Chartres [1]

[894] Chartres (spr. schartr'), Hauptstadt des franz Depart. Eure-et-Loir, an der Eure, Knotenpunkt der Westbahn und mehrerer Staatsbahnlinien, ist von Boulevards an Stelle der frühern Befestigungen umgeben. Auf dem höchsten Punkte der Stadt steht die fünfschiffige gotische Kathedrale (1020 gegründet, 1194–1260 nach einem Brande neu aufgebaut), 134 m lang, im Chor 46 m breit, das Hauptschiff 36,5 m hoch, mit zwei herrlichen, 106 und 115 m hohen Türmen, imposanter Fassade mit drei Toren und zahllosen Statuen, im Innern einfacher, aber mit schönen Glasmalereien aus dem 13. Jahrh. (s. Tafel »Glasmalerei«, Fig. 8); sie enthält eine Kapelle der wundertätigen Madonna (Vierge du Pilier) und eine Krypte, in der gleichfalls die Madonna (Notre Dame sous Terre) verehrt wird (vgl. Bulteau, La cathédrale de C., 2. Aufl., Chartres 1902). Von den übrigen Gebäuden sind erwähnenswert: die alte Abteikirche St.-Pierre (12. Jahrh., mit berühmten Emailarbeiten), das Stadthaus (17. Jahrh., enthaltend das Museum und die Bibliothek), die Porte Guillaume (14. Jahrh.), ehemals zur Befestigung der Stadt gehörend, das Theater (von 1861) und mehrere interessante Häuser aus dem Mittelalter. C. zählt (1901) 22,959 Einw., die Gerberei, Fabrikation von Maschinen und Wirkwaren, dann Bereitung von berühmten Rebhühnerpasteten und Lebkuchen sowie lebhaften Handel mit Getreide, Vieh, Wolle etc. betreiben. Die Stadt ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs und eines Handelsgerichts und hat ein Lyzeum, ein bischöfliches Seminar, Bildungsanstalten für Lehrer und Lehrerinnen, eine Bibliothek (80,000 Bände und 900 Manuskripte), einen botanischen Garten, ein Museum (Gemälde, Altertümer, Waffen etc.). C. ist Geburtsort von Mathurin Regnier, der Revolutionsmänner Brissot und Pétion sowie des Generals Marceau, dem 1851 hier eine Bronzestatue errichtet wurde. – C. hieß zur Römerzeit Autricum und war Hauptort der Karnuten (Carnutes) in Gallia Lugdunensis; daher der Name Carnutum civitas, im Mittelalter Carnotum. Erst im 12. Jahrh. kommt die Stadt unter ihrem jetzigen Namen vor. Sie war frühzeitig Bischofsitz und im Mittelalter die Hauptstadt der Landschaft Beauce. Heinrich IV. eroberte sie 1591 und ließ sich hier 1594 krönen. – Die Grafschaft C. bestand seit dem 10. Jahrh., und die Grafen von C. besaßen auch Blois und die Champagne. 1218 ward sie durch Heirat Eigentum des Grafen Walter von Avesnes und dann Hugos von Châtillon, dessen Nachkommen sie 1286 an König Philipp den Schönen verkauften. Franz I. erhob sie 1528 zum Herzogtum, und seitdem war sie eine Apanage königlicher Prinzen und Prinzessinnen, seit Ludwig XIV. der Herzöge von Orléans. Vgl. L'Epinois, Histoire de C. (Chartres 1854–58, 2 Bde.); Souchet, Histoire du diocèse et de la vil la de C. (das. 1873–76, 4 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 894.
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