Thomasius

[535] Thomasius, 1) Jakob, geb. 1622, war Rector an der Thomasschule u. Professor der Beredtsamkeit an der Universität in Leipzig u. starb 1684. 2) Christian, Sohn des Vorigen, geb. 1. Jan. 1655 in Leipzig, studirte dort unter der Leitung seines Vaters Philologie u. Philosophie u. seit 1675 in Frankfurt a. d. O. die Rechte. 1679 ging er nach Leipzig zurück, wo er juristische u. philosophische Collegien las, machte sich aber durch seine Freimüthigkeit viele Feinde. Als er die Vermählung des Herzogs Moritz von Sachsen-Zeitz mit der Tochter des reformirten Kurfürsten von Brandenburg, welche Heirath man am Dresdner Hofe aus politischen Gründen nicht gern sah, durch eine Schrift vertheidigte, war 1690 schon ein Verhaftsbefehl gegen ihn erlassen, welchem er aber durch die Flucht nach Halle entging, wo er an der Ritterakademie seine Vorlesungen fortsetzte. Als sich aus der Ritterakademie 1694 eine Universität bildete, wurde Th. Professor der Rechte, Geheimer Rath u. Director der Universität; er starb 23. Sept. 1728 in Halle. Th war der erste deutsche Universitätslehrer, welcher sich (seit 1687) in seinen akademischen Vorträgen der Deutschen Sprache bediente. Er trat in der Philosophie der Scholastik u. in der Theologie der Orthodoxie kühn entgegen, drang auf den Gebrauch des Naturrechts in den Gerichtshöfen u. auf die Abschaffung der Tortur u. der Hexenprocesse, kämpfte gegen den Glauben an Gespenster u. andere Gegenstände des Aberglaubens. Auch war er der Erste, welcher die Ehe nur als bürgerlichen Vertrag betrachtete u. die Polygamie mit dem Naturrecht übereinstimmend erklärte. Ein Hauptzug in seinem literarischen Charakter war die Sucht originell zu sein, welche ihn zu paradoxen Behauptungen u. zu dem Glauben führte von seinen Zeitgenossen durchaus nichts mehr lernen zu können. Er schrieb zahlreiche Schriften juristischen, philosophischen u. vermischten Inhalts, z.B. über die Vielweiberei 1685; Freimüthige Gedanken od. Monatsgespräche über allerhand, vornemlich aber neue Bücher, 1688: Historie der Weisheit u. Thorheit, ebd. 1693, 3 Thle.: Kurze Lehre von den Lastern der Zauberei mit dem Hexenproceß, Halle 1704: Vernünftige u. christliche, aber nicht scheinheilige Gedanken über allerlei gemischte philosophische u. juristische Händel, ebd. 1723–25,3 Thle. Vgl. Luden, Chr. Th. nach seinen Schicksalen u. Schriften, Berl. 1805.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 535.
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