Freie

[60] Freie (Frilinge, Freihälse, auch Kerle, vom althochd. charal, nord. karl), in germanischer Zeit die breite Masse des Volkes; aus ihnen ragen tatsächlich, nicht rechtlich, als vornehmere Klasse die Adligen hervor. Dem Stande der Freien stehen gegenüber die Knechte, d. h. die Unfreien, und die Liten, d. h. die Halbfreien (s. Leibeigenschaft und Liten). Gegen Ende der karolingischen Zeit schied sich die vollfreie Bevölkerung in eine »rittermäßig« lebende und eine solche, die eine bäuerliche oder doch nicht ritterbürtige Beschäftigung trieb. Die ritterlich lebenden Freien bildeten, insoweit sie nicht zu den Fürsten gehörten, einen einheitlichen Stand (Nobiles, Barones, Liberi, edle oder freie Herren); die bäuerliche Bevölkerung war z. T. vollfrei, zum größten Teil durch Abgabenpflicht in ihrer Freiheit gemindert. Seit dem Anfang des 12. Jahrh. traten Angehörige des Ritterstandes vielfach in ein Dienstverhältnis zu Fürsten, wodurch sie ihre persönliche Freiheit verloren, jedoch ohne ihr landrechtliches Eigentum an ihrem ererbten Grundbesitz zu verlieren. Später verschwand allmählich die Unfreiheit der Dienstmannen (Ministerialen). – Der Sachsenspiegel unterscheidet drei freie Stände, den der Edlen (Adligen), der Schöffenbarfreien (s.d.) und der Gemeinfreien, welch letztere wieder in Pfleghafte (kleine Gutsbesitzer, denen bäuerliche Lasten obliegen) und Landsassen (F., die kein Eigen im Lande haben) zerfallen. Der Schwabenspiegel unterscheidet freie Ritter in zwei Abstufungen, nämlich Semperfreie (s.d.) und Mittelfreie (s.d.) und freie Bauern, Landsassen. Die Bürgereigenschaft war insgemein durch freie Geburt bedingt; seit dem 12. Jahrh. galt übrigens die Freiheit als durch einjährigen, unangefochtenen Aufenthalt in der Stadt ersessen, daher »Stadtluft macht frei«. Vgl. Hullmann, Geschichte des Ursprungs der Stände in Deutschland (2. Ausg., Berl. 1830); Heck, Die Gemeinfreien der karolingischen Volksrechte (Halle 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 60.
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