Reichsritterschaft

[741] Reichsritterschaft (Reichsfreie, freie Ritterschaft), im ehemaligen Deutschen Reiche die Gemeinschaft jener freien Herren, die sich auf ihren Herrschaften in Schwaben, Franken und am Rhein selbständig behauptet und, ohne auf den Reichstagen Sitz und Stimme zu haben, die unmittelbare Unterordnung unter Kaiser und Reich bewahrt hatten (vgl. Adel, S. 100). 1577 entstand eine Verbindung der Ritterschaften zu Schwaben, Franken und in den Rheinlanden; sie erscheinen seitdem als die drei Ritterkreise, die in Ritterkantone und Orte zerfielen. Zur Leitung der Geschäfte bestand ein abwechselndes Direktorium; jeder Kanton hatte seinen Ritterhauptmann mit Räten und Ausschüssen. Zur Aufnahme in die R. war der Erwerb eines reichsritterschaftlichen Gutes nicht genügend, es bedurfte förmlicher Rezeption. Auch zog der Verlust oder die Veräußerung des reichsunmittelbaren Grundbesitzes den Verlust der persönlichen Reichsunmittelbarkeit nicht nach sich. Über die zur R. gehörigen Personen und Güter wurde ein Verzeichnis (Rittermatrikel) geführt. Je nachdem eine Familie immatrikulierten reichsfreien Grundbesitz hatte oder nicht, unterschied man Realisten und Personalisten. Die R. war befreit von Reichssteuern sowie von der Einquartierungslast. An Stelle der früher von der R. geleisteten persönlichen Kriegsdienste tra ken später die sogen. Karitativgelder (subsidia caritativa), Geldbewilligungen, über die der Kaiser mit der R. unterhandelte. In ihren Besitzungen hatte die R. landesherrliche Rechte und genossen in Religionssachen dieselbe Freiheit wie die Reichsstände. Unter der R. bestand ein Retraktsrecht (s. Näherrecht) bei Veräußerung reichsfreier Besitzungen ihrer Mitglieder. Durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich im Frieden zu Lüneville (1801) gingen die Kantone Ober- und Niederrhein verloren. Endlich wurde durch die Rheinbundsakte (1806), Artikel 25, die Unterwerfung der reichsritterschaftlichen Gebiete unter die Hoheit der Rheinbundsfürsten, von deren Ländern sie eingeschlossen waren, ausgesprochen. Vgl. Roth v. Schreckenstein, Geschichte der ehemaligen freien R. (Tübing. 1859–62, 2 Bde.).[741]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 741-742.
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