Vollziehende Gewalt

[249] Vollziehende Gewalt (Vollzugsgewalt, vollstreckende Gewalt, Exekutive, Exekutivgewalt, lat. Potestas rectoria, franz. Pouvoir exécutif), die Staatsgewalt, soweit sie nicht gesetzgebende Gewalt ist. Gewöhnlich wird der Begriff enger gefaßt, indem man nur einen Teil der ausführenden Gewalt darunter versteht, nämlich die Regierung oder Verwaltung (s. d.), im Gegensatz zur Justiz oder Rechtsprechung. Die Staatsgewalt selbst ist einheitlich und unteilbar. Man kann daher wohl die einzelnen Funktionen der Staatsgewalt unter verschiedenen Bezeichnungen zusammenfassen, die Staatsgewalt selbst aber läßt sich nicht teilen, namentlich nicht zwischen Monarch und Volksvertretung. Darum ist die Lehre Montesquieus von der Teilung der Gewalten, die lange Zeit die herrschende war, irrig. Sie knüpft an die Dreiteilung des Aristoteles (trias politica) an, der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Vollziehung unterschied. Montesquieu bildete hieraus drei voneinander gesonderte und selbständige Gewalten im Staate (pouvoir législatif, exécutif, judiciaire). Seinem Beispiel folgend, hielten auch die deutschen Publizisten lange Zeit an dieser Einteilung fest, die man als die Grundlage des Konstitutionalismus betrachtete. Die v. G. des Monarchen erschien hiernach als eine demselben von dem Volke ausschließlich überlassene, während das Volk sich bei der Gesetzgebung sein Mitwirkungsrecht vorbehalten habe. Neuere französische Schriftsteller fügten übrigens jenen drei Gewalten noch eine »vermittelnde Gewalt« (pouvoir modérateur) hinzu, andre eine »Repräsentativgewalt« (pouvoir représentatif), d. h. das Recht zur Vertretung des Staates nach außen. Überhaupt finden sich bei den neuern Publizisten die verschiedensten Einteilungen. Aber bei all diesen Einteilungen ist immer daran festzuhalten, daß die Staatsgewalt selbst einheitlich ist. In der konstitutionellen Monarchie ist der Fürst der Träger der vollziehenden Gewalt und auf diesem Gebiet an die Zustimmung der Volksvertretung nicht gebunden. Die Ministerverantwortlichkeit und die Notwendigkeit der Gegenzeichnung der monarchischen Erlasse durch einen verantwortlichen Minister sichern aber die Verfassungsmäßigkeit dieser vollziehenden Tätigkeit. Zudem ist ebendiese Tätigkeit, auch was die Vollzugsgewalt der staatlichen Organe und Behörden anbetrifft, im modernen Rechtsstaat durch Verfassung und Gesetz begrenzt. Endlich aber ist der Volksvertretung durch das Beschwerderecht und durch das Budgetrecht, durch die Möglichkeit, Mißstände der Verwaltung zur Sprache zu bringen, wenn auch kein Recht der Mitwirkung, so doch eine politische Kontrolle der Staatsverwaltung gegeben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 249.
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