Geißel [2]

[79] Geißel, der mit seiner Person für die Erfüllung eines Vertrages Bürgschaft leistet. Ist dies nur ein Privatvertrag, so heißt der G. Leibbürge (s.u. Bürgschaft); doch kommt dieses Verhältniß jetzt nur selten mehr vor, dagegen sind G. im Kriege noch zuweilen, obgleich auch selten, Sitte. Im Alterthume u. bei weniger cultivirten Völkern gab man sich gegenseitig bei Schließung von Friedens- u. Waffenstillständen G-n, u. der Überwinder nahm sie stets von dem Besiegten. Man wollte sich dadurch der Treue des Überwundenen versichern u. wählte deshalb Vornehme, womöglich Verwandte des besiegten Oberhauptes, zu G-n; wurde der Friede dennoch gebrochen, so war Hinrichtung od. harte Gefangenschaft das Loos der G. So versicherten sich die Römer auf diese Weise der Treue der unterworfenen Völker, u. auch im ganzen Mittelalter trifft man Beispiele von G. u. von blutiger Rache an ihnen an. Im neueren Völkerrecht ist man von dieser Idee der G-n zurückgekommen; der G. bürgt jetzt nur mit seiner Freiheit für die Erfüllung eines Versprechens, u. der Inhaber des G-s kann denselben nur ins Gefängniß setzen, nicht tödten lassen. Staaten pflegen sich gegenseitig nicht G. zu geben; wohl pflegt man aber aus einer insurgirten, aber wieder beruhigten Stadt od. Provinz die vornehmsten u. angesehensten Einwohner zu G-n zu nehmen, um dadurch der Ruhe des Bezirks desto sicherer zu sein. Auch für die Bezahlung rückständiger Contributionen pflegt man, wenn man einen Ort verläßt, ehe diese bezahlt sind, G-n mitzunehmen, um sich der Zahlung selbst in dem Fall, daß der Feind den Ort wieder in seine Gewalt erhält, zu versichern.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 79.
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