Zorn [1]

[994] Zorn, Affekt, der entsteht, wenn der Einzelne durch Hindernisse, insbes. solche, die seiner Meinung nach nicht durch die Natur der Dinge, sondern durch eine ihm ebenbürtige, aber feindliche Macht gesetzt sind, sich in der freien Betätigung verhindert oder bedroht sieht. Wie alle Affekte hängt jedoch auch der Z. fast ebensosehr von körperlichen (physiologischen) Bedingungen wie von geistigen Motiven ab, deswegen ist die Disposition dazu sowohl bei verschiedenen Individuen als beim selben zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden, ja in pathologischen Zuständen kann er ohne »vernünftigen Grund« scheinbar von selbst losbrechen (Tobsucht), wie er auch bei Tieren als halb-physiologische Reaktion auf unbedeutende äußere Reize auftritt. Regelmäßige physiologische Begleiterscheinungen des Zornes sind eine gesteigerte, aber ungeregelte Innervation der willkürlichen Muskeln (daher die starken, aber planlosen Bewegungen des Zornigen, das Ballen der Fäuste, Auseinanderbeißen der Zähne, das laute Reden und Schreien etc.) sowie die krampfhafte Zusammenziehung mit darauffolgender anhaltender Erschlaffung der Blutgefäße (daher heftiges Erröten mit folgender Blässe). Der geringste Grad des Zornes ist der Ärger, der höchste, mit lebhaften Ausbrüchen verbundene, die Wut. Jähzorn heißt die Anlage zu häufigen, aber rasch vorübergehenden Anwandlungen von Z.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 994.
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