Geisel

[493] Geisel (lat. Obses) heißt der mit seiner Person für die Erfüllung eines Vertrags Bürgschaft Leistende. Betrifft die Bürgschaft einen Privatvertrag, so heißt der mit seiner Person dafür Einstehende Leibbürge (vgl. Bürgschaft). Geiseln wurden besonders diejenigen genannt, die in den Kriegen der frühern Zeit, um für die Erfüllung eines Vertrags oder Friedensschlusses mit ihrer Person zu haften, von dem besiegten Teil dem siegenden entweder freiwillig überliefert, oder von dem letztern auch gewaltsam ergriffen und festgehalten zu werden pflegten. Gewöhnlich wurden dazu vornehme und angesehene Personen ausersehen. Wurde der Friede oder Vertrag von dem die Geiseln stellenden Teil gebrochen, so war gewöhnlich der Tod oder harte Gefangenschaft ihr Los. Der Gebrauch, Geiseln zu nehmen, reicht bis in das früheste Altertum zurück. In neuerer Zeit wird nur in Notfällen dazu geschritten. Während des deutsch-französischen Krieges nötigte insbes. die durch die Franctireursbanden erwachsende Gefahr, heimlich überfallen zu werden, die deutschen Befehlshaber dazu, angesehene Ortsbewohner als Geiseln (otages) mit sich fortzunehmen, diese auch auf den Lokomotiven fahren zu lassen, um die Bevölkerung von Gefährdung der Eisenbahnzüge abzuhalten. Diese Maßnahme, von den Franzosen und Engländern vielfach angegriffen, entspricht zweifelsohne völkerrechtlichen Grundsätzen und fällt unter den Begriff der Repressalien (s.d.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 493.
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