Thomasĭus

[496] Thomasĭus, 1) (Thomas) Christian, deutscher Rechtslehrer, geb. 1. Jan. 1655 in Leipzig, gest. 23. Sept. 1728 in Halle, Sohn des Philosophen Jakob T., ward bereits 1672 in Leipzig Magister der Philosophie und 1678 in Frankfurt a. O. Doktor der Rechtswissenschaft, trat dann in Leipzig als Lehrer des positiven und des Naturrechts auf und hielt 1688 zum erstenmal Vorlesungen in deutscher Sprache. Seine Freimütigkeit zog ihm viele Feinde unter den Theologen zu, so daß er sich genötigt sah, 1690 nach Halle zu gehen, wo er anfangs an der Ritterakademie Vorlesungen über juristische und philosophische Gegenstände hielt, die er dann an der 1694 zum Teil durch seine Mitwirkung gegründeten Universität fortsetzte, an der er Professor und 1710 Ordinarius der Juristenfakultät wurde. T. hat gegen die aristotelisch-scholastische Richtung der Philosophie und deren Terminologie und Regelzwang mit den Waffen des Geistes, zum Teil auch des Witzes und der Satire erfolgreich gekämpft und eine mehr dem gefunden Menschenverstand und den Aufgaben des praktischen Lebens zuneigende Auffassung der Wissenschaften eingeleitet. Den Glauben an die absolute Vollkommenheit des römischen Rechts hat er zuerst erschüttert. Im Kirchenrecht ist er Vertreter des Territorialsystems (s. d.), indem er zugleich in Sachen des Glaubens alle äußere Autorität leugnete und Duldung auch des bekenntnis-widrigen Glaubens forderte. Ihm kommt das Verdienst zu, zuerst Naturrecht von Moral und Theologie getrennt zu haben. Mit besonderm Nachdruck und Erfolg hat er gegen Folter und Hexenprozesse gekämpft. Durch seine Monatsschrift »Scherz- und ernsthafte, vernünftige und einfältige Gedanken über allerhand lustige und nützliche Bücher und Fragen« (Leipz. 1688 und mit verändertem Titel 1689) ist er der Begründer des deutschen Journalismus geworden. Seine besonders dem Naturrecht und der Sittenlehre gewidmete schriftstellerische Tätigkeit hat sich in einer sehr großen Zahl von Büchern und Dissertationen zersplittert; eine Gesamtausgabe fehlt. Als besonders charakteristisch sind zu nennen: »Ernsthafte, aber doch muntere und vernünftige Gedanken über allerhand auserlesene juristische Händel« (Halle 1720 u. 1721, 4 Bde.) und »Vernünftige und christliche, aber nicht scheinheilige Gedanken und Erinnerungen über allerhand gemischte philosophische und juristische Händel« (das. 1723–25, 3 Bde.; Anhang 1726) sowie seine »Historie der Weisheit und Torheit« (das. 1693, 3 Tle.). Seine »Kleinen deutschen Schriften« wurden von Opel herausgegeben (Halle 1894). Vgl. H. Luden, T. nach seinen Schicksalen und Schriften (Berl. 1805); Dernburg, T. und die Stiftung der Universität Halle (Halle 1865); Nicoladoni, Christian T. (Berl. 1888); E. Landsberg, Zur Biographie von Christian T. (Bonn 1894); R. Kayser, T. und der Pietismus (Hamb. 1900); H. Krahmer, Ein Colleg bei Christian T. (Halle 1905).

2) Gottfried, luther. Theolog, geb. 26. Juli 1802 in Egenhausen (Franken), gest. 24. Jan. 1875 in Erlangen, wurde 1829 Pfarrer in Nürnberg und 1842 ordentlicher Professor der Dogmatik und Universitätsprediger in Erlangen. Außer mehreren Predigtsammlungen, Religionslehrbüchern und kirchlichen Zwecken dienenden Arbeiten schrieb er: »Origenes« (Nürnb. 1837); »Beiträge zur kirchlichen Christologie« (das. 1845); »Das Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche in der Konsequenz seines Prinzips« (das. 1848); »Christi Person und Werk« (Erlang. 1852–61, 3 Bde.; 3. Aufl. von Winter, 1886–88, 2 Bde.); »Das Bekenntnis der lutherischen Kirche von der Versöhnung« (das. 1857); »Das Wiedererwachen des evangelischen Lebens in der lutherischen Kirche Bayerns« (das. 1867); »Die christliche Dogmengeschichte« (das. 1874–76, 2 Bde.; 2. Aufl. von Bonwetsch und Seeberg, 1886–89, 2 Bde.). Vgl. v. Stählin, Löhe, T., Harleß (Leipz. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 496.
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