Sickingen

[426] Sickingen, Franz von, deutscher Ritter, geb. 2. März 1481 auf der Ebernburg bei Kreuznach, gest. 7. Mai 1523, focht schon 1508 in Diensten des Kaisers Maximilian I. gegen Venedig, lebte aber im Frieden nach damaliger Ritterart dauernd in Fehden. So befehdete er die Stadt Worms zugunsten eines nach einem verunglückten Aufstand gegen den Rat vertriebenen Bürgers, Balthasar Schlör, den er als Sekretär in seine Dienste nahm; er plünderte 22. März 1514 Wormser Kaufleute bei Oppenheim und belagerte und bombardierte dann vergeblich mit 7000 Mann die Stadt. Um die über ihn verhängte Acht unbekümmert, bekriegte er den Herzog von Lothringen vergeblich zugunsten des Grafen Geroldseck. König Franz I. von Frankreich nahm den bereits berühmten Söldnerführer mit seinen Landsknechten in seine Dienste. Von Bürgern der Stadt Metz gegen den Rat der Stadt um Hilfe angegangen, zwang S. 1518 mit 16,000 Mann zu Fuß und 4000 Mann zu Roß den Rat. den Gekränkten Schadenersatz zu leisten und ihre Freiheiten zu bestätigen; für sich selbst aber erpreßte er eine Brandschatzung von 20,000 Goldgulden und einen Monatssold für sein Heer. Bevor S. im Dienste des Schwäbischen Bundes gegen Herzog Ulrich von Württemberg zog, sagte er dem Landgrafen Philipp von Hessen, der einen Verwandten Sickingens benachteiligt hatte, Fehde an, rückte vor Darmstaat und erzwang 23. Sept. 1518 außer Befriedigung der Ansprüche seiner Freunde für sich selbst eine Entschädigung von 35,000 Gulden, doch kam dieser Vertrag, da ihn der Kaiser nicht bestätigte, nur zum Teil zur Ausführung. Bei der Einnahme Stuttgarts 1519 ließ S. Reuchlin (s. d. 1) seinen Schutz angedeihen und nahm sich seiner auch in seinem Streit mit den Dominikanern an. Nach der Vertreibung Ulrichs führte S. sein Heer in die Nähe von Frankfurt und übte auf die dort zur Wahl versammelten Kurfürsten einen Druck aus, der nicht am wenigsten zur Wahl Karls V., auf dessen Regierung er Hoffnungen für sich und Deutschland setzte, beitrug. Die ihm von Karl deswegen zugedachte Erhebung in den Grafenstand lehnte S. ab, nahm aber die Ernennung zum kaiserlichen »Rat, Kämmerling, Hauptmann und Diener« an. In Schwaben hatte S. auch Hutten kennen gelernt, der seit 1520 beständig bei ihm weilte, einen großen Einfluß auf ihn erlangte und ihn für die Sache Luthers gewann. Bald betätigte er offen seine Anhänglichkeit an die Reformation und öffnete seine festen Schlösser, namentlich Landstuhl und Ebernburg, als »Herbergen der Gerechtigkeit« bedrängten Freunden des Evangeliums, z. B. Kaspar Aquila, Martin Butzer und Ökolampadius. Für den Kaiser sammelte S. 1521 zu dem Feldzug gegen Frankreich 15,000 Mann, die er dem Grafen von Nassau zuführte. Sie eroberten Sedan, konnten aber Mézières nicht nehmen und traten den Rückzug an; die beträchtlichen Kosten des fruchtlosen Zugs erhielt er von Karl V. nicht ersetzt. S. wandte sich nun wieder dem schon früher gehegten Plan einer politisch-kirchlichen Umgestaltung der deutschen Zustände zu, die eine Abschaffung der geistlichen Fürstentümer und eine Erhebung der Reichsritterschaft anbahnen sollte. Er stiftete im August 1522 in Landau einen Bund des oberrheinischen Adels, dessen Hauptmann er wurde, und wollte auch das Bürgertum zum Bund mit dem Adel gegen die Fürsten veranlassen. S. eröffnete den Kampf 27. Aug. 1522 mit der Fehde gegen den Erzbischof zu Trier, Richard von Greiffenklau, einen heftigen Gegner der Reformation. Mit 7000 Mann brach S. ins triersche Gebiet ein, eroberte die Burg Blieskastel und die Stadt St. Wendel und stand 8. Sept. vor Trier, mußte aber dessen Belagerung 14. Sept. wieder aufheben. Mit diesem ersten mißlungenen Schlag war aber das ganze Unternehmen Sickingens, das die Reformatoren mißbilligten, vereitelt. Das Reichsregiment verhängte über S. die Acht und die Fürsten von Trier, Hessen und Kurpfalz rüsteten gegen ihn. Obwohl von allen Freunden verlassen, fiel S. doch im Frühling 1523 in pfälzisches Gebiet ein, konnte aber die Feste Lützelstein nicht nehmen und wurde in seiner Feste Landstuhl von den Fürsten belagert. Am 2. Mai 1523 durch eine Kugel tödlich verwundet, ergab er sich 7. Mai und starb, nachdem die Fürsten in die eroberte Burg eingezogen waren; in der katholischen Kirche zu Landstuhl liegt er begraben. Pfingsten 1889 wurde ihm und Hutten auf der Ebernburg ein prächtiges Denkmal errichtet; vgl. auch Tafel »Berliner Denkmäler II«, Fig. 2. Hauptquelle für Sickingens Geschichte ist die »Flersheimer Chronik« (in »Huttens deutschen[426] Schriften« hrsg. von O. Waltz und Szamatolski, Straßb. 1891). Vgl. Ulmann, Franz v. S. (Leipz. 1872); Bremer, F. v. Sickingens Fehde gegen Trier (Straßb. 1885). – Sickingens Sohn, Franz Konrad von S., ward von Kaiser Maximilian II. in den Reichsfreiherrenstand und dessen Nachkommen 1773 von Kaiser Joseph II. in den Reichsgrafenstand erhoben und 1791 in das schwäbische Grafenkollegium eingeführt. Das Geschlecht teilte sich in mehrere Linien, von denen aber nur die zu S. unmittelbare Güter in der Herrschaft Landstuhl besaß, die 1803 aufgegeben werden mußten. Gegenwärtig blüht das Geschlecht nur noch in einer in Österreich und Schlesien begüterten katholischen Linie, an deren Spitze Graf Joseph von S., geb. 9. Jan. 1833, steht. Vgl. Hüll, F. v. Sickingens Nachkommen (Ludwigsh. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 426-427.
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