preußen. Napoleon hat später ungerechtfertigterweise dem Nichteintreffen Grouchys, den er nach der Schlacht bei Ligny den Preußen nachgesandt hatte, die Schuld seines Unglücks zugeschoben, doch hat dieser den ihm am 18. Juni vormittags von Napoleon gesandten Befehl zum Zusammenwirken mit dem rechten Flügel der französischen Hauptarmee erst abends nach 7 Uhr erhalten. Das Verdienst am Erfolge fällt einerseits Wellington zu wegen seines zähen, kaltblütigen Ausharrens, anderseits aber und vor allem Blücher: niemals hat eine erst zwei Tage vorher geschlagene Armee eine solche Entscheidung gebracht. – Unter den zahlreichen Denkmälern auf dem Schlachtfeld sind besonders bemerkenswert das preußische, bei Plancenoit, ein von einem Eisernen Kreuz gekrönter Obelisk, das holländische, eine 60 m hohe Pyramide, die den auf einem Sockel dargestellten niederländischen Löwen trägt, und das am 28. Juni 1904 enthüllte französische (ein sterbender Adler, von Gerôme) bei Belle-Alliance. Vgl. namentlich v. Lettow-Vorbeck, Napoleons Untergang 1815, Bd. 1 (Berl. 1904, mit Quellenverzeichnis); außerdem: Clausewitz, Der Feldzug von 1815 in Frankreich (das. 1835); Chesney, Waterloo-lectures (neue Ausg., Lond. 1907; deutsch, 2. Aufl., Berl. 1869); Charras, Geschichte des Feldzugs von 1815. W. (deutsch, Dresd. 1858); »Waterloo-letters« (hrsg. von Siborne, Lond. 1892); Houssaye, 1815. Waterloo (45. Aufl. 1904; deutsch, Hannov. 1900); v. Pflugk-Harttung, Vorgeschichte der Schlacht bei Belle-Alliance. Wellington (Berl. 1903); Navez, Waterloo (2. Aufl., Brüss. 1896); Pratt, The W. campaign, a study (Lond. 1907); F. de Bas, La campagne de 1815 aux Pays-Bas, Bd. 2 (Par. 1908).

2) Stadt im nordamerikan. Staate Iowa, Grafschaft Black Hawk, am Red Cedar River, unterhalb Cedar Falls (s. d.), Bahnknotenpunkt, mit guter Wasserkraft, Maschinen- und Lokomotivenbau, Holzwarenfabrikation, Handel mit Getreide, Mehl, Vieh und (1900) 12,580 Einw. – 3) Stadt im nordamerikan. Staate New York, Grafschaft Seneca, an den Cayuga- und Senecakanälen, mit Fabrikation von Hefe, Malz, Branntwein etc. und (1900) 4256 Einw.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 429-430.
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