Gewalt

[313] Gewalt (Vis), 1) die in ihrer Überlegenheit sich geltend machende Kraft; 2) die Anstrengung dazu u. die Besiegung gegentretender Hindernisse; 3) das Vermögen einer freien Kraftäußerung in Bezug auf etwas, das derselben überliegt, mit u. ohne Befugniß; 4) in rechtlicher Beziehung ist die Gewalt entweder eine rechtliche, welche der sie ausübenden Person durch die Gesetze des Staates übertragen ist, wie die obrigkeitliche, väterliche, elterliche G.; od. eine widerrechtliche, eine Gewaltthätigkeit. In letzterem Falle kann die G. als Crimen vis (s.d.) sowohl zu einer criminellen Bestrafung Veranlassung bieten, als sie auch privatrechtlich dem Verletzten Ansprüche gibt, die er mit Klage u. Einreden geltend zu machen befugt ist. Bei gewaltsamer Besitzentsetzung steht dem des Besitzes Entsetzten das Interdictum de vi auf Restitution des Besitzes mit Ersatz des vollen Interesses, bei gewaltsamer Wegnahme von Sachen die Actio vi bonorum raptorum auf Rückgabe der Sachen u. Schadenersatz, bei erzwungenen Rechtsgeschäften die Actio quod metus causa u. beziehentlich Exceptio metus causa gegen eine durch die Gewalt vermittelte Klage zu. Dem Gezwungenen muß Alles wiedererstattet werden, was er ohne die erlittene G. gehabt hätte. Das Canonische Recht hat die Exceptio quod metus causa so erweitert, daß sie als Exceptio spolii (s.u. Spolienklage) selbst gegen Klagen schützt, die mit der erlitttenen G. gar nicht im Zusammenhang stehen. Über gewaltsame Selbsthülfe s. Selbsthülfe.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 313.
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