Staatsrecht

[810] Staatsrecht (.ins publicum), im weitern Sinne soviel wie öffentliches Recht; im engern und eigentlichen Sinne wird damit unter Ausscheidung des Straf- und Prozeßrechts, des Kirchen- und Völkerrechts das Recht bezeichnet, das sich auf den Staat und die Rechtsverhältnisse der Staatsgen offen als solche bezieht. Je nachdem nun die Grundsätze des Staatsrechts unmittelbar aus dem Begriff und aus dem Wesen des Staates überhaupt entwickelt, oder nach dem Rechte eines bestimmten Staates dargestellt werden, unterscheidet man allgemeines (philosophisches, natürliches) und besonderes (positives) S. Nach den Gegenständen, auf die sich Rechtssätze des Staatsrechts beziehen, unterscheidet man äußeres und inneres S.; ersteres betrifft die äußern Verhältnisse und die Stellung des Staates zu andern Staaten, letzteres die innern Staatsangelegenheiten. Für Deutschland insbes. war zur Zeit des frühern Deutschen Reiches und ist jetzt wieder die Einteilung in Reichsstaatsrecht und Landesstaatsrecht von Wichtigkeit. Ferner pflegt man neuerdings aus dem S. das Verwaltungsrecht auszuscheiden, als den Inbegriff derjenigen Rechtsgrundsätze, nach denen sich die Tätigkeit der Verwaltungsorgane richtet. Dem S. (Verfassungsrecht) verbleibt alsdann die Lehre von dem Herrschaftsbereich und von der Einrichtung der Staatsgewalt (Monarch, Volksvertretung, Behörden, Gemeindeverbände), von der Tätigkeit der staatlichen Organe und dem Verhältnis der Untertanen zum Staat. Die staatsrechtliche Literatur, namentlich die deutsche, ist sehr reichhaltig. Die zahlreichen Publizisten des 16. und 17. Jahrh., unter denen besonders Pufendorf, Leibniz, Cocceji und Thomasius zu nennen sind, wurden von J. J. Moser durch die Gründlichkeit, womit er in seinen zahlreichen Schriften die verschiedenen Zweige des Staatsrechts behandelte, und von Pütter, dem bedeutendsten Staatslehrer des 18. Jahrh., übertroffen, der auf geschichtlicher Grundlage zuerst einer systematischen Bearbeitung[810] des Staatsrechts die Bahn eröffnete. Unter den Systemen des deutschen Staatsrechts sind aus der Zeit des Deutschen Bundes die von Zachariä (3. Aufl., Götting. 1865–97, 2 Bde.), Zöpfl (5. Aufl., Leipz. 1863), aus neuerer Zeit das von G. Meyer (6. Aufl., bearbeitet von Anschütz, das. 1905) zu nennen. Die bedeutendste Bearbeitung des Staatsrechts des Deutschen Reiches ist die von P. Laband (4. Aufl., Freib. i. Br. 1901, 2 Bde.); außerdem ist die von Ph. Zorn (2. Aufl., Berl. 1895–97), ArndtVerfassung des Deutschen Reichs«, 3. Aufl., das. 1907) und A. Hänels »Deutsches Staatsrecht« (Leipz. 1892 ff.) zu erwähnen. Die Bearbeitung der Landesstaatsrechte s. bei den betreffenden Ländern. Zeitschriften: die Tübinger »Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft«, Hirths und Seydels »Annalen des Deutschen Reichs« (Leipz.), Grünhuts »Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart« (Wien), Labands und Störks »Archiv für öffentliches Recht« (Freib. i. Br.); »Revue du droit public« von F. Larnaude (Par., seit 1894); »Archivio di diritto pubblico« von V. E. Orlando (Palermo, seit 1891). Enzyklopädische Werke: Rotteck u. Welcker, Staatslexikon (3. Aufl., Leipz. 1856–66, 14 Bde.); Bluntschli und Brater, Staatswörterbuch (Stuttg. 1856–70, 11 Bde.; Auszug in 3 Bänden, Zür. 1869–74); das von der Görres Gesellschaft herausgegebene »Staatslexikon« (2. Aufl., Freib. i. Br. 1901–04, 5 Bde.); Mischler und Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch (Wien 1895–97, 2 Bde.; 2. Aufl. 1904 ff.) u. a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 810-811.
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