Zorn [1]

[791] Zorn, die bekannte Aufregung des Gemüthes zum Widerstande gegen eine wirkliche oder scheinbare Beleidigung, sich äußernd durch Mienen- und Gebärdenspiel, durch Schreien, Fluchen, Lästern, Zuschlagen. Der leicht und schnell erregbare aber gewöhnlich rasch verrauchende Z. heißt der Jäh-Z. (von jach, jagen); den Z. nannte schon Seneca mit Recht eine kurze Wuth, insofern er dem Menschen mehr oder minder die Ueberlegung raubt und ihn zur zerstörungssüchtigen Bestie macht. Verhaltener, andauernder Z. heißt Groll, der höchste Grad des Z.es Wuth, Raserei (vgl. Berserker). An u. für sich ist der Z. so wenig gut od. böse als irgend ein Trieb, auch sind die Anlagen zur Z. müthigkeit je nach dem Temperamente des Menschen sehr verschieden, aber weil er weitaus in den meisten Fällen als verderbliche Aeußerung energischer Selbstsucht erscheint, kennt die christliche Moral fast nur als Grundlage des Lasters die Z. müthigkeit u. rechnet den Z. unter die 7 Haupt- oder Todsünden (Jak. 1,19). Gerechten Z. nennt man den in religiössittlichem Eifer wurzelnden Unwillen über etwas, wodurch wider Gott, die wahren Interessen der Nebenmenschen und der eigenen Person gesündiget wird.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 791.
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