Bürgschaft

[630] Bürgschaft, ein dem Gläubiger gegenüber abgegebenes und von diesem angenommenes Versprechen einer Person (Bürge), für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten (Schuldner) einzustehen. Man unterscheidet verschiedene Arten von Bürgen. Afterbürgen (s.d.); Ausfall- oder Schadlosbürge, wer nur für den Ausfall haftet, der sich bei ungenügenden Mitteln des Hauptschuldners ergibt; Nachbürge, soviel wie Afterbürge und Rückbürge, wer sich für die Regreßschuld des Hauptschuldners verbürgt; Mitbürgen, d. h. verschiedene Bürgen für eine und dieselbe Schuld. Das letztern früher zustehende beneficium divisionis, nach welchem dieselben verlangen konnten, daß der Gläubiger seine Forderung unter den zahlungsfähigen Bürgen teile, hat das Bürgerliche Gesetzbuch beseitigt, nach ihm (§ 769) haften mehrere Bürgen vielmehr als Gesamtschuldner (s.d.). Zu ihrer Gültigkeit bedarf die B., ausgenommen, wenn sie für den Bürgen ein Handelsgeschäft ist (Handelsgesetzbuch, § 358), der schriftlichen Form, jedoch kann das auf Grund einer B. freiwillig Geleistete nicht deswegen zurückgefordert werden, weil die B. mangels schriftlicher Form ungültig gewesen sei. Für gewöhnlich haftet der Bürge erst dann, wenn der Hauptschuldner vergeblich eingeklagt wurde; wird er trotzdem vorher in Anspruch genommen, so hat er die Einrede der Vorausklage, d. h. er kann verlangen, daß der Gläubiger zuerst den Hauptschuldner einklagt, und kann die Zahlung so lange verweigern, als ersterer nicht gegen den letztern eine Zwangsvollstreckung vergeblich versucht hat, oder das ihm zustehende Pfand-, bez. Zurückbehaltungs-, Anfechtungs-oder Aufrechnungsrecht nicht ausgeübt hat. In einer Reihe von Fällen (Bürgerliches Gesetzbuch, § 773) ist jedoch diese Einrede ausgeschlossen, es kann also der Gläubiger sofort von dem Bürgen Zahlung verlangen, bez. ihn einklagen; dies ist insonderheit der Fall, wenn der Bürge als »Selbstschuldner« oder »Selbstzahler« sich verbürgt hat. Da die B. akzessorischer Natur ist, d. h. nur in Verbindung mit einer Hauptverbindlichkeit in die Erscheinung treten kann, so ist für die Verpflichtung des Bürgen der jeweilige Bestand dieser Hauptverbindlichkeit maßgebend; geht daher z. B. die Hauptverbindlichkeit unter, so geschieht dies auch mit der B., nicht dagegen wird die Verpflichtung der Bürgen dadurch erweitert, daß der Hauptschuldner nach Übernahme der B. noch ein Rechtsgeschäft abschließt, z. B. an Stelle der alten Schuld eine andre Verbindlichkeit übernimmt. Ebenso stehen dem Bürgen alle Einreden zu, die der Hauptschuldner gegen den Gläubiger hat, er verliert dieselben auch dadurch nicht, daß der Hauptschuldner auf sie verzichtet. Haben sich mehrere für dieselbe Verbindlichkeit verbürgt, so haftet jeder auf das Ganze, es sei denn, daß in dem Bürgschaftsvertrag ausdrücklich hervorgehoben, daß sich die B. nur auf einen bestimmten Teilbetrag erstrecken soll. Von Wichtigkeit ist die B., die nur für eine bestimmte Zeit übernommen wurde. Hier wird der Bürge nach Ablauf dieser Zeit frei, falls der Gläubiger nicht unverzüglich den Hauptschuldner ausklagt und nach Beendigung des Verfahrens dem Bürgen sofort mitteilt, daß er ihn in Anspruch nehmen werde. Ist die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen, so muß der Gläubiger vor Ablauf der Frist den Bürgen von der beabsichtigten Beanspruchung in Kenntnis setzen. Hat der Bürge für den Hauptschuldner bezahlt, so geht die Forderung des Gläubigers nebst allen Rechten, die zu seiner Sicherung dienten, wie Pfandrecht, Vorzugsrecht etc., auf ihn über. Die B. endet mit Erlöschung der Hauptschuld, durch Befriedigung des Gläubigers und den bereits erwähnten Ablauf der Frist, für die sie übernommen, ferner auch dann, wenn und soweit der Gläubiger ein mit seiner Forderung verbundenes Sicherungsrecht ausgibt. Befreiung von der B. kann der Bürge endlich auch dann verlangen, wenn er sich im Auftrag oder als Geschäftsführer des Hauptschuldners[630] verbürgt hat, wenn sein Regreß gegen diesen durch Verzug, Vermögensverfall oder Wohnsitzverlegung gefährdet oder erschwert ist, bez. wenn der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urteil auf Erfüllung erwirkt hat. Als Bürge haftet endlich, wer einen andern beauftragt, im eignen Namen und auf eigne Rechnung einem Dritten Kredit zu geben (Kreditauftrag). Die bisher üblichen Beschränkungen der von Frauen übernommenen Bürgschaften sind nunmehr aufgehoben. Ein der B. ähnliches Rechtsgeschäft ist der Garantievertrag (s.d.). Von besonderer Bedeutung ist endlich die sogen. Wechselbürgschaft, d. h. die Erklärung eines Dritten, für den Wechselschuldner zu haften. Diese Erklärung muß auf dem Wechsel handschriftlich durch die Worte als Bürge (per aval) vermerkt werden. Ein solcher Bürge, auch Avalist (s.d.) genannt, haftet wechselrechtlich auf das Ganze, das Recht der Vorausklage steht ihm nicht zu.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 630-631.
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