Klage [1]

[549] Klage (lat. Actio), 1) jedes gerichtliche Mittel, welches Verfolgung u. Aufrechterhaltung von Rechten bezweckt; 2) im engeren Sinne das Anbringen einer Partei (des Klägers, Actor), worin diese ein streitiges Rechtsverhältniß zur Kenntniß des Richters bringt u. bittet, ihren Gegner (Beklagten) in Ansehung desselben zu einer Leistung od. Unterlassung zu verurtheilen, resp. durch gerichtlichen Zwang dazu anzuhalten. Jede K. muß ihre Veranlassung in der Verletzung eines gesetzlich anerkannten Rechtes finden; es muß daher auch das Klaganbringen die Voraussetzungen enthalten, welche eine solche Verletzung erkennen lassen. Diese Voraussetzungen (Klaggrund. Causa, Fundamentum agendi) bestehen in der Erzählung der Thatsachen, wodurch das durch die K. verfolgte Recht entstanden ist; in der Hinweisung auf die eingreifenden rechtlichen Grundsätze für das Entstehen des Rechtes u. in der Angabe der Rechtsverletzung. In den Fällen, in welchen Jemand ein nicht ursprünglich bei ihm selbst entstandenes Recht verfolgt, ist außerdem auch noch nothwendig, den Übergang des Rechtes auf den Kläger, z.B. durch Erbschaft, Cession etc. anzugeben. Den angegebenen Voraussetzungen muß dann das Klaggesuch (Klagbitte, Klagpetitum) entsprechen, welches man eintheilt in: a) das Hauptgesuch, d.i. die Bitte, den Beklagten zu derjenigen Verpflichtung zu verurtheilen, welche dem als Hauptgrund der K. geltend gemachten Rechte entspricht (bei dinglichen Klagen Anerkennung des Realrechtes od. der Eigenthumsfreiheit, bei persönlicher Verurtheilung zur Erfüllung der Verbindlichkeit, bei den einen Status betreffenden Klagen An- od. Aberkennung eines Zustandes); b) das Nebengesuch, welches auf die mit der Hauptforderung verbundenen Accessionen, wie Früchte, Zinsen, Ersatz alles Schadens, Erstattung der Proceßkosten (omnis causa), gerichtet ist; u. e) das Proceßgesuch, d.i. der Antrag auf Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zum Zwecke der künftigen Entscheidung. Der letztere Theil des Gesuches kann indessen ganz wegfallen, wenn der Kläger nur ein Verfahren im ordentlichen Processe bezweckt, u. ist nur da nothwendig, wo der Proceß in einer besonderen, summarischen[549] Proceßart geführt werden sollte. Die K. kann bei manchen Proceßarten, z.B. meist bei dem sogen. Bagatellproceß, mündlich, muß aber in der Regel schriftlich in einer Klagschrift, Klaglibell (Libellus actionis) angebracht werden. Die Abfassung der K. ist mit möglichster Klarheit, bei verwickelter thatsächlicher Grundlage zweckmäßig auch punktweise (nicht aber in articulirter Form, was schon die Reichsgesetze ausdrücklich verboten), vorzutragen. In einer Rubrik (in rubro) wird zunächst die Bezeichnung der streitenden Theile u. der Streitgegenstände kurz angegeben; der Inhalt wird meist so geordnet, daß die Geschichtserzählung (Species facti) den Anfang macht, darauf der Rechtsklagegrund, dann das Proceßgesuch, zuletzt das Haupt od. Nebengesuch folgen. Der Kläger hat sich namentlich bei Begründung der K. auf das Nothwendige zu beschränken u. daher etwaigen Einwendungen des Beklagten nicht schon jetzt zu begegnen, sondern dies für die Replik zu versparen. Nur zuweilen, bes. bei zweifelhafter Zuständigkeit des Gerichtes, nothwendiger Bezugnahme auf weniger bekannte Gesetze u. besonderen Privilegien, kann auch ein vorläufiges Eingehen auf solche Einwendungen zweckmäßig sein. Am Schlusse der K. erfolgt oft mittelst einer eigenen Clausel (Clausula salutaris) die Anrufung des richterlichen Ergänzungsamtes (Officium nobile judicis), d.h. die Bitte, daß der Richter kraft seines Amtes für Dasjenige wirke, was der Proceßführung gemäß ist, u. etwaige kleinere Mängel des Klaglibells übersehe. Mängel dieser Art können übrigens auch von dem Kläger selbst jeder Zeit, selbst nach der Einlassung, gehoben werden, wobei man noch zwischen der Klagverbesserung (Emendatio libelli), wodurch die Anordnung des Klaglibells, die Anführungen wegen Nebenforderungen in eine zweckmäßigere Form u. Darstellung gebracht werden, u. der Klagerläuterung (Declaratio libelli), wodurch undeutliche u. unvollständige Angaben berichtigt u. erläutert werden, unterscheidet Verschieden hiervon ist aber die Mutatio libelli, Abänderung der K. in wesentlichen Punkten, namentlich in dem historischen Klaggrund u. dem Hauptgesuch, wodurch die Identität od. wenigstens die dermalige Lage des Processes aufgehoben wird. Eine solche Klagänderung ist zwar vor der Einlassung des Gegentheils auch erlaubt; nach der Einlassung kann sie nur mit Zustimmung des Beklagten, u. wenn dadurch nicht eine neue Einlassung nothwendig wird, geschehen. Hält der Kläger dennoch eine Abänderung für in seinem Interesse geboten, so muß er die frühere K. fallen lassen u. einen neuen Proceß anfangen. Sache des Beklagten ist es, in der Einredeschrift auf die Mängel der K. aufmerksam zu machen. Hierzu dienen bes. die sogenannten Exceptio nimis generalis, E. obscuri, E. ineptilibelli, wenn aus der Geschichtserzählung sich nicht abnehmen läßt, was eigentlich der Kläger will, od. das Petitum sich nicht rechtfertigt; Exc. deficientis fundamenti agendi, wenn aus der Geschichtserzählung kein Klaggrund od. Klagrecht des Klägers erhellt; Exc. pluspetitionis, wenn Kläger mehr fordert, als nach der Geschichtserzählung möglich ist; Exc. Falsi petiti, wenn das Hauptgesuch des Klägers an Unbestimmtheit od. Unverständlichkeit leidet etc. Im Grunde sind diese Exceptionen aber keine eigentlichen Einreden (s.d.), sondern nur rechtliche Ausführungen, um die Haltlosigkeit der K. darzuthun. Die Eintheilung der K-n nach Römischem Recht, s.u. Actio. Über Klagenhäufung, s.u. Cumulation; über Klagenabtretung, s. Beneficium cedendarum actionum unter Beneficium 7) c); über Klagenversährung, s.u. Verjährung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 549-550.
Lizenz:
Faksimiles:
549 | 550
Kategorien: