Charakter

[865] Charakter (gr.), 1) ein durch Schneiden, Hauen od. Eindrücken festen Stoffen (Holz, Steine, Metalle) ertheiltes Gepräg etc.; 2) jede Figur od. Zeichen, so fern sie zum Merkmal dient; daher z.B. Buchstaben Ch-e genannt werden u. Character regius das den römischen Soldaten in die Hand gebrannte Zeichen, gewöhnlich der Namenszug des Kaisers, damit sie bei Desertionen wiedererkannt werden konnten. Überhaupt nennt man Ch-e Zeichen u. Figuren für Gegenstände einer Wissenschaft, s. Apotheker-, Astronomische, Chemische, Geometrische, Kalender-, Mathematische-, Planeten- u. Thierkreis-, astrologische u. magische Zeichen; ferner im Handel Ziffern, Buchstaben od. sonstige Zeichen, dergleichen man sich auf Preiszetteln bedient, um sich u. den damit Vertrauten den genauesten Preis zu bezeichnen. Meist wählt man Wörter, die 10 von einander verschiedene Buchstaben enthalten, z.B. Misanthrop, Waldenburg, um daraus die Zahlen von 1 bis 10 zu bilden; 3) unterscheidendes Merkmal od. Inbegriff der Merkmale u. Eigenschaften, wodurch ein Gegenstand, z.B. Pflanzen (s. Botanische Charakteristik), od. eine Person sich von andern unterscheidet, so Ch. hypostatĭcus in der Trinitätslehre die Eigenschaft, welche jede der 3 Personen für sich hat (s. Trinität); Ch. indelebĭlis, ein durch den Empfang gewisser Sacramente (Taufe, Firmung, Priesterweihe) unvertilgbar empfangenes Merkmal, so daß jene Sacramente nicht wiederholt werden; 4) (Charakterbuchstabe), Buchstabe, an dem man erkennen kann, nach welcher Flexionsform ein Wort sich richtet; der Ch. geht meist der Endung vorher, endigt also den Stamm; 5) die bestimmte, feste, mit Selbstbewußtsein verbundene Richtung des Willens auf Etwas. So legt man einem Menschen einen guten od. schlechten Ch. bei, od. spricht ihm wohl gar den Ch. ab (charakterloser Mensch), sofern seine Handlungen nicht als die Folge fester Grundsätze, sondern durch Laune u. Zufall eingegeben erscheinen, od. seine Handlungen schwankend ed. auch wohl widersprechend sind. Der Ch. wurzelt mehr im Gemüth des Menschen, als in dem Verstande, u. will cultivirt sein; daher Charakterbildung ein wesentlicher Theil der Erziehung für das reifere Jugendalter ist. Der Ch. der Menschheit bezeichnet den Inbegriff alles dessen, wodurch sich der Mensch von dem Thiere unterscheidet (vgl. Humanität). Eben so hat jedes Geschlecht seinen besonderen Ch. (männlicher, weibkicher Ch.), nach den Eigenheiten der Natur eines jeden, eben so jedes Lebensalter, jede Nation (National-Ch), u. zwar je schärfer abgeschlossen eine Nation vom Verkehr mit andern Nationen bleibt. So nehmen auch gemeinschaftliche menschliche Strebungen, wie z.B. Kriege, einen bestimmten Ch. an, dessen Darstellung Aufgabe des Geschichtsschreibers ist; so auch der Ch. eines Kunstwerks, welcher sich darin offenbart, daß dasselbe die allgemeine Idee, die ihm zu Grunde liegt (z.B. Frömmigkeit, Mutterliebe, Schmerz), in dem individuellen gewählten Stoffe dem Gesetz der Schönheit gemäß, klar u. bestimmt ausdrückt; 6) Ehrentitel, der auf die Stellung, welche einem Staatsbürger im Staate verliehen ist, Bezug hat; daher Charakterisirte Personen, denen ein solcher verliehen ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 865.
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