Schweiz

[182] Schweiz (Schweizerische Eidgenossenschaft, hierzu Karte »Schweiz«), ein aus 22 (resp. 25) Bundesgliedern, den Kantonen (resp. Halbkantonen; vgl. die Übersicht auf S. 185), bestehender Bundesstaat, zwischen 5°57'26'' und 10°29'40'' östl. L. und 45°49'2'' und 47°48'32'' nördl. Br. ziemlich in der Mitte Europas gelegen, wird im O. von Österreich (und Liechtenstein), im Süden von Italien und Frankreich, im W. von Frankreich und im N. von dem Deutschen Reich (Elsaß, Baden, Württemberg, Bayern) begrenzt. Die Umrißform ähnelt dem Oval; die westöstliche Längsachse mißt 348, die nordsüdliche Querachse 221 km, die Grenzlinie 1883,5 km.

[Bodengestaltung.] Vom ganzen Gebiet lassen sich nur einige aufgeschüttete Talböden als Niederungen betrachten: Rhein oberhalb Bodensee und von der Aaremündung nach Basel, untere Rhone, Tessin und Maggia; die absolute Höhendifferenz beträgt 4441 m (Dufourspitze 4638 m, Langensee 197 m), die mittlere Höhe rund 1350 m. Das Hauptgebirge sind die Schweizer Alpen; sie bedecken ungefähr 68 Proz. der Bodenfläche (Näheres über die Schweizer Alpen s. Alpen, S. 362 f., und die betreffenden Einzelartikel, über die Verbreitung der Gletscher s. d.). Ihnen nicht ganz parallel erstreckt sich das Mittelgebirge des Jura (s. d.) durch den westlichen und nördlichen Teil des Landes und zwischen beiden eingelagert die Schweizer Hochebene, die durch eine Zone von Voralpen allmählich zu den Hochalpen hinansteigt. Die Hoch ebene, der angebauteste und bevölkertste Teil der S., liegt in den Talsohlen meist um 400–500 m ü. M. (Genfer See 375 m, Neuenburger See 432 m, Vierwaldstätter See 437 m, Zürichsee 409 m, Bodensee 399 m). Die einzelnen Gaue tragen im Volksmund noch immer ihre besondern Namen, als: Gros de Vand, das Mittelstück des Waadtlandes, dessen Weingehänge am Genfer See La Côte (um Nyon-Morges) und La Vaux (um Cully) heißen und zum Plateau des Jorat (deutsch Inrten, 932 m) sich erheben; das Üchtland, d. h. das Flachland Freiburgs; der Neuenburger Uferstrich Vignoble; das Seeland, zwischen Murten-, Neuenburger und Bieler See gelegen und mit dem aussichtsreichen Vully oder Wistenlach (659 m) kulminierend; das Berner Mittelland, aus dem der Gurten (861 m) und der Bantiger (949 m) als isolierte, aussichtsreiche Hügelmassen aufragen; das untere Emmental; der Oberaargau; das Bucheggberger und Kriegstätter Amt; das Solothurner und das Luzerner Gäu; der Unteraargau, das Freiamt, beide durch den Lindenberg (900 m) geschieden; das Knonauer Amt, das zum obstreichen Baarer Boden sich senkt; das Züricher Ober- und Unterland; die Ebene des Rafzerfeldes; das zwischen Winterthur und Schaffhausen gelagerte Weinland, aus dem der Irchel (s. d.) aufragt; die thurgauischen Höhenzüge des Seerückens (s. d.) und des Ottenbergs (671 m); die Alte Landschaft oder das St. Galler Fürstenland, dessen Mitte der Tannenberg (901 m) bezeichnet.

[Geologisches.] Die ältesten in der S. zutage tretenden Gesteine sind kristalline Schiefer. Gneise, Glimmerschiefer, Hornblendeschiefer etc. und Granit, die den Kern der Alpen zusammensetzen und vielfach sehr reich an seltenern und schönen Mineralien sind. (Berühmte Fundorte: St. Gotthard-Gebiet, Scopi am Lukmanier.) Als silurisch werden die Glanzschiefer oder die grauen, bunten und grünen Schiefer (Casanaschiefer vom Casanaß und Oberengadin) gedeutet. Devon ist noch nicht sicher nachgewiesen. Karbon findet sich in den Walliser Alpen (an der Dent de Morcles) und im Tödigebirge (s. Textblatt zur »Geologischen Karte der Alpen« beim Artikel »Alpen«). Das Perm ist besonders in den ostschweizerischen Gebietsteilen vertreten (Verrucano), die Trias, und zwar in der germanischen Facies, in den nördlichen und nordwestlichen Kantonen, so im Baseler Land, im Aargau, in Schaffhausen etc., lediglich als Fortsetzung der süddeutschen Trias. Eine große Entwickelung besitzt die Juraformation; zumal Dogger und Malm sind zu mächtiger Entfaltung gekommen, und zwar besonders im Juragebirge selbst. Auch in den Alpen finden sich jurassische Ablagerungen, jedoch in Zonen stärkster Faltung in kristallinische Schiefer umgewandelt (wie bei Andermatt und Airolo im Gotthardgebiet, im Binnental etc.). Auch die Kreide ist im südwestlichen Teile des Juragebirges und in gewissen alpinen Gebieten (Säntis, Thuner See, Pilatus) sehr mächtig entwickelt. Das Tertiär wird hauptsächlich[182] durch die eocänen Nummulitenbildungen und den Flysch der Alpen sowie durch die jungtertiäre Molasse des Vorlandes vertreten. Ein bedeutendes Areal des schweizerischen Landes nord- und südwärts der Alpen wird von den diluvialen Gebilden eingenommen, den Rückständen ehemaliger großer Gletscher. An lager- und deckenförmig auftretenden Eruptivgesteinen ist die S. arm (Quarzporphyr der Windgälle, Umgebung von Lugano), ebenso an abbauwürdigen Vorkommen nutzbarer Mineralien (Bex im Waadtlande: Steinsalz; Nickelerze des Wallis etc.).

[Klima.] Erhebliche Unterschiede sind bedingt durch die Höhenlage und die Richtung der Gebirge. Der größere Teil des Landes ist nach N. geneigt, also kalten Winden ausgesetzt; entgegengesetzt die Südseite des Gebirges. Daher der große Unterschied beider alpiner Seiten im Klima. Die mittlern Jahresextreme betragen für: Basel 31, -14°, Zürich 30, -14°, Altdorf 30, -11°, Bern 29, -15°, Genf 32, -11°, Lugano 31, -7°, Sils-Maria 22, -22°, Bludenz 31, -16°, St. Bernhard 18, -22°. Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe beträgt für je 100 m Erhebung 0,58° (Winter 0,45°, Som ater 0,70°). Der meiste Niederschlag fällt in den Monaten Mai bis August, nur die West und Südschweiz haben Herbstregen. Die Niederschlagsmengen betragen meist über 100 cm; Basel hat 86, Zürich 119, Einsiedeln 162, Säntis 204, Chur 84, Bern 102, Genf 79, Siders 56, St. Bernhard 112, Bernardin 224, Sils 99, Lugano 157 cm. Im Süden regnet oder schneit es durchschnittlich an etwa 120, im N. etwa an 150 Tagen im Jahre. Höhere Alpengegenden besitzen einen beträchtlichen Schneefall. Bei dem Hospiz des St. Bernhard z. B. beträgt er oft in einem Monat weit über 2 m, und um Bevers (Oberengadin) liegt, bei einem Gesamtschneefall von über 3 m, die weiße Decke nicht selten 5–6 Monate. Nebel sind häufig, besonders in Sumpf- und Wassergegenden, z. B. im Seeland. Ein eigentümlicher Wind ist der Föhn (s. d.). Im ganzen ist das Schweizer Klima der Gesundheit zuträglich, namentlich die Bergluft rein und stärkend. Darum stehen die Alpenkurorte im günstigsten Ruf, während einige milde, vor rauhem Wind geschützte Lagen (Gersau, Montreux, Lugano) zum Herbst- und Winteraufenthalt sich empfehlen. Berühmt als Winterkurorte für Brustkranke sind die hohen Alpentäler von Davos, Arosa, Oberengadin und Urfern. Die meisten Kurorte entfallen auf die Kantone Bern, Graubünden, Waadt, St. Gallen und Appenzell.

[Pflanzenwelt.] In der S. treten die Elemente von drei verschiedenen Floren: der nordasiatisch-europäischen, der mittelmeerländischen und der alpinen, miteinander in Berührung. Die unterste Stufe, die Zone der Weinkultur, steigt auf der Nordseite der Alpen im Mittel bis 550 m, am West- und Südabhang bis zu 700 m auf. In den tiefsten und wärmsten Einsenkungen des Gebietes haben sich Bestandteile der Mittelmeerflora angesiedelt. Im Wallis, dessen Talgehänge sich durch starke Insolation und große Trockenheit auszeichnen, erinnert eine Reihe von Pflanzenarten, wie weißfilzige Artemisien, Federgräser u. a., an Steppenvegetation; in der Umgebung des Genfer Sees macht sich dagegen der Einfluß des großen Seespiegels auf den Feuchtigkeitsgehalt und auch auf die Pflanzenwelt bemerkbar, die hier einen Zwischencharakter von mitteleuropäischer Ebenen- und südlicher Mittelmeerflora annimmt. Ein stärkeres Zusammendrängen südlicher Typen macht sich auch in der Umgebung des Sees von Neuchâtel sowie in den vom Föhn beherrschten Talzügen von Uri nebst Vierwaldstätter See und Glarus geltend. Die klimatische Begünstigung der genannten Gebiete spiegelt sich endlich in ihren Kulturpflanzen, unter denen der Weinstock obenan steht.

An die unterste Talstufe schließt sich überall in der S. die Region des Laubwaldes an, die von der Flora des nordasiatisch-mitteleuropäischen Tieflandes beherrscht wird und in der Nordschweiz etwa bis 1350 m aufsteigt. Hier herrscht die Buche, die im Jura von der Weißtanne abgelöst wird, in allen Tälern an der Nordseite der Alpen vor; nur den zentralen Erhebungen, z. B. von Bünden. am Gotthard, im Wallis u. a., bleibt sie fern. Als Begleiter der Buche treten Hainbuche, Spitzahorn, gruppenartige Eichenbestände, sporadisch auch Esche, Ulme, Feldahorn, Linde und Zitterpappel auf. Die Kiefer bildet einen untergeordneten Nebenbestandteil der Waldregion. Das Hügelplateau zwischen Jura und Alpen trägt in seiner untern Stufe eine ausgesprochene Ebenenflora, deren Armut sich aus den geologischen Verhältnissen dieses erst spät entgletscherten Gebietes erklärt; die obere Stufe beherbergt eine charakteristische Hochmoorflora, deren Elemente im subarktischen Waldgebiet ihren Hauptsitz haben; nur auf den Geschiebemassen des Plateaus haben sich Reste einzelner Alpen pflanzen, z. B. eine Kolonie von Alpenrosen bei Schnei singen im Aargau in 500 m Meereshöhe, erhalten. In der Laubwaldregion der warmen Gehänge des Tessin, des Rhonetals bei Genf, des Wallis, der Seenkette am Nordfuße der Alpen sowie des obern Rheintals zwischen Bodensee und Chur tritt die echte Kastanie auf, die zu 600–1000 m aufsteigt und in der Umgebung des Luganer Sees von einer Reihe südeuropäischer Baumarten (Blumenesche, Hopfenbuche, Cerriseiche u. a.) begleitet wird.

Auf den Laubwald folgt in 1350–1800 m Höhe die Stufe des Nadelholzwaldes, dessen Bestände als Regulatoren des Wasserzuflusses und der Niederschläge sowie als Schutzwehr gegen Lawinenfälle hier besondere Bedeutung haben. Vorherrschend sind Rottannen, nesterweise treten Weißtannen auf. In der Zentralschweiz geht die dort vorherrschende Lärche im Mittel bis 1900 m; reine Bestände bildet sie vorzugsweise im obern Wallis, sonst werden sie von der Rottanne oder von der Arve (Zirbelkiefer) durchsetzt. Letztere ist besonders für das Engadin und das obere Rhonetal charakteristisch und steigt bis 240mal empor. Einen untergeordnetern Bestandteil des Nadelholzwaldes bildet die Bergföhre, die baumartig oder zwergig als Hochmoorbewohner auftritt; schließlich begleitet auch eine Reihe von Sträuchern und krautigen Gewächsen vorzugsweise mitteleuropäisch-asiatischen Ursprungs den Nadelholzwald. Innerhalb des letztern erreicht der Getreide- und Gemüsebau seine obere Grenze, die auf der Nordseite der Alpen für Roggen und Sommergerste im Mittel bei 1230 m, für die Kartoffel bei 1560 m liegt. Sehr viel höher steigt der Feldbau im rätischen Hochland, dessen Täler weniger tief in die Gebirgsmasse eingesenkt sind als die andrer Alpenketten. Ähnliches gilt für die Monte Rosa-Gruppe, in der Roggenfelder noch in einer Höhe von 2075 m liegen.

Über der Grenze des Getreidebaues und des Nadelholzgürtels entfaltet die Pflanzenwelt der Alpenregion ihren charakteristischen Blütenschmuck. Das Klima dieser Höhenstufe ist relativ mild und durchaus nicht mit dem des hocharktischen Nordens zu vergleichen,[183] daz. B. auf dem St. Bernhard die Mitteltemperatur fünf Monate hindurch sich über Null hält, während dies im arktischen Gebiet meist nur drei Monate hindurch der Fall ist; auch ist der Einfluß der Sonnenstrahlen (Insolation) in den Alpen bedeutend stärker als im hohen Norden, dessen Boden im Sommer nur bis zu geringerer Tiefe auftaut. Die hochalpine Pflanzenwelt überragt daher sowohl durch Masse der Individuen als an Artenzahl die arktische; auch durch Zierlichkeit und Farbenpracht der Blüten sind viele Geschlechter von Alpenpflanzen ihren nordischen Verwandten überlegen. Unter den alpinen Sträuchern sind zwei Alpenrosenarten die bekanntesten, die den Höhengürtel zwischen 1600 und 2200 m bewohnen. Außerdem bedecken Grünerlen, Zwergbüsche von Legföhren (zwischen 1500 und 2000 m), noch höher hinauf Zwergwacholder die Gebirgslehnen; auch eine Schar alpiner Weidenarten tritt niedrig-strauchartig oder in ganz niedergestreckten, kriechenden Formen auf. Erst bleibender Schnee und Gletscher (in den nördlichen Alpen durchschnittlich bei 2700 m, in den südlichen Zentralalpen bis 3000 m) setzen der Pflanzenwelt eine dauernde Schranke; aber selbst zwischen dem Schnee kommen auf nackten Fels- oder Geröllflächen eine Reihe von zierlichen Nivalpflanzen vor (s. Alpenpflanzen, mit Tafel). Vgl. die S. 190 angegebenen botanischen Werke.

[Tierwelt.] Die S. gehört zoogeographisch zu der germanischen Provinz des paläarktischen Faunengebietes und bietet besonderes Interesse durch die vertikale Verbreitung der Tiere (s. Höhenfauna und Alpen, S. 367). Von den Säugetieren geht am höchsten hinauf ein Nager (Arvicola nivalis). Von den etwa 60 Säugetieren der S. sind einige Fledermäuse als südliche Formen interessant. Unter den 9 Insektenfressern findet sich auch die als Talpa coeca beschriebene südliche Form des Maulwurfs; von den Spitzmäusen ist die Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) ein Charaktertier der S. Die Nager sind durch 20 Arten vertreten. Eine typische Alpenform und in der S. überall verbreitet ist das Murmeltier; ebenfalls ein ausgesprochenes Höhentier ist die Schneemaus, die zwischen 1300 und 3500 m lebt. In allen höhern Regionen der Alpen, von etwa 1300 m aufwärts, lebt der Schneehase. Von den 13 Raubtieren ist die Wildkatze nicht häufig, aber ziemlich verbreitet; der Luchs selten, der Wolf so gut wie ausgerottet, sehr häufig dagegen der Fuchs. In wenigen Paaren hält sich der Bär noch, besonders im Tessin. Häufig sind Dachs, Baummarder, Steinmarder, Hermelin, Wiesel; das Vorkommen des Nörzes ist zweifelhaft, während der Fischotter sehr häufig ist. Das Wildschwein ist sehr selten geworden. Der Steinbock ist seit langem völlig ausgerottet; die Gemse findet sich noch überall in den Schweizer Alpen oberhalb 1600 m; nur im Jura fehlt sie. Hirsch und Reh haben ebenfalls merklich abgenommen (Weiteres s. unten: S. 186, Abschnitt Jagd). Eine bedeutende Rolle spielen die 32 Tagraubvögel; der Lämmergeier scheint völlig ausgerottet zu sein; als Alpenvögel charakteristisch sind die Alpenbraunelle und die Alpendohle. Von Eidechsen finden sich die bekannten Arten, von denen am höchsten, bis 3000 m, die Bergeidechse hinauf geht. Die Schlangen sind durch sechs unschädliche A:ten vertreten (Äskulapschlange, Ringelnatter, Vipernnatter, Würfelnatter, glatte und gelbgrüne Natter) und durch zwei giftige Arten (Kreuzotter, Aspisschlange), die sich zum Teil ausschließen. Letztere geht nicht über 1600 m, während die Kreuzotter bis zu 2700 m steigt. Von den geschwänzten Lurchen kommt außer den gewöhnlichen Formen als echte Gebirgsform der schwarze Erdmolch bis 3000 m vor. Von Fischen enthält die S. 51 Arten, ohne Bastarde und eingeführte fremde Fische. Das Rheingebiet besitzt 42 Arten, und von diesen finden sich die meisten Arten unter dem Rheinfall; bei 600–900 m hören die meisten karpfenartigen Fische auf, bei 1000–1100 m verschwinden Barsch, Lachs, Aal, Trüsche; es finden sich hier nur noch Äsche, Bartgrundel, Groppe, Pfelle, Forelle; in der angeführten Reihenfolge verschwinden sie bei zunehmender Höhe bis zu 2500 m. Wenn die Forelle in größerer Höhe gefunden wird, ist sie eingeführt. Das Rhonegebiet der S. enthält 20 Arten, charakteristisch ist das Fehlen des Lachses. Das Pogebiet (Tessin) enthält 23 Arten; von den Fischen nördlich der Alpen fehlen 12 Gattungen, wofür 8 eigentümliche Arten vorhanden sind. Neben dem Lachs fehlen auch Koregonen- und Felchenarten, von denen jedoch neuerdings einige mit Erfolg eingesetzt wurden. Das Donaugebiet (Inn) besitzt in der S. nur: Groppe, Pfelle, Äsche und Forelle; eingeführt wurden: das breite Rotauge, die Schleie, der Hecht, die Trüsche. Eingeführt wurden in der S. überhaupt: Schwarzbarsch, Regenbogenforelle, kalifornischer Lachs, Bachrötel, eine weitere Salvelinus-Art und eine Coregonus-Art, sämtlich von Nordamerika; von Schottland und Irland je eine Salmo-Art; von Deutschland der Zander, der Huchen und die große Maräne. Die Molluskenfauna der S. ist sehr eigenartig, sowohl in ihr, mehr noch bei den Insekten finden sich in den südlichen Verbreitungsgebieten nördliche Formen beigemischt, und umgekehrt. Die Wasserbecken des Hochgebirges zeigen eine mehr an Individuen als an Arten reiche Fauna, teils an der Oberfläche, teils in der Tiefe der Gewässer lebend und auch unter der Eisdecke zu finden. Diese Fauna setzt sich aus Resten von der Eiszeit her, aus spätern Einwanderern und Kosmopoliten zusammen, die sich auch in tiefern Regionen finden. Auch in so hochgelegenen Seen wie dem Arosa-, Lüner-, Todtalp-, St. Bernhard- und Lej Sgrischus-See, von denen die beiden letztern 211–230 und 240–300 Tage von Eis bedeckt und völlig abgeschlossen sind, leben Protozoen, Rädertiere, Faden- und Strudelwürmer, verschiedene Krebsformen, Milben, Insektenlarven, Mollusken und Fische (vgl. Zschokke, Die Tierwelt der S. in ihren Beziehungen zur Eiszeit, Basel 1901).

[Gewässer.] Der St. Gotthard bildet die große Wasserscheide für Rhein-, Rhone- und Pogebiet. Das Pogebiet ist durch den Tessin und zwei Zuflüsse der Adda (Poschiavino und Maira) repräsentiert, das Donausystem nur durch den Inn, die Etsch durch den Rambach aus dem bündnerischen Münstertal. Das Rheingebiet umfaßt die nördliche Abdachung; der Rhone gehört die westliche, dem Po die südliche und der Donau die östliche Abdachung des Landes an.

Tabelle

[184] Von den vielen hundert Seen umfassen diejenigen von mehr als 10 Hektar Fläche (1905) 1382,67 qkm; die größten sind:

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Areal und Bevölkerung.

Die S. nimmt eine Fläche von 41,324 qkm ein und zählte am 1. Dez. 1900: 3,325,023 Einw. (ortsanwesende Bevölkerung, 1. Dez. 1888: 2,933,334 Einw.), die sich nach der folgenden Tabelle über die einzelnen Kantone verteilt.

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Es gab 1904 bei 3,425,383 Einw. 25,502 Eheschließungen, d. h. 7,4 auf 1000 Einw., 1243 Ehescheidungen, 94,867 Lebendgeborne, d. h. 27,5 auf 1000 der Bevölkerung, und 60,857 Sterbefälle (exkl. Totgeburten), d. h. 17,8 auf 1000 der Gesamtbevölkerung. Über die Entstehung und ethnische Zusammensetzung der schweizerischen Bevölkerung s. S. 190 f.

Der Natur des Landes entsprechend, sind die Siedelungen durchschnittlich relativ klein. Fast 70 Proz. der Bevölkerung bewohnen Dörfer und Städtchen unter 5000 Einw., nur 22 Proz. verteilen sich auf Kolonien von über 10,000 Einw., nämlich die Kantonshauptorte Zürich, Genf, Basel, Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen, Herisau, St. Gallen, Neuchâtel, Lausanne, Chur; ferner La Chaux de-Fonds, Le Locle, Vevey, Biel, Winterthur. Es lebten 1900: 53 Proz. der Bevölkerung unter 500 m ü. M., 42 Proz. von 500–999 m und 5 Proz. über 1000 m. Höchste Siedelungen: Chandolin (1936 m) im Eifischtal (Wallis), Cresta (1949 m) und Juf (2133 m), beide im Avers (Graubünden). Es betrug die Zahl der Ausländer 1900: 383,424, wovon Reichsdeutsche 168,451, Italiener 117,059, Franzosen 58,522 und Österreicher 23,433. Schweizer im Ausland waren über 305,000, davon (1900) in den Vereinigten Staaten 115,959, Frankreich 74,735, Deutschland 55,494, Argentinien 17,700, Italien, Großbritannien je ca. 9000 u. s. s. Die überseeische Auswanderung erreichte im Zeitraum 1871–1900 ihr Maximum 1883 mit 13,502, das Minimum 1875–1877 mit etwa 2000.

Zurzeit bestehen zwei Hauptsprachgebiete, das germanische mit (1900) 2,312,947 Deutsch Sprechenden, das romanische mit 990,752 Einw. Von letztern wohnen 730,917 Französisch Redende im Westen der S. (Grenze vom Nordrand der Delsberger Mulde über Biel-Murten-Pays d'Enhaut-Sierre im Wallis), dann 221,184 im Kanton Tessin, inkl. die Bündnerschen Täler Misox und Puschlav, endlich die Rätoromanen (Ladiner) im Engadin, Bündner Oberland und gemischt südlich der Plessur. Vgl. J. Zimmerli, Die deutsch-französische Sprachgrenze in der S. (Basel 1891–99, 3 Tle.); Zemmrich, Verbreitung und Bewegung der Deutschen in der französischen S. (Stuttg. 1894) und Deutsches und französisches Volkstum (im »Globus«, Bd. 75, Braunschweig 1899) und Deutsche und Romanen in der S. (in »Deutsche Erde«, Gotha 1902).

Was die konfessionellen Verhältnisse anlangt, so machen die Protestanten (1900) 57,8 Proz., die Katholiken 41,6 Proz. der Bevölkerung aus, während auf Juden nur 0,4 Proz. kommen. Der Protestantismus herrscht in den flachern Kantonen des Nordens und Westens, der Katholizismus in den höhern Alpenkantonen. Fast rein protestantisch sind nur noch Appenzell-Außer-Rhoden und Waadt, fast rein katholisch hingegen Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zug, Tessin, Appenzell-Inner-Rhoden, Wallis und Freiburg, während in 10 andern Kantonen die Protestanten, in 4 die Katholiken vorherrschen. Die kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Kantone werden durch gemischte Behörden geleitet (s. die einzelnen Kantone). Das katholische Kirchenwesen steht unter 6 Bischöfen mit den Diözesen: Sion, Lausanne-Genf (Sitz in Freiburg), Basel (Sitz in Solothurn), Chur, St. Gallen und Lugano. Daneben besteht seit 1876 die christkatholische Kirche in 11 Kantonen, mit einem Nationalbischof und über 60,000 Seelen.

[Bildungsanstalten.] Durch die Bundesakte von 1848 erhielt der Bund die Berechtigung, ein Polytechnikum und eine Universität zu gründen, eine Idee, die jedoch nur in ersterer Hinsicht 1855 durch Gründung des eidgenössischen Polytechnikums in Zürich (s. d.) zur Ausführung kam. Die Bundesverfassung von 1874 hat die Bundeskompetenz in Schulsachen erheblich erweitert; namentlich sind die Kantone verpflichtet, für genügenden Primärunterricht zu sorgen, der ausschließlich unter staatlicher Leitung steht, obligatorisch, unentgeltlich und konfessionslos ist. Indem wir auf die Artikel über die Kantone verweisen, sei hier nur erwähnt, daß Staat (Bund und Kantone) und Gemeinden 1903 für das gesamte Unterrichtswesen fast 551/2 Mill. Frank auslegten, d. h. 16,5 Fr. pro Kopf, pro Schüler der niedern und höhern Volksschule bez. 75 und 131 Fr. Die Mittelschulen vorbereitender Art (Gymnasien, Collèges) sondern sich in zwei Klassen: humanistische (Literargymnasien), als Vorstufe der Universität, und realistische[185] (Industrieschulen), als Vorstufe des Polytechnikums, für das der Bund 1903: 1,266275 Fr. ausgab. Die meisten Industrieschulen haben neben der technischen auch eine kaufmännische Abteilung; letzterer wird in neuester Zeit vermehrte Aufmerksamkeit und Bundesunterstützung zugewendet. Für das sehr entwickelte gewerbliche Bildungswesen der Kantone (ca. 550 Anstalten für männliche und weibliche Zöglinge) leistet der Bund jährlich (1903) 1,29 Mill. Fr., für das landwirtschaftliche (1903) 198,469 Fr., für das kommerzielle (Handelsschulen und kaufmännische Vereine) 396,237 Fr. In die Klasse der Berufsschulen gehören (außer dem eidgenössischen Polytechnikum) die 6 kantonalen Universitäten in Zürich, Bern, Basel, Genf, Lausanne und Freiburg und die Akademie in Neuchâtel, 2 Veterinärschulen (Bern und Zürich), einige Priester- und 36 Lehrer- und Lehrerinnenseminare. Außer diesen Anstalten bestehen in mehreren Kantonen Ackerbauschulen, 4 Molkerei-, 3 Weinbau- und Gartenbauschulen, ferner viele Waisenhäuser, Armenschulen, Rettungs-, Blinden- und Taubstummenanstalten etc., namentlich auch viele Privatinstitute. Vgl. Hunziker, Das Schweizer Schulwesen (Zürich 1893); Huber, Jahrbuch des Unterrichtswesens in der S. (das.). – Die Zahl der öffentlichen Bibliotheken in der S. beträgt nach der Bibliothekstatistik von Heitz (Bas. 1872) über 2000 mit 2,5 Mill. Bänden. Außerordentlich groß ist die Zahl von Vereinen und Gesellschaften der verschiedensten Art und diejenige der periodischen Presse; für veide muß auf die Angaben unter den Kantonsartikeln und den Artikel »Zeitungen« verwiesen werden.

[Land- und Forstwirtschaft, Bergbau etc.] Das produktive Land nimmt (1904) in der S. nur 30,900,39 qkm oder 74,8 Proz. des Gesamtareals ein, davon entfallen auf Wald 8560,05 qkm oder 27,7 Proz., Rebland 288,31 qkm oder 0,93 Proz., Äcker, Matten und Weiden 22,052,03 qkm oder 71,4 Proz. Durch Bodenbeschaffenheit und Klima beschränkt, erzeugt der Ackerbau nicht einmal in der Hochebene genug Getreide, über den Bedarf nur in den Kantonen Solothurn, Luzern und Schaffhausen, oft auch in Freiburg. Der Wert der Einfuhr an Zerealien, Mehl, Hülsenfrüchten, Gemüsen, Früchten betrug 1904 rund 151 Mill. Fr. Den geschätztesten Wein liefern die westschweizerischen Kantone Wallis, Waadt, Neuenburg, am meisten der Kanton Waadt. Gesamtertrag (1904) 45 Mill. Fr., doch wurde für mehr als 35 Mill. Fr. Wein eingeführt. Der Hauptgegenstand der Viehzucht ist das Rind. 1901 ergab die Zählung 1,340,375 Stück, wovon 739,922 Milchtiere mit einem Jahresertrag von 17,758,128 hl (222 Mill. Fr.) Milch, die teilweise auf Butter, Käse, kondensierte Milch verarbeitet wird. Die Ausfuhr bezifferte sich 1904 auf: Käse 40,9 Mill. Fr., kondensierte Milch 29,2 Mill., frische Milch 1 Mill. Daneben besteht große Viehzucht für Zucht- und Masttiere (westschweizerische Fleck-, ostschweizerische Braunrasse). Mit dieser großen Viehhaltung geht parallel der Rückgang des Ackerbaues in der niederschlagsreichen S. zugunsten der Rasenfläche. Letztere hat von jeher eine gewaltige Stütze im Gebirge oberhalb der Waldregion, in etwa 5000 Alpen, die ein Areal von 7950 qkm einnehmen (Wiesen der tiefern Region etwa 6950 qkm), gegen 300,000 »Kuhrechte« umfassen und einen Wert von 100 Mill. Fr. repräsentieren. Über die Alpwirtschaft vgl. F. G. Stebler, Alp- und Weidewirtschaft (Berl. 1903). Die Viehzählung vom 19. April 1901 verzeichnet im übrigen: Pferde 124,896 (1896: 108,529), Maultiere 3077, Schweine 555,261 (1896: 565,781), Schafe 219,438 (1896: 271,432), Ziegen 354,634 (1896: 414,968), Bienenstöcke 242,544(1896: 253,108). In einigen mildern Tälern wird auch etwas Seidenraupenzucht betrieben (Tessin und Graubünden erzeugen in einzelnen Jahren 300,000 kg Kokons). Die Jagd ist nicht mehr von Belang und beschränkt sich in niedern Gegenden auf Hafen, Rehe, Wildschweine, Enten, Schnepfen und Rebhühner. Im Hochgebirge finden sich häufig, wenn auch in Abnahme begriffen, die Gemse, das Murmeltier, das Schnee, Birk-, Stein-, Haselhuhn etc., in den Seitentälern des Engadin vereinzelt der Bär, überall der Fuchs und bisweilen der Steinadler. In die beinahe entvölkerten Seen und Flüsse werden in neuerer Zeit alljährlich junge Fische, besonders Forellen, Felchen, Lachse (Salmen), ausgesetzt, und seit 1876 steht sowohl das Jagdwesen als die Fischerei unter Aussicht des Bundes. Das Waldareal nimmt 20,6 Proz., in Schaffhausen 39,5 Proz., Solothurn 36,9 Proz. der Landesfläche ein, in Glarus 15,4, in Wallis 14,68, in Uri nur 10,21 Proz., überhaupt gerade in manchen Bergkantonen auffallend wenig; ja, es gibt ganze holzlose Täler, die der Unverstand ihres einstigen Waldschmuckes beraubt hat, und deren Bewohner sich jetzt mit schweren Kosten das Brennmaterial verschaffen müssen. Seit 1874 hat der Bund die Oberaufsicht über das seither gründlich geordnete Forstwesen und betragen die mit Unterstützung der Eidgenossenschaft 1872–1904 ausgeführten Aufforstungen 72,53 qkm.

Der Bergbau ist nicht bedeutend. Große Steinbrüche sind im Betriebe bei Biasca und Gurtnellen (Gotthardbahn), bei St. Tripton (Waadt), Solothurn; Sandsteine finden sich bei Bern, Rorschach; Anthrazit (Wallis), Asphalt (Neuenburg), Bohnerz im Bern er Jura (Delémont, s. d.), kaum 7000 Ton. pro Jahr, Kochsalz in Bex, den Rheinsalinen Rheinfelden, Ryburg, Kaiseraugst, Schweizerhalle mit (1904) 544,724 metr. Ztr. (vgl. »Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, geotechnische Serie seit 1899: I. Kohlen, II. Moore, III. Tonlager«). Es gibt mehr als 500 Heilquellen, darunter mehrere ersten Ranges, so: die Graubündner Säuerlinge von Tarasp-Schuls, St. Moriz, San Bernardino und Fideris, die Schwefelquellen von Alvaneu und Serneus, Gurnigel, Schinznach und Baden, ferner die Stahlwässer von Fettan und Stachelberg, die erdigen Quellen von Leuk und Weißenburg, das alkalische Wasser des Rosenlauibades, das Bitterwasser von Birmenstorf, die jod- und bromhaltigen Quellen von Wildegg und Saxon, die indifferente Therme von Pfäfers (mit Ragaz). Vgl. Meyer-Ahrens, Die Heilquellen und Kurorte der S. (2. Aufl., Zür. 1867); Lötscher, Schweizerischer Kuralmanach (14. Aufl., das. 1906).

[Industrie.] Entbehrt die S. zwar bedeutender Kohlenlager, so besitzt sie doch in ihren zahlreichen Wasserkräften die Hauptbedingung für ihre hochentwickelte Industrie. (Vgl. Wartmann, Atlas über die Entwickelung von Industrie und Handel der S. in dem Zeitraum von 1770–1870, Zür. 1873, und Industrie und Handel der S. im 19. Jahrhundert, Bern 1902.) Gegenwärtig ist die Schweizer Industrie hauptsächlich in Baumwolle, Seide, Uhren, Bijouteriewaren und Maschinen bedeutend. Die Baumwollindustrie hat ihren Hauptsitz in der Ostschweiz, vorzüglich in den Kantonen Zürich, Glarus, St. Gallen, Appenzell, Thurgau und Aargau; sie beschäftigte 1901 in ihren verschiedenen Zweigen (Stickerei, Weberei, Zwirnerei, Druckerei, Bleicherei, Appretur und Färberei) in 1099 [186] Fabriken 49,023 männliche und weibliche Arbeiter (1890: 54,158 in 1571 Fabriken). Die Maschinenstickerei, 1840 begründet, verbreitete sich rasch in den Kantonen St. Gallen, Appenzell und Thurgau (s. St. Gallen). Glarus war der Hauptsitz der ehemals blühenden Färberei und Druckerei. Die Seidenindustrie hat ihre Zentren in Zürich (Stoffe) und Basel (Band); sie beschäftigt (1901) in Weberei, Zwirnerei, Druckerei, Bleicherei etc. in 235 Fabriken 33,506 Arbeiter. Seidenspinnerei und -Zwirnerei sind gegenüber der Weberei zurückgetreten. Die gewaltige Maschinen- und Werkzeugfabrikation unterhielt 1901 in 522 Etablissements mit 17,786 Pferdekräften 32,647 Arbeiter. Die Uhrenmacherei und Bijouterie beschäftigte im gleichen Jahr in 663 Etablissements 24,858 Personen, vornehmlich in den Kantonen Genf, Neuenburg, Waadt und Bern. Es kamen etwa 817 Mill. Stück Uhren, Bestandteile, Musikdosen etc. zur Ausfuhr im Werte von über 130 Mill. Frank. An Bedeutung folgen dann Käserei und Milchsiederei (s. oben), die Verarbeitung von Häuten und Leder mit (1901) 9273 Arbeitern, diejenige von Stroh, Roßhaar, Tabak; Papierfabrikation und graphische Gewerbe beschäftigen 13,781 Personen, die Holzindustrie 14,474, Lebens- und Genußmittel in 638 Etablissements 18,393 Arbeiter; die chemische und physikalische Industrie in 279 Etablissements 7016 Arbeiter. 192 Bierbrauereien erzeugten 1904: 2,114,543 hl Bier. Der Bund hat das Alkoholmonopol, aus dessen Reinertrag 1905 zur Bekämpfung der Wirkungen und Ursachen des Alkoholismus fast 659,403 Fr. verwendet wurden. – 1904 bestanden in der S. 20 Zement-, Gips- und Kalkfabriken mit 267 Öfen und 3075 Arbeitern. – Nach der Zählung vom 9. Aug. 1905 gab es insgesamt 564,022 Betriebe für Landwirtschaft, Gewerbe, Handel, wovon 26,469 mit Motoren und 515,859 Pferdekräften. Die Anzahl der Dampfkessel betrug 1904 (ohne Schiffe): 4693 und der Elektrizitätswerke 164. Dem schweizerischen Fabrikgesetz waren 1901 unterstellt: 6080 Etablissements mit 150,203 männlichen und 92,331 weiblichen Arbeitern (s. Fabrikgesetzgebung, S. 249).

[Handel und Verkehr.] Die Haupthandelsplätze sind Basel, Genf, Zürich, St. Gallen. Es betrug der Warenverkehr mit dem Ausland im Spezialhandel und ausschließlich gemünzter Edelmetalle 1904: 2,131,550,442 Fr. (Einfuhr: 1,240,071,144 Fr., Ausfuhr: 891,479,298 Fr.), 1905: 2,349,171,728 Fr. (Einfuhr: 1,379,850,723 Fr., Ausfuhr: 969,321,005 Fr.). Der Verkehr in gemünztem Edelmetall (meist mit Frankreich) belief sich 1904 in der Einfuhr auf 83,239,280 Fr. (1905: 78,470,977 Fr.), in der Ausfuhr auf 43,086,349 Fr. (1905: 38,501,751 Fr.). Näheres für 1904 in der nebenstehenden Tabelle.

Im Besitz eines grosten Transits zwischen Nord- und Südeuropa, bildeten die Alpenstraßen (s. d.), zuerst der von Napoleon I. chaussierte Simplon, seit den 1820er Jahren Splügen, Bernhardin und St. Gotthard und die neuern Bergstraßen in Graubünden, lebhafte Verkehrsadern, und in den flachern Landschaften verzweigte sich ein musterhaftes Straßennetz mehr und mehr bis in die abgelegensten Täler (vgl. Bavier, Die Straßen der S., Zür. 1878; R. Reinhard, Pässe und Straßen in den Schweizer Alpen, Luzern 1903). Die Schweizer Flüsse sind zu Wasserstraßen wenig geeignet; doch fahren Lastkähne in neuerer Zeit von Duisburg nach Basel, und man sucht insbes. die Rheinschiffahrt zu heben.

Tabelle

Im J. 1904 verkehrten auf 14 Seen 111 Dampfer für Personentransport und 3 Trajektschiffe (570 Ton. Tragkraft) sowie 59 andre Lastschiffe. Eine Haupterwerbsquelle der Schweizer Bevölkerung bildet der Fremdenverkehr dessen Umfang bedeutender ist als in irgend einem andern Lande der Erde. Nach einer 1905 angestellten Erhebung bestanden in der S. 1924 speziell hierfür eingerichtete Gasthöfe mit 124,068 Fremdenbetten, von denen durchschnittlich 29 Proz. täglich besetzt waren; Kapitalwert 777,5 Mill. Fr., Einnahmen 188,7 Mill., Ausgaben 131,4 Mill. Fr., mithin Bruttoüberschuß 7,87 Proz. des Kapitalwerkes. Der Eisenbahnbau begann 1847 durch Private und Kantone. Von außerordentlicher Bedeutung wurde die weltberühmte Gotthardbahn (s. Sankt Gotthard), und technisch interessant sind die vielen Bergbahnen (s. d.). Seit 1901 sind die meisten Bahnlinien verstaatlicht, d. h. von der Eidgenossenschaft betriebene Bundesbahnen,[187] Es betrug 1903 die bauliche Länge aller Haupt- und Nebenbahnen der S. 4002,9 km, die Betriebslänge 4081, wovon bez. 783 und 513,7 km zweigleisig. Sie beförderten 1903: 1,363,309,208 Personen und 860,820,670 Ton. Güter. Dazu kamen 29 Drahtseilbahnen und 31 Straßenbahnen (für Pferde, Lokomotiven, Elektromotoren), beide zusammen mit 368,04 km. Das Telegraphenwesen wurde durch das Bundesgesetz vom 23. Dez. 1851 als Staatsregal begründet. Durch Beschluß der Telegraphenunion von 1868 wurde 1869 das Internationale Telegraphenbureau in Bern eröffnet. 1904 hatten die Staatstelegraphen der S. 6169,8 km (einfache) Linienlänge und 22,570,7 km Drähte. Die Zahl der Bureaus betrug 2106, die der beförderten Depeschen 4,417,741, worunter 1,737,270 internationale und 760,509 Transittelegramme. Das Fernsprechwesen zeigte Ende 1904: 15,791,5 km Linienlänge und 264,697,2 km Länge der Drähte. Das vortreffliche Postwesen wurde 1848 durch die Bundesverfassung zur Bundessache erklärt. 1905 umfaßte der Postverkehr (abgesehen von 16,8 Mill. portofreien Sendungen): 213 Mill. Briefe und Postkarten, 59,5 Mill. Drucksachen und Warenproben, 145,9 Mill. Zeitungen, ferner Geldanweisungen im Betrag von 876,9 Mill. Fr., Nachnahmesendungen im Werte von 82 Mill. Fr., 28 Mill. Fahrpoststücke und 1,62 Mill. Postreisende.

Maß und Münze. Seit 1852 sind in der S. das metrische Maß- und Gewichtssystem und der französische Münzfuß mit dem Franken = 100 Rappen eingeführt. Seit 1865 gilt der Lateinische Münzvertrag (s. d.), und nachdem bis Ende 1902 die S. in Gold 87, Silberkurant 105/8, Silberscheidemünzen 28 Mill. Frank. geprägt hatte, nutzt sie das am 15. Nov. 1902 bewilligte Recht auf weitere 12 Mill. Scheidemünze aus. Die Noten der Zettelbanken brauchen nur letztere in Zahlung zu nehmen. Vgl. Jenner, Die Münzen der S. (2. Ausg., Bern 1902).

Bankinstitute und Sparkassen. Im J. 1903 bestanden 36 schweizerische Emissionsbanken (meist kantonale) mit einem gewinnberechtigten Kapital von 197,575 Mill. Fr. und einer Jahresausgabe von 221,811 Noten; 1906 wurde die langersehnte Nationalbank (Bundesbank) geschaffen, mit dem Sitz in Bern und Zürich und Filialen. Es bestehen (1897) 564 Sparkassen (373 im engern Sinne, 34 Fabrik- und 157 Schulsparkassen) mit 1,311,946 Ein lagen und einem Gesamtguthaben von über 984,8 Mill. Fr. 1903 bestanden in der S. 33 konzessionierte Lebensversicherungsgesellschaften, darunter 6 schweizerische, 8 deutsche, 11 französische, 5 englische und 3 amerikanische; gegen Unfall 6 schweizerische, 6 deutsche, 3 französische und eine italienische Gesellschaft; Transportversicherungsgesellschaften 15, wovon 6 schweizerische, 8 deutsche und eine englische, gegen Feuer 4 schweizerische und 14 ausländische Gesellschaften; überdies bestehen 17 kantonale Brandversicherungsanstalten für Immobilien und 2 (Waadt und Glarus) für Mobilien. Man zählt ferner eine schweizerische und 6 deutsche Gesellschaften für Glasversicherung, 3 schweizerische und eine deutsche Gesellschaft für Rückversicherung, eine schweizerische, 3 deutsche und eine französische für Viehversicherung und die 1880 gegründete, durch Bundesbeiträge unterstützte Hagelversicherungsgesellschaft in Zürich. Die Vorlage einer schweizerischen Kranken- und Unfallversicherung (sozialer Versicherung) unterlag 1900 in der Volksabstimmung, wird aber neuerdings in Angriff genommen.

Das Armenwesen ist in den meisten Kantonen Sache der Bürgergemeinden. Die Art und Zahl der Wohltätigkeitsanstalten ist überaus groß. Die freiwillige Armenpflege geht von einer Menge verschiedener Vereine aus; es gibt allgemeine Armenvereine, Vereine für Krankenunterstützung, für Kleinkinderschulen, für Arbeitsschulen, für Armenerziehung, für Berufserlernung, für Blinde, Taubstumme, Schwachsinnige, genesende Gemütskranke, Frauenarbeitsvereine, Almosen- und Antibettelvereine, Taufpaten-, Wöchnerinnen- und Schutzaufsichtsvereine. Ende 1904 beherbergten 36 Erziehungs- oder Rettungsanstalten 1455 Zöglinge, 7 Blindenanstalten deren 117,15 Taubstummenanstalten 698, und in 22 Anstalten wurden 941 Schwachsinnige gepflegt. Der hochentwickelte Wohltätigkeitssinn schuf ferner Spitäler für Augenkranke und Kinderasyle, in neuester Zeit Ferienkolonien, Sanatorien für Lungenleidende, Hilfsgesellschaften für Milch-, Suppen-, Brot-, Kleidern. a. Spenden.

[Staatliche Verhältnisse.] Die Republik S. ist ein demokratischer Bundesstaat, der in der neuen Verfassung (1874) die Souveränität der 22 Einzelstaaten in maßvoller Weise beschränkt durch Monopolisierung von Zoll-, Post-, Maß- und Münzwesen, Zentralisation des Militärwesens und Vereinheitlichung des Rechtes (Obligationenrecht in Kraft, die Redaktion des Strafrechts bald vollendet, die des Zivilgesetzes für 1912 in Aussicht genommen). Für die Einrichtung der Bundesglieder sei auf die einzelnen Kantonsartikel verwiesen. Die neue Bundesakte gewährt freie Niederlassung, Glaubens- und Kultfreiheit, Zivilehe, Preßfreiheit, das Vereins- und Petitionsrecht. Die geistliche Gerichtsbarkeit ist aufgehoben, und niemand darf seinem zuständigen Richter entzogen werden. Der Primärunterricht ist obligatorisch, konfessionslos und unentgeltlich. Die Verfassung versagt dem Jesuitenorden den Aufenthalt und verbietet die Errichtung neuer, die Wiederherstellung aufgehobener religiöser Orden etc. Eine Annäherung zur reinen Demokratie bringen zwei Institutionen: das fakultative Referendum, wonach 30,000 Bürger oder 8 Kantone eine Volksabstimmung über neue Gesetze verlangen können, und das Recht der Initiative, durch das 50,000 Schweizerbürger mit ihrer Namensunterschrift einen von ihnen ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag den Räten zur Behandlung und dann dem Volksentscheid unterbreiten können.

Die eidgenössische Legislative besteht aus der zweikammerigen Bundesversammlung: der Nationalrat ist der Vertreter der Nation (je ein Mitglied auf 20,000 Einw.), der Ständerat der Vertreter der eidgenössischen Stände, d. h. der Kantone (je zwei Mitglieder für den ganzen Kanton, ein Mitglied für den Halbkanton, also 44). Beide Kammern beraten in getrennten Versammlungen und entscheiden ohne Instruktion; ein Gesetz wird gültig, wenn es in jeder der beiden Kammern die Mehrheit hat. Die Wahlen der Bundesräte oder der Exekutive etc. nimmt die Bundesversammlung in gemeinsamer Sitzung vor. Der Bundesrat besteht aus sieben Mitgliedern, eins derselben ist Bundespräsident, der alljährlich wechselt. Ebenso wählt die Bundesversammlung das schweizerische Bundesgericht (11 Mitglieder und Ersatzmänner). Sitz desselben ist Lausanne, Bundesstadt Bern.

Finanzen. Die eidgenössische Staatsrechnung für 1905 zeigt an Einnahmen 129,303,264 Fr., an Ausgaben 116,716,180 Fr., mithin einen Einnahmenüberschuß von 12,587,084 Fr. Unter den Einnahmen[188] figurieren als stärkste Posten, abgesehen von 3,935,177 Fr. als Ertrag der Liegenschaften und Kapitalien, das Finanz- und Zolldepartement mit 63,786,020 Fr., Post und Eisenbahnen mit 55,974,077 Fr., Militärwesen mit 4,154,097 Fr. Die größten Ansätze in den Ausgaben fallen auf Post und Eisenbahn mit 51,860,929 Fr., Militär 30,511,498 Fr., Departement des Innern (zahlreiche Subventionen für öffentliche Bauten, dann Primärschulen, Polytechnikum, Statistisches Bureau u. a.) 13,149,171 Fr., Handel, Industrie und Landwirtschaft 5,844,708 Fr. Ende 1905 betrugen die Aktiven 212,876,644 Fr., die Passiven 102,526,673 Fr., mithin das reine Vermögen 110,349,971 Fr. Dazu kommen 32 Spezialfonds im Gesamtbetrag von 68,220,762 Fr. Es gibt nur eine direkte eidgenossische Steuer, die Militärpflichtersatzsteuer; die Hälfte ihres Ertrages (1904 betrug diese Hälfte 2,067,966 Fr.) fällt den Kantonen zu. An Monopolen besitzt die S. zwei, das Pulverregal und das Alkoholmonopol mit besonderer Verwaltung; seine Einnahmen fallen insgesamt den Kantonen zu. – Das Wappen der Eidgenossenschaft (s. Tafel »Wappen II«) zeigt ein schwebendes, silbernes, gleicharmiges Kreuz (die Arme um ein Sechstel länger als breit) im roten Feld. Über die Wappen der einzelnen Kantone s. die betreffenden Artikel, mit Abbildungen. Die Flagge s. Tafel »Flaggen I«. Die Bundesfarben sind Weiß und Rot. – Das Verleihen und Tragen von Orden (auch ausländischer) ist verfassungsgemäß verboten.

[Heerwesen.] Das Bundesgesetz über die Militärorganisation vom 13. Nov. 1874 und mehrere Nachtragsgesetze (hier berücksichtigt: Entwurf einer neuen Organisation vom 10. März 1906) bestimmen, daß jeder Schweizer wehrpflichtig ist. Der Wehrmann erhält seine erste Ausrüstung, Bekleidung und Bewaffnung unentgeltlich. Die Gestellungspflicht beginnt mit dem Kalenderjahr, in dem das 20. Lebensjahr zurückgelegt wird. Die Wehrpflicht endet mit dem vollendeten 44. (Offiziere 48.) Jahr, die Landsturmpflicht liegt zwischen dem 17. und 48. (Offiziere 52.) Jahr. Jeder nicht persönlich Militärdienst leistende Schweizerbürger hat eine Personaltaxe zu entrichten, die je nach Einkommen und Vermögen 3,75–3000 Fr. beträgt. Zur Rekrutierung ist die Eidgenossenschaft in acht Divisionskreise eingeteilt. Infanterie, Dragoner, ein Teil der Feld- und Gebirgsartillerie und Positionskompanien werden kantonal, alle übrigen Truppeneinheiten ohne Rücksicht auf Kantonsgrenzen vom Bund assentiert. Laut Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 besteht das Bundesheer a) aus den Truppenkörpern der Kantone, b) allen Schweizern, die zwar nicht zu vorgenannten Truppenkörpern gehören, aber wehrpflichtig sind. Die Verfügung über das Bundesheer steht der Eidgenossenschaft zu. In Zeiten der Gefahr hat der Bund das ausschließliche und unmittelbare Verfügungsrecht auch über die nicht in das Bundesheer eingestellte Mannschaft und alle übrigen Streitmittel der Kantone. Die Kantone verfügen über die Wehrkraft ihres Gebietes, soweit sie nicht durch verfassungsmäßige oder gesetzliche Anordnungen des Bundes beschränkt sind. In Fällen von Dringlichkeit ist der Bundesrat befugt, sofern die Räte nicht versammelt sind, die erforderliche Truppenzahl aufzubieten und über solche zu verfügen, unter Vorbehalt unverzüglicher Einberufung der Bundesversammlung, sofern die aufgebotenen Truppen 2000 Mann übersteigen oder das Aufgebot länger als drei Wochen dauert. Zur Kriegszeit ist ein General Armeekommandant, im Frieden untersteht das Bundesheer dem Militärdepartement. Durch Verordnung vom 30. Okt. 1891 ist unter Vorsitz des Militärdepartementchefs eine Landesverteidigungskommission aufgestellt, bestehend in 4 Armeekorpskommandanten, Waffenchef der Infanterie, Chef des Generalstabsbureaus, Kommandant der Gotthardbefestigung. Von den Dienstpflichtigen bilden Rekrutenjahrgang und folgende 12 Jahrgänge (20. bis 32. Altersjahr) den Auszug, die nächsten 7 die Landwehr. Die Ausgehobenen machen eine einmalige Rekrutenausbildung durch, die je nach Waffe 60–90 Tage währt, sodann bis zum Übertritt in die Landwehr Wiederholungskurse. Truppenverbände: Das Armeekorps hat 2 Divisionen Auszug (à 2 Brigaden zu 2 Regimentern mit je 3 Bataillonen), 1 Landwehrinfanteriebrigade, 1 Kavalleriebrigade nebst Maximgewehrkompanie, 3 Feldartillerieregimentern zu je 2 Abteilungen zu 3 Batterien, je 1 Geniehalbbataillon, Kriegsbrückenabteilung, Telegraphenkompanie, 3 Lazarette, 1 Verpflegungsanstalt. Die Dienstsprache des II. und III. Armeekorps ist Deutsch, des I. Französisch, des IV. Deutsch-Italienisch. Die Sicherheitsbesatzung von St. Gotthard (Division) zählt im Kriege (im Frieden freiwillige Bewachung) 10 Infanteriebataillone, 2 Festungsartillerieabteilungen, 1 Positionsartillerieabteilung (40 Geschütze), 2 Maschinengewehrkompanien, 5 Sappeur-, 1 Telegraphenkompanie, 1 Ambulance; die Sicherheitsbesatzung von St. Maurice 5, 1, 1/2, 1, 2, 1, 1. Im Frieden werden Truppenkörper nur zur Manöverzeit (jährlich 110,000 Waffenübungsmannschaften) aufgestellt. Stärken: Infanteriekompanie: 5 Offiziere, 176 Mann (zu Feldzugsbeginn 32 mehr), 168 Gewehre; Eskadron: 4,124,123 Pferde, 105 Karabiner; Feldbatterie: 6,139,4 Geschütze, 10 Caissons; Gebirgsbatterie: 7 (1 Arzt, 1 Roßarzt) 195,4 Geschütze. Gesamtsumme der Streitkräfte ohne Landsturm 180 Bataillone, 72 Eskadrons, 76 Batterien, 7 Maschinengewehrkompanien, 91 Artillerie- und technische Kompanien. Kriegsstärke mit 1. Jan. 1906: Infanterie 4829 Offiziere, 22,340 Unteroffiziere, 148,350 Soldaten; Kavallerie: 349,1437,7545; Artillerie: 1226,3535,26,625; Genie 9962, Sanitäter 3761, Verwaltung 2291, Radfahrer 124, insgesamt: 232,034 Mann, 500 Gebirgs-, Feld- und Positionsgeschütze, ferner etwa 1/4 Mill. unbewaffnete Landsturmmannschaften. Mangels einer längern Präsenzdienstpflicht wird der militärische Vorunterricht durch die Turnschule (10.–14. Altersjahr, 4670 Frequenz im Jahre 1904), den Kadettenunterricht in uniformierten Mittelschulen (50 Korps mit 6149 Zöglingen im J. 1904), militärische Vereinsübungen (Reiten, Pontonfahren u. a.), sowie das freiwillige Schießwesen bewerkstelligt. 188 Offiziere, 12 Aspiranten, 24 Hilfsinstruktore, 25 Spielleute-Unteroffiziere besorgen als Berufssoldaten die Ausbildung der Eingerückten im Frieden. Zum Generalstabe kommen befähigte Offiziere, welche die zehnwöchentliche Generalstabsschule mit Erfolg beendigt haben, die weitere Schulung geschieht in drei Kursen mit 78tägiger Dauer. Zu Milizoffizieren werden geeignete Unteroffiziere befördert, die nach Verlassen der Unteroffiziersbildungsschule (20–35 Tage) als Instruktore bei Rekruten oder an einem Wiederholungskursus die Offiziersbildungsschule (Infanterie 80, Kavallerie 80, Artillerie 105 Tage)[189] zufriedenstellend absolviert haben. Bewaffnung: Infanterie das 7,5 mm-Repetiergewehr M/89/96, System Schmidt-Rubin; Kavallerie Säbel und 7,5 mm-Mannlicher Repetierkarabiner M/93; bei der Feldartillerie ist ein 7,5 cm Kruppsches Rohrrücklaufgeschütz mit Schutzschildern eingeführt worden; die Gebirgsartillerie hat Kruppsche Rohrrücklaufgeschütze, die schwere Artillerie unter andern Kruppsche 12 cm-Rohrrücklaufhaubitzen. Außer der Zentralschule in vier Abteilungen für alle Waffen (3–10 Wochen), Offiziersschießschule, Kavalleriekadreschule, technischen Kursen und andrer Fachausbildung besteht am Polytechnikum in Zürich eine militärische Abteilung mit zwei Semestern für Studenten und einem Semester für Offiziere. Ein Artillerieschießplatz ist in Thun, Gewehrfabriken ebenda, in Basel etc., Zentralremontedepot in Bern. Die Landesbefestigung beschränkt sich auf Sperrung wichtiger Einbruchslinien (Gotthard, Simplon). Das Militärbudget betrug 1906: 32,775,500 Fr. Vgl. v. Loebells »Jahresberichte über das Heer- und Kriegswesen« (Berl.); Feiß, Das Wehrwesen der S. (3. Aufl., Zür. 1895); Hub er, Einteilung der schweizerischen Armee (Frauens. 1906); »Etat der Offiziere des schweizer. Bundesheers« (jährlich, Zür.); Veltzé, Armeealmanach (Wien 1907).

Geographisch-statistische Literatur.

Ein geographisches Handbuch nach modernen Gesichtspunkten fehlt; Berlepsch, Schweizerkunde (Braunschweig 1875) und M. Wirth, Allgemeine Beschreibung und Statistik der S. (Zür. 1871–75, 3 Bde.), sind etwas veraltet; im Erscheinen begriffen sind das reich illustrierte »Geographische Lexikon der S.« (Neuenburg 1902 ff., mit vielen Karten) und die »Bibliographie der schweizerischen Landeskunde« (Bern 1892 ff.). Illustrierte Werke gaben W. Kaden (»Das Schweizerland«, Stuttg. 1877) und Gsell-Fels (»Die S.«, Münch. 1877) heraus, ebenso J. C. Heer (»Die S.«, 3. Aufl., Bielef. 1907; Bd. 5 der Monographien »Land und Leute«). Die bekanntesten Reisehandbücher sind die von Bädeker und in »Meyers Reisebüchern«. Über Landesnatur der S. vgl. »Beiträge zur Geologischen Karte der S.« (Bern 1863 ff., bis 1907: 50 Einzelbände; dazu »Geotechnische Serie«, 4 Lieferungen: Kohlen, Torfmoore, Tonlager); »Livret guide géologique« (Lausanne 1894 mit zahlreichen Profilen); eine geologische Bibliographie von L. Rollier ist im Druck; O. Heer, Die Urwelt der S. (2. Aufl., Zür. 1879); G. Studer, Über Eis und Schnee. Die höchsten Gipfel der S. und die Geschichte ihrer Besteigung (2. Aufl. von Wäber und Dübi, Bern 1896–99, 3 Bde.); »Jahrbuch des Schweizer Alpenklubs«, mit zahlreichen Karten und Panoramen (Bern, seit 1864); H. Christ, Das Pflanzenleben der S. (Zür. 1879); C. Schröter, Das Pflanzenleben der Alpen (das. 1904 f.); Schinz und Keller, Flora der S. (2. Aufl., das. 1905); F. v. Tschudi, Das Tierleben der Alpenwelt (11. Aufl., Leipz. 1890); Billwiller, Regenkarte der S. (im »Statistischen Jahrbuch der S.«, 1898); »Annalen der schweizerischen meteorologischen Zentralanstalt Zürich« (seit 1863); Coaz, Die Lauinen der Schweizeralpen (Bern 1881); »Graphische Darstellungen und Tabellarische Zusammenstellung der Hauptergebnisse des schweizerischen hydrometrischen Bureaus« (das., seit 1867); »Wasserführung der S.« (Rhein, Reuß); »Übersichtskarte der Hauptflußgebiete«, 1:500,000, mit sämtlichen Pegel- und meteorologischen Stationen (das. 1905).

Volkswirtschaftliches, Staatsrecht etc. Die Veröffentlichungen des schweizerischen Statistischen Bureaus in Bern (besonders das »Statistische Jahrbuch der S.«, Bern, seit 1891); »Schweizerische Statistik« (bisher 155 Lieferungen, darunter: »Graphischstatistischer Atlas der S.«, das. 1897, und Ergebnisse der eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dez. 1900, Bd. 1); Furrer, Volkswirtschaftslexikon der S. (das. 1886–91, 4 Bde.); Reichesberg, Handwörterbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung (das. 1901 ff.); Geering und Hotz, Wirtschaftskunde der S. (2. Aufl., Zür. 1903, mit Literaturnachweis); Schanz, Die Steuern der S. (Stuttg. 1890, 5 Bde.); »Landwirtschaftliches Jahrbuch der S.« (vom schweizerischen Landwirtschaftsdepartement, seit 1877, Bern); »Schweizerische Alpstatistik«, Monographien nach Kantonen (hrsg von A. Strüby, Solothurn 1894 ff., bisher 16 Lfgn.); »Bericht (jährlicher) über Handel und Industrie der S.«, erstattet vom Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins (Zür.); Seippel, Die S. im 19. Jahrhundert (Sammelwerk, Bern 1898–1900, 3 Bde.); E. Hofmann, Die S. als Industriestaat (Zür. 1902); Steiger, Grundzüge des Finanzhaushaltes der Kantone und Gemeinden (Bern 1902, 2 Tle.); Hunziker, Das Schweizerhaus nach seinen landschaftlichen Formen und seiner geschichtlichen Entwickelung (Aarau 1900–1907); »Schweizerisches Idiotikon, Wörterbuch der schweizerisch-deutschen Sprache« (hrsg. von Staub und Tobler, Frauenfeld 1881 ff.); ein »Glossaire du patois romand« ist in Vorbereitung; P. Wolf, Die schweizerische Bundesgesetzgebung (2. Aufl., Basel 1904 bis 1907, 4 Bde.); Hilty, Die Bundesverfassungen der schweizerischen Eidgenossenschaft (Bern 1891); v. Salis, Schweizerisches Bundesrecht (2. Aufl., das. 1903–04, 5 Bde.); Schollenberger, Das Bundesstaatsrecht der S. (Berl. 1902) und Bundesverfassung der Schweizer Eidgenossenschaft (das. 1905).

Kartenwerke, offizielle: »Topographische Karte der S.« von Dufour in 1:100,000, mit Schraffen und schiefer Beleuchtung in 25 Blättern (Bern 1865; vgl. Stavenhagen, Kartenwesen des außerdeutschen Europa, Ergänzungsheft 148 zu »Petermanns Mitteilungen«, 1904, und »Geschichte der Dufourkarte« vom eidgenössischen topographischen Bureau, Bern 1896); dieselbe Karte reduziert 1:250,000, 4 Blätter (»Kleine Dufour«); »Gesamtkarte der S.«, 1:1,000,000; »Siegfried-Atlas« oder topographische Karte in Höhenkurven, Hochebene und Jura in 1: 25,000, Hochgebirge 1: 50,000, zusammen 526 Blätter; dann Überdrucke (Umgebungskarten) nach Dufour und Siegfried, zum Teil in Relieftönen; »Schulwandkarte der S.« in Kurven und Relieftönen 1:200,000; »Waldkarte der S.« 1:250,000; »Eisenbahnkarte« 1:250,000. – Daneben bestehen zahlreiche Privatpublikationen; Reliefs von Heim, Imfeld, Becker. Auf Grund der Dufourkarte 1:100,000 ist die S. geologisch kartiert; vgl. die oben angeführten »Beiträge«, dazu als Übersicht die »Geologische Karte der S.« von Heim und Schmidt, 1:500,000 (Bern 1894).

Geschichte.

Die Entstehung der Eidgenossenschaft.

Die S., zu Cäsars Zeit von den Helvetiern (s. d.) und andern keltischen Stämmen sowie von den Rätern (s. Rätien) bewohnt, gehörte seit deren Unterwerfung zum römischen Reich. Während der Völkerwanderung, im 5. oder Anfang des 6. Jahrh. ließen sich im nordöstlichen und mittlern Teile die heidnischen Alemannen nieder. Die Westschweiz mit Einschluß des Wallis fiel dagegen (um 460) an das Reich der [190] Burgunder und wurde wohl auch von einzelnen Angehörigen dieses Volkes besiedelt; doch blieb die alte keltisch-römische Bevölkerung überwiegend; daher das romanische Volkstum der Westschweiz. Auch im Südosten, dem jetzigen Graubünden, erhielt sich die römisch-rätische Bevölkerung unter dem Schutz des Ostgotenkönigs Theoderich. Mit der Unterwerfung der Alemannen durch Chlodwig (496), der Burgunder durch seine Söhne (534) und der Abtretung Rätiens seitens der Ostgoten (536) kam die S. unter fränkische Herrschaft, durch den Vertrag von Verdun (843) der östliche Teil an das ostfränkische Reich, während der westliche erst einen Teil des Reiches Lothars, seit 888 des hochburgundischen Reiches bildete, das 933 mit dem niederburgundischen zum Reich Arelat vereinigt wurde und 1032 an Kaiser Konrad II. fiel; somit gehörte nunmehr die ganze S. zum römisch-deutschen Reiche.

Im 12. Jahrh. nahmen die Herzoge von Zähringen als Besitzer bedeutender Allodialgüter, als Reichsvögte von Zürich (seit 1097) und »Rektoren« von Burgund (seit 1127) eine fürstliche Stellung in der S. ein; als Gegengewicht gegen den Adel begünstigten sie das Städtewesen, wie denn Berchtold IV. Freiburg i. U. (1178) und Berchtold V. Bern (1191) gründete. Mit letzterm starb 1218 das Geschlecht aus; Friedrich II. zog ihre Reichslehen ein, und viele Dynasten und Städte wurden dadurch reichsunmittelbar. Unter den Dynasten ragten die Grafen von Habsburg hervor, die als Landgrafen vom Aar-, Zürich- und Thurgau, als Vögte vieler Klöster und als Besitzer zahlreicher Grundherrschaften voraussichtlich Landesfürsten der S. geworden wären, wenn nicht der im Beginn des 13. Jahrh eröffnete Gotthardpaß die Aufmerksamkeit Kaiser Friedrichs II. auf die Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden gelenkt und ihn veranlaßt hätte, sie unmittelbar unter seine Gewalt zu stellen. 1231 kaufte sein Sohn, König Heinrich, Uri von den Habsburgern an das Reich zurück, und 1240 erteilte Friedrich II. selber Schwyz einen Freiheitsbrief, durch den es ebenfalls reichsunmittelbar wurde. Da die Habsburger die Verfügung des gebannten Kaisers nicht anerkennen wollten, kam es 1245–52 zu einem Kampfe zwischen ihnen und den Schwyzern; auch die Unterwaldener erhoben sich gegen die habsburgische Herrschaft, und ein erstes Bündnis vereinte die drei Länder, dessen Urkunde jedoch nicht mehr vorhanden ist. Nach dem Tode Friedrichs II. mußten Schwyz und Unterwalden die Hoheit der Habsburger wieder anerkennen; nach dem Tode König Rudolfs erneuerten aber die drei Länder Anfang August 1291 ihr altes Bündnis auf ewige Zeiten und wurden von Heinrich VII. von Luxemburg 3. Juni 1309 förmlich für reichsfrei erklärt. Als die Waldstätten in dem Thronstreit zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich von Österreich sich auf seiten des erstern stellten, wollte sie des letztern Bruder Leopold gewaltsam unterwerfen, erlitt aber mit seinem stattlichen Ritterheer durch die Schwyzer eine blutige Niederlage am Morgarten (15. Nov. 1315), worauf die Waldstätten zu Brunnen den Ewigen Bund erneuerten (9. Dez. 1315). Dies ist der wirkliche Verlauf der Entstehung der Eidgenossenschaft; die Erzählung vom Versuch König Albrechts, die Urkantone durch unmenschliche Vögte (Geßler und Landenberg) zur Unterwerfung zu zwingen, vom Schwur auf dem Rütli und vom Schuß Tells ist eine im 15. und 16. Jahrh. entstandene Sage (s. Tell).

Der Eidgenossenschaft traten das österreichische Luzern 7. Nov. 1332 und die Reichsstadt Zürich 1. Mai 1351 bei. Umsonst suchte Herzog Albrecht der Weise Zürich durch zwei Belagerungen (1351 und 1352) zur österreichischen Machtsphäre zurückzubringen; dagegen mußten die österreichischen Territorien Glarus und Zug ihre Bünde, die sie am 4. und 27. Juni 1352 mit den Eidgenossen schlossen, noch im gleichen Jahre wieder aufgeben. Dafür trat die Reichsstadt Bern 6. März 1353 dem Bunde bei, schon 1364 wurde Zug wieder eidgenössisch und im Sempacherkrieg 1386 auch Glarus, womit der Bund der sogen. acht alten Orte vollendet war. Ein Versuch Herzog Albrechts des Weisen, mit Hilfe Kaiser Karls IV. die Eidgenossenschaft zu vernichten, scheiterte, indem eine dritte Belagerung Zürichs 1354 erfolglos verlief, und 1361 erkannte Karl IV. jene in aller Form als eine zu Recht bestehende Landfriedensverbindung an. Auf dem Konstanzer Tag (21. Febr. 1385) kam eine Allianz zwischen den Eidgenossen und dem Rheinisch-Schwäbischen Städtebund zustande; als aber die Schweizer den Krieg gegen Österreich begannen, blieben sie auf sich allein angewiesen. Dennoch erfochten sie 9. Juli 1386 bei Sempach über ein starkes Ritterheer unter Leopold III. von Österreich einen glänzenden Sieg. Nachdem auch die Glarner den Österreichern eine vernichtende Niederlage bei Näfels (9. April 1388) beigebracht hatten, kam 1. April 1389 ein für die Eidgenossen günstiger Friede auf 7 Jahre zustande, der 1394 auf 20 und 1412 auf 50 Jahre verlängert wurde. Ihre innere Verbindung befestigten sie durch sogen. Verkommnisse, wie den Pfaffenbrief (7. Okt. 1370), der jede Privatfehde aufs strengste verbot und die Geistlichen den heimischen Gerichten unterstellte, und den Sempacher Brief (10. Juli 1393), eine Kriegsordnung, die Mannszucht und Schonung der Wehrlosen im Kriege bezweckte. Die demokratische Bewegung nahm ihren Fortgang, indem sich Appenzell gegen den Abt von St. Gallen erhob, bei Vögeliseck (1403) und am Stoß (1405) sich siegreich verteidigte und 1411 in den Schutz der Eidgenossenschaft aufgenommen wurde. Als 1415 Herzog Friedrich von Tirol wegen seiner Erhebung gegen das Konstanzer Konzil vom Kaiser Siegmund geächtet wurde, entrissen die Schweizer auf kaiserlichen Befehl Österreich den Aargau. 1416 schlossen die Walliser ewige Bündnisse mit Luzern, Uri und Unterwalden.

Infolge eines Streites über die Erbschaft der Grafen von Toggenburg brach 1439 zwischen Zürich und Schwyz der sogen. alte Zürichkrieg aus, in dem die Eidgenossenschaft für Schwyz Partei ergriff. Da schloß Zürich 17. Juni 1442 einen Bund mit Kaiser Friedrich III., auf dessen Ansuchen der Dauphin Ludwig mit 30,000 Armagnaken (s. d.) gegen die Schweizer heranzog, aber durch den heldenmütigen Widerstand von 1500 Eidgenossen bei St. Jakob a. d. Birs (26. Aug. 1444) zum Frieden von Ensisheim (28. Okt. 1444) bewogen wurde, dem später (27. Febr. 1453) ein »ewiger Freundschaftsvertrag« folgte. Zürich mußte 13. Juli 1450 sein Bündnis mit Österreich aufgeben, und der Schweizerbund wurde aufs neue befestigt. Da Österreich zu keinem endgültigen Verzicht auf seine ehemaligen Besitzungen zu bringen war, nahmen die Eidgenossen, einer Aufforderung des Papstes Pius II. folgend, dem von letzterm gebannten Herzog Siegmund von Tirol den Thurgau weg (1460). Provokationen des österreichischen Adels veranlaßten sie zu einem Zug in den Sundgau, und Siegmund wurde im Waldshuter [191] Frieden (27. Aug. 1468) gezwungen, ihnen für die Kriegskosten den Schwarzwald mit Waldshut zu verpfänden. Siegmund suchte die Hilfe Karls des Kühnen von Burgund gegen sie zu gewinnen, indem er diesem seine Besitzungen am Oberrhein verpfändete (1469). Karl erfüllte jedoch die auf ihn gesetzten Hoffnungen nicht, weshalb Siegmund unter Vermittelung Ludwigs XI. von Frankreich mit den Eidgenossen die sogen. ewige Richtung (s. d.) einging (11. Juni 1474), woran sich ein Bündnis zwischen den Eidgenossen, Siegmund und den elsässischen Reichsstädten gegen Karl den Kühnen schloß, um diesem die österreichischen Pfandlande zu entreißen. Am 13. Nov. 1474 schlugen die Schweizer ein burgundisches Heer bei Héricourt, erfochten über den Herzog selbst die glänzenden Siege von Grandson (2. März 1476) und Murten (22. Juni) und zogen dann dem Herzog von Lothringen zu Hilfe nach Nancy, wo Karl 5. Jan. 1477 Schlacht und Leben verlor. Im nächsten Jahr unternahmen die Eidgenossen einen Kriegszug gegen Mailand und sicherten sich durch den Sieg bei Giornico (28. Dez. 1478) den Besitz des schon in frühern Kämpfen (1403–40) erworbenen Livinentals.

Begründung der staatlichen Selbständigkeit.

Seit den Burgunderkriegen wurde die S. der große »Menschenmarkt«, wo die Mächte Europas, besonders Frankreich, Soldtruppen anwarben, indem sie durch Bezahlung öffentlicher Jahrgelder an die Kantone und geheimer an die einflußreichen Männer sich die Erlaubnis dazu auswirkten. Das »Reislaufen« förderte durch das hereinströmende Geld Wohlstand und Kultur, hatte aber den verderblichsten Einfluß auf das Volksleben. Die Eifersucht der »Länder« auf die »Städte«, die immer mehr die Leitung der Eidgenossenschaft an sich rissen, brachte auch den innern Frieden in Gefahr. Als Berns alte Verbündete, Freiburg und Solothurn, um Aufnahme in den Bund nachsuchten, wurden sie von den Ländern hartnäckig zurückgewiesen, worauf die Städte mit denselben ein »ewiges Burgrecht« schlossen (23. Mai 1477), einen Sonderbund, dem die Länder mit Aufwiegelung der Untertanen Luzerns antworteten. Nach langen Verhandlungen, auf die der fromme Einsiedler Nikolaus von Flüe einen hervorragenden Einfluß ausübte, wurde auf einer Tagsatzung zu Stans 22. Dez. 1481 der Sonderbund der Städte aufgelöst, Freiburg und Solothurn in den Ewigen Bund aufgenommen und das Stanser Verkommnis vereinbart, der wichtigste Bundesvertrag der alten S., der Bestimmungen zum Schutz des Landfriedens und der obrigkeitlichen Gewalt enthielt.

Das Band, das die S. mit dem Deutschen Reich verknüpfte, lockerte sich immer mehr, zumal die Kaiser aus dem habsburgischen Hause sie mit konsequenter Feindseligkeit behandelten und überhaupt für die mächtige republikanische Staatenverbindung im Rahmen der Reichsverfassung keine ihrer Bedeutung entsprechende Stellung gefunden werden konnte. Seit den Burgunder Kriegen allgemein als europäische Macht betrachtet, nahmen die Eidgenossen die Rechte eines völlig unabhängigen Staates in Anspruch. Sie lehnten daher die Aufforderung ab, den Beschlüssen des Wormser Reichstags von 1495 gemäß die Jurisdiktion des Reichskammergerichts anzuerkennen und zum Gemeinen Pfennig beizutragen. Indem das Kammergericht dennoch Klagen gegen Glieder der Eidgenossenschaft annahm und sie mit der Reichsacht belegte, trieben die Reichsgewalten, König Maximilian an der Spitze, dem Kriege zu. Der Beitritt der rätischen Bünde, die Österreich als zu seiner Machtsphäre gehörig betrachtete, zur Eidgenossenschaft (1498) brachte denselben zum Ausbruch (im Januar 1499). Aber in allen Gefechten dieses Schwabenkrieges zeigte sich die Unfähigkeit des deutschen Reichskriegswesens gegenüber den kampfgeübten Schweizerscharen. Bei Fußach, Triboldingen, Frastenz, an der Calven wurden die Heere des Schwäbischen Bundes und Österreichs besiegt und endlich 22. Juli 1499 ein größeres Reichsheer unter dem Grafen von Fürstenberg von den Schweizern bei Dornach a. d. Birs überfallen und geschlagen. Da gab Maximilian den Kampf auf und schloß unter Vermittelung Lodovico Moros von Mailand 22. Sept. 1499 den Frieden von Basel, in dem König und Reich ihren Anspruch auf Steuer-, Kriegs- und Gerichtshoheit über die S. fallen ließen. Damit hatte sich diese tatsächlich vom Reiche losgetrennt, wenn auch die ausdrückliche Anerkennung ihrer Unabhängigkeit erst im Westfälischen Frieden erfolgte.

Einen hervorragenden Anteil nahmen die Schweizer an den Kämpfen in Italien. Mit Hilfe schweizerischer Söldner eroberte Karl VIII. von Frankreich 1494 vorübergehend Neapel und gewann Ludwig XII. 1500 Mailand. nachdem Lodovico Moro von seinen ebenfalls aus Eidgenossen und deutschen Landsknechten bestehenden Söldnern in Novara preisgegeben worden war. Papst Julius II. wußte jedoch die Schweizer durch den Bischof von Sitten, Kardinal Schinner, für seinen Plan, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, zu gewinnen. Als Verbündete des Papstes führten sie Moros Sohn Maximilian Sforza 1512 in sein Herzogtum zurück und verjagten die Franzosen durch den Sieg bei Novara (6. Juni 1513) aus Italien, während sie für sich selbst zu den schon 1503 von Ludwig XII. abgetretenen Vogteien Bellinzona, Blegno und Riviera noch Lugano, Mendrisio, Locarno, Valmaggia, Bormio, Veltlin und Chiavenna gewannen. Ludwigs XII. Nachfolger, Franz I., besiegte jedoch die Schweizer in der zweitägigen »Riesenschlacht« bei Marignano (13. und 14. Sept. 1515) und gewährte ihnen einen »ewigen Frieden« (29. Nov. 1516), in dem sie gegen eine Kriegsentschädigung von 700,000 Kronen auf weitere Einmischung in Italien verzichteten. Ein Bündnis, das die Eidgenossenschaft (außer Zürich) 1521 mit Frankreich schloß, gestattete diesem gegen Gewährung von Jahrgeldern, Handelsfreiheiten und andern Vorteilen, bis zu 16,000 Mann Söldner in der S. anzuwerben. Damit stellten sich die Eidgenossen ganz in den Dienst des französischen Hofes und verzichteten auf eine selbständige Rolle in der europäischen Politik.

Nachdem 1501 Basel und Schaffhausen als neue Mitglieder dem Bunde beigetreten und Appenzell 1513 aus einem bloß »zugewandten« Orte zu einem vollberechtigten Bundesglied erhoben worden war, bestand die Eidgenossenschaft bis 1798 aus 13 Orten oder Kantonen. Daneben gab es noch 10 zugewandte und verbündete Orte, die teils nur von einzelnen Kantonen als Verbündete anerkannt wurden, wie Genf, Neuenburg, der Bischof von Basel, teils als Bundesgenossen mindern Rechtes, ohne Anspruch auf regelmäßige Teilnahme an den Tagsatzungen, auf Anteil an den Eroberungen etc., galten, wie der Fürstabt von St. Gallen, und die Städte St. Gallen, Mülhausen, Biel und Rottweil in Württemberg, teils so locker mit der Eidgenossenschaft verknüpft waren, daß sie dieser als selbständige Staaten gegenüberstanden, wie Graubünden und Wallis. Fast jeder Ort hatte sich durch Kauf oder Eroberung ein[192] Untertanengebiet erworben; außerdem gab es auch Untertanen mehrerer Orte, die von diesen als gemeine Herrschaften abwechselnd durch Vögte regiert wurden; so gehörten 12 Orten Lugano, Locarno, Mendrisio und Val Maggia, 8, bez. 7 Baden, die Freien Ämter, der Thurgau, Sargans, das Rheintal; Uri, Schwyz und Nidwalden besaßen Bellinzona, Riviera und Blegno, Schwyz und Glarus Gaster und Uznach, Bern und Freiburg Schwarzenburg, Murten, Grandson und Orbe-Echallens gemeinsam. Erst durch die Untertanengebiete ward die S. zu einem geschlossenen geographischen Ganzen, und häufig bildeten die gemeinen Vogteien in den nun folgenden Zeiten religiöser Entzweiung das einzige, aber wirksame Band, das die Eidgenossenschaft noch zusammenhielt.

Die Reformationszeit.

In geistiger Beziehung blieb die S. auch nach dem Frieden von Basel mit Deutschland verbunden, und gleichzeitig mit Luther begann Zwingli in Zürich seine reformatorische Tätigkeit (1519). Diese erstreckte sich auch auf die politischen Verhältnisse. Weil Zwingli besonders den Krebsschaden des Reislaufens und Pensionennehmens durch eidgenössisches Verbot beseitigen wollte, waren die fünf innern Kantone (Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug), deren wichtigste Erwerbsquelle der fremde Kriegsdienst bildete, um so weniger gewillt, seine kirchliche Reform anzunehmen, während sie in der äußern S. immer mehr Anklang fand. Durch die Disputation in Bern (Januar 1528) wurde der Übertritt dieses mächtigen Ortes entschieden, Basel, Schaffhausen, St. Gallen folgten, und in Appenzell, Glarus und Graubünden wurde Glaubensfreiheit verkündet. Da die fünf katholischen Orte ihr numerisches Übergewicht in der Regierung der gemeinen Herrschaften rücksichtslos benutzten, um in denselben die Ausbreitung der Reformation zu verhindern, so plante Zwingli schon eine völlige Umgestaltung der Eidgenossenschaft, die Zürich und Bern, die mit ihrem Gebiete zwei Drittel der eidgenössischen Macht bildeten, eine Art Hegemonie einräumen sollte. Durch ein System von »christlichen Burgrechten«, deren Vorbild ein von Zürich mit Konstanz abgeschlossenes Burgrecht (25. Dez. 1527) war, bildete sich ein die Städte Zürich, Bern, St. Gallen, Biel, Mülhausen, Basel und Schaffhausen umfassender reformierter Sonderbund, wogegen die katholischen Orte Sonderbündnisse mit Wallis und Ferdinand von Österreich eingingen (22. April 1529). Ein erster Religionskrieg endete mit einem unblutigen Siege der Reformierten, indem der erste Landfriede von Kappel (26. Juni 1529) das Bündnis der fünf Orte mit Ferdinand aufhob und in den gemeinen Herrschaften die Entscheidung in Religionssachen den Gemeinden überließ. Als sich die fünf Orte aber der Züricher Auslegung des Landfriedens, daß auch in ihrem Gebiet die freie Predigt gestattet sein müsse, entschieden widersetzten und deshalb die Reformierten eine Lebensmittelsperre über sie verhängten, griffen sie zu den Waffen und rückten mit 8000 Mann gegen Kappel, wo ihnen der in Eile zusammengeraffte erste Auszug der Züricher erlag und Zwingli selbst fiel (11. Okt. 1531). Eine zweite Niederlage der Reformierten am Gubel bei Zug (24. Okt.) erzeugte unter ihnen eine solche Entmutigung, daß sie im zweiten Frieden von Kappel (20. Nov. 1531) ihre Sonderbündnisse ausgaben. Die katholischen Orte geboten jetzt der Weiterverbreitung der Reformation Stillstand; und die S. zerfiel kirchlich in das zusammenhängende katholische Gebiet der fünf Orte nebst Wallis, den freien Ämtern und den italienischen Vogteien mit Freiburg und Solothurn als vorgeschobenen Posten, in die paritätischen Lande Glarus, Appenzell, Baden, Thurgau, St. Gallen, Rheintal und Graubünden und in die reformierten Kantone Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen. Nur in der Westschweiz machte die Reformation noch Fortschritte. Genf, das, um seine Freiheit gegen den Herzog von Savoyen zu verteidigen, 1526 sich mit Bern und Freiburg verbündet hatte, wurde durch Farel der evangelischen Lehre gewonnen und, als hierauf der savoyische Adel die Stadt bedrängte, 1536 durch die Berner befreit, die gleichzeitig Savoyen die Waadt sowie Gex, Genevois und Chablais entrissen. Nun begann Calvin dort seine welthistorische Wirksamkeit, durch die er Genf zum Mitelpunkt einer europäischen Religionsgemeinschaft erhob. Gegen den endgültigen Verzicht auf Waadt erhielt der Herzog von Savoyen im Vertrag von Lausanne (30. Okt. 1564) Gex, Genevois und Chablais zurück; alle Versuche Savoyens, im Bunde mit den katholischen Orten sich Genfs wieder zu bemächtigen, waren aber vergeblich, auch der unter dem Namen »Escalade« bekannte Überrumpelungsversuch (22. Dez. 1602).

Mit rücksichtsloser Härte wurde sowohl von den reformierten als den katholischen Kantonen die Religionseinheit durchgeführt. Aufs eifrigste schlossen sich die katholischen Orte den gegenreformatorischen Bestrebungen an; 1574 nahm Luzern die Jesuiten und 1586 einen ständigen Nunzius bei sich auf, und 5. Okt. desselben Jahres schlossen die fünf Orte nebst Freiburg und Solothurn den goldenen oder Borromeischen Bund, wie er zu Ehren des bekehrungseifrigen Kardinals Carlo Borromeo genannt wurde; der Vertrag verpflichtete die Mitglieder, sich gegenseitig, nötigenfalls mit den Waffen, beim alten Glauben zu erhalten. Damit war die Eidgenossenschaft so gut wie gesprengt; die katholischen Orte hielten ihre Tagsatzungen in Luzern, die reformierten in Aarau. 1587 folgte ein Bund von sechs katholischen Orten mit Philipp II. von Spanien, und der sich immer steigernde Religionsfanatismus führte 1597 zur Trennung des Kantons Appenzell in die katholischen Innern und die reformierten Äußern Rhoden. Während des Dreißigjährigen Krieges verhielt sich die S. neutral; doch wurde Graubünden infolge wilder Parteikämpfe der Tummelplatz der fremden Mächte und, von den unter sich zwiespältigen Eidgenossen preisgegeben, nur durch die Verschlagenheit des Georg Jenatsch (s. d.) gerettet. Wiederholte Versuche des Reichskammergerichts, seinen Gerichtszwang auf Basel und Mülhausen auszudehnen, veranlaßten die evangelischen Orte Ende 1646, den Baseler Bürgermeister Rudolf Wettstein nach Münster zu senden, wo derselbe, unterstützt von Frankreich, Schweden und dem Kaiser, die Anerkennung der Souveränität der S. durch den Westfälischen Frieden durchsetzte.

Umwälzungen in der Revolutionszeit.

In der Zeit zwischen dem Westfälischen Frieden und der französischen Revolution genoß die S. völlige Ruhe nach außen, zumal sie in allen europäischen Kriegen sich prinzipiell auf den Standpunkt der bewaffneten Neutralität stellte. Im Innern bildete sich während dieses Zeitraums in den Städtekantonen ein schroff aristokratisches Regiment aus, indem die Bürger der Hauptstadt die Landleute von allen politischen Rechten ausschlossen und zum Teil selbst die höhern Berufsarten, Handel und Gewerbe zu ihrem Monopol machten. In Bern, Luzern, Freiburg[193] und Solothurn bildeten sich wieder innerhalb der regierenden Stadtbürgerschaft Oligarchien, sogen. Patriziate, indem es einer Anzahl Familien gelang, den ausschließlichen Besitz der höhern Staatsämter an sich zu reißen. Die Bedrückung des Landvolkes durch die Städte hatte 1653 einen Aufstand der Bauern Luzerns, Berns, Solothurns und Basels zur Folge, der aber rasch überwältigt wurde (Bauernkrieg). 1656 brach ein neuer Religionskrieg aus, der mit einer Niederlage der Berner bei Villmergen (24. Jan.) endete. In einem vierten Religionskrieg jedoch, der anläßlich eines Streites zwischen dem Abt von St. Gallen und seinen reformierten Untertanen in Toggenburg entstand, wurden die katholischen Orte in der zweiten Schlacht bei Villmergen 25. Juli 1712 von den Bernern völlig geschlagen (Zwölferkrieg) und im Frieden von Aarau (11. Aug.) von der Mitherrschaft der Vogtei Baden und des untern Freiamtes ausgeschlossen. Damit ging das Übergewicht, das die katholischen Orte seit der Schlacht bei Kappel besessen hatten, auf die evangelischen über. Während im 18. Jahrh. der konfessionelle Gegensatz allmählich seine Schärfe verlor, kam es in verschiedenen Kantonen zu vereinzelten Erhebungen gegen die aristokratische Staatsordnung, die indessen überall mit dem Siege der Oligarchen endeten, so daß auch in der S. despotische Allmacht der Regierungen, Ungleichheit der Stände, Unfreiheit des Handels und Gewerbes, Glaubens- und Gewissenszwang, Zensur, unablösliche Feudallasten, hier und da selbst noch die Leibeigenschaft zu finden waren. Die 13 Orte oder »Kantone«, wie die französische Bezeichnung lautete, mit ihren Zugewandten und Verbündeten bildeten einen losen Staatenbund mit einem »Vorort«, Zürich, und einer »Tagsatzung«, die aber aller realen Gewalt entbehrten; die dringendsten Reformen konnten nicht an die Hand genommen werden, weil die Tagsatzung an die Instruktionen der kantonalen Regierungen gebunden war und das Mehrheitsprinzip auf ihr keine Geltung hatte. Trotzdem blühten Handel und Industrie auf, in der Ostschweiz die Baumwollfabrikation, in Zürich und Basel die Seidenweberei, in der Westschweiz die Fabrikation von Uhren, und die Schweizer wurden allmählich aus einem Volk von Kriegern ein Industrie- und Handelsvolk. In geistiger Beziehung war das 18. Jahrh. die Blütezeit der S. Gelehrte, Schriftsteller und Künstler von europäischem Rufe, wie die Baseler Bernoulli und Euler, der Berner Albrecht v. Haller, die Züricher Bodmer, Breitinger, Salomon Geßner, Lavater, Pestalozzi, der Schaffhauser Joh. v. Müller, die Genfer Bonnet, de Saussure, Rousseau u. a., verliehen ihr geistigen Glanz.

Schon vor dem Ausbruch der französischen Revolution hatte die 1761 gestiftete Helvetische Gesellschaft die politische Wiedergeburt der S. im Sinne größerer Einheit und Freiheit erstrebt. Der Ruf nach einer solchen wurde lauter, als die Bewegung in Frankreich begann. Aber hartnäckig wiesen die Regierungen jede Konzession von der Hand; noch 1795 wurde ein Versuch der Landgemeinden am Zürichsee, ihre alten verbrieften Rechte wiederzuerlangen, mit Einkerkerung ihrer Führer bestraft. Die revolutionäre französische Regierung verleibte im März 1793 das Pruntrut, das sich gegen den Bischof von Basel erhoben und als »raurakische Republik« konstituiert hatte, der französischen Republik ein. Der Waadtländer Laharpe und der Baseler Oberzunftmeister Peter Ochs riefen aber die französische Regierung auch zum Einschreiten in der S. selbst auf, um mit ihrer Hilfe sie nach den Grundsätzen der Revolution umzugestalten, und als Bonaparte 1797 für die geplante ägyptische Unternehmung Geld und für die Verbindung mit dem eroberten Italien die Walliser Pässe brauchte, beschloß das französische Direktorium die Zertrümmerung der bisherigen Eidgenossenschaft. Veltlin, Bormio und Chiavenna wurden im Oktober 1797 mit der Zisalpinischen Republik, im Dezember das Erguel (St. Immerthal) und das Münstertal, im Januar 1798 Mülhausen und im April Genf mit der französischen Republik vereinigt. Am 28. Jan. 1798 rückte ein französisches Heer in die zu Bern gehörige Waadt ein, die sich als unabhängige Lemanische Republik konstituierte. Jetzt stürzte in den meisten Kantonen das aristokratische Regiment von selbst zusammen, die gemeinen Vogteien verwandelten sich in demokratische Freistaaten. Nur Bern wagte Widerstand und gab dadurch den Franzosen den erwünschten Vorwand zu weiterm Vorgehen. Während der Angriff des französischen Oberbefehlshabers Brune bei Neueneck abgeschlagen wurde, überwältigte General Schauenburg die Bern er Truppen im Grauholz und zwang die Stadt 5. März zur Kapitulation; ca. 24 Mill. Frank an barem Geld, Schuldscheinen und Vorräten schleppten die Franzosen allein aus Bern weg. Am 22. März 1798 proklamierte Brune die eine und unteilbare Helvetische Republik, deren von Ochs in Paris entworfene Verfassung Gleichheit aller vor dem Gesetz, Glaubens-, Preß-, Handels- und Gewerbefreiheit, Ablösbarkeit der Grundzinsen, proportionelle Besteuerung u. dgl. einführte und einen Einheitsstaat nach französischem Muster schuf: an der Spitze stand ein von vier Ministern unterstütztes Direktorium von fünf Mitgliedern, daneben ein Senat und ein Großer Rat als Volksvertretung; Verwaltung und Rechtspflege wurden zentralisiert und die Kantone zu bloßen Verwaltungsbezirken herabgedrückt, deren Zahl und Begrenzung nach Willkür verändert wurden. Zu den 13 alten kamen Wallis, Léman, Aargau, Bellinzona, Lugano, Rätien, Sargans, Thurgau und St. Gallen als neue Kantone hinzu; doch wurden schon im Mai Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug zum Kanton Waldstätten, Glarus und Sargans zum Kanton Linth, Appenzell und St. Gallen zum Kanton Säntis verschmolzen, wogegen Berner Oberland und später Baden als neue Kantone entstanden. Neuenburg blieb wegen seiner Personalunion mit Preußen außerhalb der Helvetischen Republik.

Nur zehn Kantone vollzogen 12. April 1798 die Konstituierung der Helvetischen Republik in Aarau. Namentlich die Urkantone wiesen die neue Verfassung mit Entrüstung zurück; die Schwyzer unter ihrem Landeshauptmann Aloys Reding fochten glücklich an der Schindellegi, bei Rotenturm und Morgarten (2. Mai) gegen die Franzosen, und Nidwalden leistete noch im Sept. einer 16,000 Mann starken Armee Widerstand. Aber sie mußten der Übermacht endlich weichen; die Erhebung Nidwaldens wurde durch ein entsetzliches Morden (9. Sept.) erstickt. Infolge ihrer Abhängigkeit von Frankreich wurde die S. im zweiten Koalitionskrieg 1799 Hauptkriegsschauplatz, indem österreichische und russische Truppen von Norden und Süden ein rückten, während Schweizer auf beiden Seiten am Kampfe teilnahmen. Eine Folge davon war die Verlegung des Sitzes der helvetischen Behörden von Luzern, der in der Verfassung vorgesehenen Hauptstadt, nach Bern. Durch den Sieg Massenas bei Zürich (25./26. Sept.) und den daraus erfolgenden Rückzug Suworoffs aus der S. wurde die Helvetische Republik für[194] einmal gerettet; aber das Kriegselend und die Gewalttätigkeit Laharpes, des Hauptes der Helvetischen Regierung, hatten diese in solchen Mißkredit gebracht, daß die beiden Räte der Republik 7. Jan. 1800 das Direktorium für aufgelöst erklärten und die Gewalt einer Vollziehungskommission übertrugen, die am 7. Aug. ihrerseits die beiden Räte auflöste und sie durch einen Gesetzgebungsrat ersetzte. Durch diese Staatsstreiche war die bisherige Verfassung vernichtet, und die Föderalisten, die Anhänger des alten Kantonalsystems, bewirkten, daß Bonaparte zu Malmaison (29. April 1801) der S. in der Form eines »guten Rates« eine neue Verfassung gab, die aus ihr einen Bundesstaat mit einer »helvetischen Tagsatzung« machte. Als die Unitarier, die Anhänger der Einheitsrepublik, in der helvetischen Tagsatzung die Mehrheit erhielten und die Verfassung in unitarischem Sinne veränderten, bemächtigte sich die aristokratisch-föderalistische Partei im Einverständnis mit Bonaparte durch den Staatsstreich vom 28. Okt. der Regierung. Bonaparte war planmäßig bemüht, die Verwirrung in der S. aufs höchste zu steigern, um die Fortdauer seiner Intervention als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Nachdem er den Unitariern gestattet hatte, die föderalistische Regierung durch einen vierten Staatsstreich (17. April 1802) wieder zu stürzen und eine neue Verfassung zu oktroyieren (2. Juli), zog er plötzlich die französischen Truppen aus der S. zurück, worauf sich die Föderalisten überall erhoben und die helvetische Regierung von Bern nach Lausanne flüchten mußte, nachdem sie die Vermittelung des Ersten Konsuls angerufen. Bonaparte übernahm dieselbe (30. Sept. 1802), gebot den Insurgenten, die Waffen niederzulegen, und lud Regierung und Kantone ein, Abgeordnete nach Paris zu senden, um mit ihm über eine neue Verfassung zu beraten; zugleich rückte Ney mit 12,000 Mann in die S. ein. Die sogen. helvetische Consulta trat im Dezember in Paris zusammen und nahm 19. Febr. 1803 die von Bonaparte entworfene Mediationsakte an, die wieder einen Staatenbund von 19 Kantonen konstituierte; zu den 13 alten Kantonen kamen als neue St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt hinzu; das Wallis war von Bonaparte schon 1802 als »unabhängige« Republik von Helvetien getrennt worden. In die Tagsatzung sandte jeder Kanton mit über 100,000 Einw. zwei, die übrigen einen Abgeordneten, die wieder an Instruktionen gebunden waren; an der Spitze des Bundes stand ein Landammann, welche Würde in jährlichem Wechsel mit dem Bürgermeister- oder Schultheißenamt der »Direktorialkantone« Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Zürich und Luzern verknüpft war. Eine mit Frankreich abgeschlossene Defensivallianz und Militärkapitulation (27. Sept.) verpflichtete die S., Napoleon die Werbung von 16,000 Mann zu gestatten; 1812 trat an die Stelle der Werbung die Verpflichtung zu monatlichen Rekrutenlieferungen, um ein Kontingent von 12,000 Mann stets vollzählig zu erhalten. Doch hatte die S. von der Gewalttätigkeit Napoleons weniger zu leiden als andre Vasallenstaaten, und trotz der Schädigung von Handel und Industrie durch die Kontinentalsperre, trotz der Annexion des Wallis (1810) und des Unterganges von 6000 Schweizern im russischen Feldzug war die Stimmung in der S. im ganzen Napoleon nicht ungünstig.

Nach der Schlacht bei Leipzig 1813 beschloß die Tagsatzung, strenge Neutralität zu beobachten. Doch erkannten die Verbündeten diese nicht an, und 21. Dez. überschritten die Österreicher den Rhein, um durch die S. nach Frankreich zu ziehen. Mit ihrem Einmarsch erhoben überall die Anhänger der gestürzten Aristokratien ihr Haupt; in Bern, Freiburg, Solothurn und Luzern wurden die Patriziate gewaltsam hergestellt, und eine Tagsatzung in Zürich erklärte 29. Dez. die Mediationsakte für erloschen. An der Spitze von sieben andern alten Kantonen verlangte Bern sogar die Rückgabe der Untertanengebiete und stellte, als die Tagsatzung in Zürich diese Ansprüche grundsätzlich abwies, eine Gegentagsatzung in Luzern auf. Die Mächte erklärten sich jedoch auf Veranlassung des von Laharpe beeinflußten Kaisers Alexander von Rußland für die Unabhängigkeit der neuen Kantone, und die Luzerner Tagsatzung löste sich auf. Die Tagsatzung sämtlicher 19 Kantone vereinbarte 8. Sept. 1814 einen neuen Bundesvertrag, dessen territoriale Grundlage jedoch erst vom Wiener Kongreß endgültig festgestellt wurde; dieser willigte in die Wiedervereinigung von Wallis, Neuenburg und Genf mit der Eidgenossenschaft, so daß sie fortan aus 22 Kantonen bestand, entschädigte Bern für den Verlust der Waadt und des Aargaues durch Biel und den größten Teil des Bistums Basel und gestand der S. ewige Neutralität zu, was sie nicht hinderte, sich 1815 an dem neuen Feldzug der Mächte gegen Napoleon zu beteiligen. Am 20. Nov. 1815 stellten ihr die Mächte in Paris eine förmliche Urkunde aus, worin sie ihr die immerwährende Neutralität und Unverletzbarkeit ihres Gebietes gewährleisteten.

Umbildung des Staatenbundes zu einem Bundesstaat.

Der neue »Bundesvertrag«, der am 7. Aug. 1815 in Kraft trat, schmälerte die Gewalt des Bundes und seines Organs, der Tagsatzung, noch mehr und beschränkte die Zahl der Direktorialkantone oder »Vororte« auf drei, Zürich, Bern, Luzern. Auch die Kantonsverfassungen waren 1814 in reaktionärem Sinne verändert worden, räumten den Hauptstädten ein starkes Übergewicht ein und gaben den Behörden durch kompliziertes Wahlsystem und Selbstergänzungsrecht den Charakter oligarchischer Kollegien. Die liberale Opposition richtete sich daher sowohl auf Einführung demokratischer Verfassungen in den Kantonen als auf Verstärkung der Bundesgewalt und erlangte durch die Julirevolution solche Macht, daß 1830 und 1831 infolge großer Volksdemonstrationen, unter denen der »Ustertag« im Kanton Zürich (22. Nov. 1830) die bedeutsamste war, zwölf Kantone ihre Verfassungen in repräsentativ-demokratischem Sinne umgestalteten. In Basel führte der Streit zwischen Stadt und Landschaft zu blutigen Konflikten und zur Trennung; auch in Schwyz kam es zu einer Trennung zwischen Alt-Schwyz und den äußern, ehemals von ihm abhängigen Bezirken, und in Neuenburg brachen infolge republikanischer Schilderhebungen Unruhen aus. Die Tagsatzung war diesen Wirren gegenüber anfangs ohnmächtig, so daß die liberalen Kantone Zürich, Bern, Luzern, Solothurn, St. Gallen, Aargau und Thurgau zum Schutz ihrer neuen Verfassungen 17. März 1832 das sogen. Siebenerkonkordat abschlossen, während die drei Waldstätten mit Neuenburg und Baselstadt zu Sarnen 14. Nov. in eine konservative Separatverbindung traten. Der Sarner Bund forderte, daß die Tagsatzung nicht bloß die Anerkennung der Trennung des Kantons Basel zurücknehme, sondern auch die im Juli 1832 von der Tagsatzung beschlossene Bundesreform fallen lasse. Letztere scheiterte im Juli 1833 an der Volksabstimmung vermöge des[195] Zusammengehens der Klerikalkonservativen mit den extremen Radikalen. Aber als die Schwyzer die abgefallenen Ortschaften militärisch zu besetzen anfingen und Baselstadt sich der Landschaft durch einen Handstreich zu bemächtigen suchte, ließ die Tagsatzung in beide Orte eidgenössische Truppen einrücken und erzwang die Auflösung des Sarner Bundes; Basel blieb in die Halbkantone Baselstadt und Baselland geteilt, während in Schwyz die Einheit des Kantons auf dem Fuße der Rechtsgleichheit wiederhergestellt wurde.

Die zahlreichen politischen Flüchtlinge, die in der S. ein Asyl suchten, brachten diese 1833–38 wiederholt in Konflikte mit dem Ausland; die Weigerung der S., die von Frankreich verlangte Ausweisung des Prinzen Louis Napoleon zuzugestehen, führte 1838 sogar zu beiderseitigen Rüstungen, die indes mit der freiwilligen Entfernung des Prinzen ein Ende fanden. Im Innern empfing der Parteihaß durch kirchliche Streitigkeiten neue Nahrung. 1834 hatten die Kantone Luzern, Bern, Solothurn, Baselland, St. Gallen, Aargau und Thurgau in einer Konferenz zu Baden 27. Jan. 1834 ein Konkordat aufgestellt, um die Rechte des Staates gegenüber der katholischen Kirche zu wahren. Dasselbe wurde aber in St. Gallen 1835 durch Volksabstimmung verworfen, und auch Bern trat wegen der von Frankreich geschürten Erregung im katholischen Jura 1836 davon zurück. In Zürich kam es zu einem »Putsch« der Orthodoxen, als der Verfasser des »Lebens Jesu«, D. F. Strauß, 1839 an die Hochschule berufen wurde: ein Bauernhause rückte 6. Sept. in die Stadt und erzwang den Sturz der liberalen und die Einsetzung einer konservativen Regierung. In Luzern erlangten die von Joseph Leu und Siegwart Müller geführten Ultramontanen im Mai 1841 bei einer von ihnen ins Werk gesetzten Verfassungsrevision den vollständigsten Sieg. Ermutigt durch diese Erfolge, forderten die Ultramontanen, gestützt auf die im Bundesvertrag enthaltene Garantie der Klöster, von der Tagsatzung, daß Aargau gezwungen werde, die infolge eines Aufruhrs der Klerikalen im Januar 1841 aufgehobenen Klöster des Kantons wiederherzustellen, und als sich die Tagsatzung 31. Aug. 1843 mit dem Anerbieten Aargaus, die vier Frauenklöster herzustellen, zufrieden erklärte, berieten die Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Freiburg im September 1843 bereits über ihre Trennung von der Eidgenossenschaft. Die gewaltsame Niederwerfung der Liberalen in Wallis durch die Ultramontanen und die Berufung der Jesuiten an die höhern Lehranstalten von Luzern (1844) steigerten die Aufregung. Als der Antrag Aargaus, die Jesuiten aus der S. fortzuweisen, auf der Tagsatzung keine Mehrheit fand, versuchten die Luzerner Radikalen 8. Dez. 1844 mit Hilfe von Freischaren aus andern Kantonen die klerikale Regierung mit Gewalt zu beseitigen; das Unternehmen scheiterte jedoch kläglich. Ebenso endete ein zweiter Freischarenzug unter dem frühern Luzerner Regierungsrat Steiger und dem Berner Ochsenbein 31. März 1845 mit einem blutigen Rückzug. Diese Freischarenzüge boten den sieben ultramontanen Kantonen Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zug, Freiburg und Wallis den Vorwand, im Dezember 1845 einen förmlichen Sonderbund abzuschließen und ihn zum Widerstand gegen »unbefugte« Bundesbeschlüsse militärisch zu organisieren.

Sobald der Inhalt des anfangs geheim gehaltenen Bündnisses bekannt wurde, beantragte der Vorort Zürich bei der Tagsatzung, es als unverträglich mit den Bestimmungen des Bundesvertrags für aufgelöst zu erklären, erlangte aber erst, nachdem in Genf und St. Gallen die liberale Partei zur Herrschaft gekommen war, im Juli 1847 die knappe Mehrheit von 12 Kantonalstimmen. Gleichzeitig wurde auch die Wiederaufnahme der Bundesrevision und die Ausweisung der Jesuiten beschlossen. Da die sieben Sonderbundskantone, auf die Hilfe der kontinentalen Großmächte, die einstimmig für sie Partei ergriffen, vertrauend, allen Mahnungen und Vermittelungsversuchen unzugänglich blieben und eifrig rüsteten, entschloß sich die Tagsatzung zu Bern 4. Nov. 1847 zur Anwendung von Waffengewalt (Sonderbundskrieg). Eine eidgenössische Armee von fast 100,000 Mann unter General Dufour zwang Freiburg und Zug zur Kapitulation, vertrieb die vom Obersten Salis-Soglio befehligten Sonderbundstruppen 23. Nov. aus ihren verschanzten Stellungen bei Luzern und zog in diese Stadt ein. Nun unterwarfen sich auch die Waldstätten und Wallis, und noch vor Ende November war der Sonderbund aufgelöst. Die Regierungen und teilweise auch die Verfassungen in den besiegten Kantonen wurden verändert und diesen die Kriegskosten auferlegt. Der Ausgang des Krieges entschied auch den Sieg der Bundesrevision. Eine Kollektivnote Österreichs, Preußens, Frankreichs und Rußlands vom 18. Jan. 1848 erklärte allerdings, daß diese Mächte keine Veränderung des Bundesvertrags von 1815 zulassen würden, die mit der Kantonalsouveränität in Widerspruch stehe. Die Tagsatzung wies indes mit Entschiedenheit diese Einmischung zurück, die infolge der Februarrevolution zu Boden fiel, und schuf nach dem Muster der Vereinigten Staaten von Nordamerika die in ihren Grundzügen noch jetzt bestehende Verfassung, welche die S. aus einem Staatenbund in einen fester gefügten Bundesstaat umwandelte. Dem Bunde wurden das ausschließliche Recht über Krieg und Frieden, der Verkehr mit dem Ausland, das Zoll-, Post- und Münzwesen, Maß und Gewicht, die Organisation des Bundesheeres, der höhere Militärunterricht, die Garantie republikanisch-demokratischer Kantonalverfassungen, der Rechtsgleichheit, der Glaubensfreiheit für die christlichen Konfessionen, der Preß- und Vereinsfreiheit etc. übertragen. An Stelle der Tagsatzung trat eine in ihrer Stimmabgabe freie Bundesversammlung, bestehend aus der Vertretung der Kantone (Ständerat) und der des Schweizer Volkes (Nationalrat), an Stelle des bisherigen wechselnden Vorortes als höchste vollziehende Behörde ein ständiger Bundesrat von sieben Mitgliedern, von denen das den Vorsitz führende den Titel Bundespräsident erhielt; ebenso wurde ein Bundesgericht eingesetzt. Nachdem 151/2 Kantone mit 1,897,887 Seelen gegen 61/2 verwerfende mit 292,371 Einw. die neue Verfassung angenommen, erklärte die Tagsatzung sie 12. Sept. 1848 in Kraft und löste sich auf. Die erste Bundesversammlung trat 6. Nov. in Bern, das zum Bundessitz bestimmt wurde, zusammen und wählte den ersten Bundesrat.

Neueste Zeit.

Fortan erfreute sich die S. im Innern fast ohne Ausnahme gesetzlicher Ruhe und Ordnung. Die neuen Bundesbehörden entwickelten eine rege organisierende Tätigkeit: das Heerwesen wurde verbessert, Maß, Gewicht, Münze, Post, Telegraphie und Zölle einheitlich geregelt, die Zollschranken zwischen den Kantonen, die Brücken- und Wegegelder beseitigt, ein eidgenössisches Polytechnikum in Zürich gegründet, großartige Straßen- und Wasserbauten durch Bundesunterstützung[196] ermöglicht u. a. m.; der Bau der Eisenbahnen blieb nach heftigen Kämpfen der Privattätigkeit überlassen. Auch die Beziehungen zum Ausland gestalteten sich freundlich, zumal die neuen Bundesbehörden den guten Willen und auch die nötige Kraft bewiesen, die 1848 und 1849 zahlreich in die S. hereingeströmten deutschen, italienischen und französischen Flüchtlinge von völkerrechtswidrigen Umtrieben abzuhalten, bez. sie auswiesen, wenn sie sich solche erlaubten. Nur wegen Neuenburgs (s. d.) kam es zu einem Konflikt mit Preußen, indem die Royalisten in diesem Kanton, in dem ein Aufstand der Republikaner 1. März 1848 der Herrschaft des preußischen Königs ein Ende gemacht hatte, 3. Sept. 1856 eine Erhebung versuchten, die jedoch scheiterte und mit der Gefangennahme von 530 Royalisten endete. Preußen verlangte ihre sofortige Freilassung und traf, als sie verweigert wurde, kriegerische Anstalten. Indes vermittelte Napoleon III. einen Vergleich dahin, daß der Bundesrat die Royalisten freiließ, der König aber auf Neuenburg verzichtete (26. Mai 1857). Als Sardinien 1860 Savoyen an Frankreich abtrat, erhob die S. erfolglose Ansprüche auf Nordsavoyen, das vom Wiener Kongreß in ihrer Neutralität eingeschlossen worden war, doch wurde die Neutralität desselben von Frankreich anerkannt. 1869 wurde die wichtige Frage eines Alpendurchstichs zugunsten des St. Gotthard entschieden, und Italien und Deutschland verpflichteten sich zu ansehnlichen Subventionen (s. Sankt Gotthard).

Im deutsch-französischen Krieg von 1870 stellte die S. zum Schutz der Neutralität bedeutende Truppenmassen unter General Herzog an die Grenze. Als die flüchtige französische Ostarmee nach ihrer Niederlage bei Belfort 1. Febr. 1871, 83,000 Mann stark, auf Schweizer Boden übertrat, wurde sie entwaffnet und in der S. interniert. Am 9. März 1871 kam es in Zürich zu einem Pöbelexzeß gegen die Deutschen, die ein Siegesfest feierten. Unruhen bei der Verhaftung der Tumultuanten hatten die eidgenössische Besetzung der Stadt und die Einsetzung eidgenössischer Assisen zur Aburteilung der Schuldigen zur Folge. Inzwischen hatten die Parteikämpfe im Innern nie geruht; doch bewegten sie sich mit wenig Ausnahmen stets in gesetzlichen Schranken. Eine Folge derselben war, daß nach dem Vorgang Zürichs (1869) fast alle Kantone ihre Repräsentativverfassungen durch Einführung des Referendums (der Volksabstimmung über Gesetze und finanziell wichtige Beschlüsse) und der Initiative (des Rechtes einer bestimmten Anzahl Bürger, ein Gesetz vorzuschlagen, bez. es der Volksabstimmung zu unterbreiten) der reinen Demokratie, wie sie in den Landsgemeindekantonen seit alters bestand, annäherten. Auch die Bundesverfassung erschien einer Revision im Sinne stärkerer Zentralisation dringend bedürftig. Nachdem ein erster Versuch 1866 gescheitert war, schuf die Bundesversammlnng 1872 einen Verfassungsentwurf, der die Gesetzgebung über Zivil- und Strafrecht, Ehesachen, Eisenbahn-, Versicherungs-, Bank- und Fabrikwesen dem Bunde zuwies, das gesamte Militärwesen in seine Hand legte, Todes- und Körperstrafen verbot, völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit garantierte, den Elementarschulunterricht für obligatorisch und unentgeltlich erklärte und auch für den Bund das fakultative Referendum einführte. Der Entwurf wurde aber, weil außer den Klerikal-Konservativen die Welschschweizer aller Parteien dagegen waren, 12. Mai 1872 mit 261,096 gegen 255,585 Stimmen und von 13 gegen 9 Kantone verworfen. Die Bundesversammlung gestaltete den Entwurf nun in dem Sinne um, daß das Heerwesen noch zum Teil den Kantonen überlassen blieb, und daß dem Bunde nur die Gesetzgebung über gewisse Zivilrechtsmaterien, als Obligationen-, Handels- und Wechselrecht, Konkursrecht etc., eingeräumt wurde. Dagegen wurde die Errichtung von Bistümern von der Genehmigung des Bundes abhängig gemacht und die Errichtung neuer Klöster verboten. Diese Verfassung wurde 19. April 1874 mit 340,199 gegen 198,013 Stimmen und von 141/2 gegen 71/2 Kantone angenommen und 29. Mai 1874 als gültig verkündet.

Die Bestimmungen der neuen Verfassung über die kirchlichen Verhältnisse waren eine Folge des Kulturkampfes, der auch in der S. entbrannt war. Der Bischof Lachat von Basel verkündete trotz des Verbots der am Bistum beteiligten Kantone Solothurn, Luzern, Zug, Bern, Aargau, Thurgau und Baselland das Unfehlbarkeitsdogma, entsetzte und exkommunizierte die das Dogma nicht anerkennenden Pfarrer und wies die Aufforderung, diese Entsetzungen zurückzunehmen, schroff ab. Deshalb sprachen die Kantone (außer Zug und Luzern) 29. Jan. 1873 die Amtserledigung des Bistums aus und schritten, da das Domkapitel sich weigerte, einen Bistumsverweser zu ernennen, 21. Dez. 1874 zur Aufhebung des Bistums und zur Liquidation seines Vermögens; Lachak verlegte seinen Sitz von Solothurn nach Luzern. Ein andrer Konflikt brach in Genf aus, wo die Kurie den Versuch machte, gegen den Willen der Kantons- und Bundesregierung ein eignes Bistum zu errichten, und den Stadtpfarrer Mermillod (s. Genf, S. 564, und Mermillod) zum apostolischen Vikar ernannte (16. Jan. 1873), worauf der Bundesrat dessen Ausweisung verfügte (17. Febr.). Weil der Papst 21. Nov. in einer Enzyklika das Vorgehen der Schweizer Behörden als »schmachvoll« bezeichnete, brach der Bundesrat alle Beziehungen mit der Kurie ab und stellte dem in Luzern residierenden Nunzius seine Pässe zu. Da die römischen Katholiken sich weigerten, den neuen Kirchengesetzen, die anläßlich dieser Konflikte in Bern und Genf erlassen wurden, zu gehorchen, verloren sie in diesen Kantonen die landeskirchlichen Privilegien, die nun auf die christ- (alt-) katholischen Gemeinden übergingen, deren sich in Solothurn, Aargau, Zürich, Basel, Bern und Genf eine ganze Anzahl bildete; diese gaben sich auf einer Nationalsynode in Olten 7. Juni 1876 eine Kirchenverfassung und einen Bischof. Die Festigkeit, womit die Schweizer Behörden auf ihrem Standpunkt beharrten, bewog schließlich die Kurie zum Einlenken. Der Klerus erklärte 1878, sich den bestehenden Kirchengesetzen fügen zu wollen, die römische Kurie verzichtete auf ihren Plan, ein Bistum in der Stadt Calvins zu errichten, und bot 1884 die Hand zur Wiederherstellung des Bistums Basel, indem durch die Abdankung Lachats die Neuwahl eines von den meisten Diözesanständen anerkannten Bischofs ermöglicht wurde. Lachat wurde zum apostolischen Administrator des Kantons Tessin ernannt, der bei diesem Anlaß von den Bistümern Como und Mailand definitiv getrennt und 1888 formell mit dem Bistum Basel vereinigt wurde.

Der Ausbau der Gesetzgebung, den die neue Verfassung forderte, wurde inzwischen rüstig fortgesetzt. 1874 wurde ein ständiges Bundesgericht in Lausanne errichtet, das Heerwesen durch eine neue Militärorganisation vom 13. Nov. 1874 umgestaltet, durch ein Zivilstandsgesetz 1875 die obligatorische [197] Zivilehe eingeführt, 1877 durch ein Fabrikgesetz, das einen Normalarbeitstag von 11 Stunden aufstellte, und ein Haftpflichtgesetz ein entschiedener Schritt in der Arbeiterschutzgesetzgebung getan, 1880 ein schweizerisches Obligationen-, Handels- und Wechselrecht geschaffen, die Aussicht über die Eisenbahnen verschärft, 1891 ein schweizerisches Landesmuseum für historische Altertümer mit dem Sitz in Zürich, 1894 eine schweizerische Landesbibliothek in Bern gegründet u. a. m. Ihre Wehrkraft suchte die S. durch Anlage von Befestigungen am Gotthard und bei St.-Maurice zu erhöhen. Die gebieterische Notwendigkeit, die Kompetenzen des Bundes auf den verschiedensten Gebieten zu erweitern, führte auch zu einer allmählichen Umgestaltung der Bundesverfassung von 1874 durch wiederholte Partialrevisionen. Nachdem 18. Mai 1879 die Wiedereinführung der Todesstrafe für gemeine Verbrechen den Kantonen freigegeben worden war, folgte 25. Okt. 1885 die Einführung des Alkoholmonopols, dessen Einkünfte jedoch vom Bund an die Kantone auszuteilen sind. Durch Volksabstimmung vom 10. Juli 1887 wurde der Erfindungsschutz eingeführt, durch diejenige vom 26. Okt. 1890 dem Bunde das Recht eingeräumt, die staatliche Kranken- und Unfallversicherung einzurichten. Eine fünfte Partialrevision vom 5. Juli 1891 ermöglichte die Abänderung einzelner Artikel der Verfassung durch Volksinitiative, eine sechste vom 18. Okt. 1891 gab dem Bunde das Banknotenmonopol. Infolge einer Volksinitiative wurde 20. Aug. 1893 ein Schächtverbot in die Bundesverfassung aufgenommen, dagegen 1894 das von den Sozialisten geforderte »Recht auf Arbeit« sowie eine von föderalistisch-ultramontaner Seite ins Werk gesetzte Initiative, die eine Teilung der Zolleinnahmen zwischen Bund und Kantonen bezweckte, verworfen, 1895 freilich auch die von den Bundesbehörden beantragte vollständige Zentralisation des Heerwesens. Durch zwei Partialrevisionen vom 11. Juli 1897 wurde dem Bunde die Oberaufsicht über Forst- und Wasserpolizei im ganzen Lande sowie die Gesetzgebung über Lebensmittelpolizei eingeräumt. Einen Markstein in der innern Entwickelung des Bundesstaates bildet das Jahr 1898, indem 20. Febr. ein Gesetz, betreffend Verstaatlichung der Eisenbahnen durch den Bund, und 13. Nov. eine Partialrevision, welche dieGesetzgebung über das gesamte Zivil- und Strafrecht in die Hand des Bundes legte, vom Volke mit großer Mehrheit angenommen wurde. Infolgedessen ging seit Neujahr 1901 der größte Teil des schweizerischen Eisenbahnnetzes durch Kauf in das Eigentum des Bundes über. Dagegen wurde ein sorgfältig vorbereitetes, von der Bundesversammlung fast einstimmig angenommenes Gesetz, das die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung zur Tat machen sollte, 20. Mai 1900 in der Volksabstimmung verworfen. Dasselbe Schicksal hatte eine von den Sozialisten und Ultramontanen ins Werk gesetzte Doppelinitiative, welche die Wahl des Bundesrates durch das Volk und die Proportionalwahl des Nationalrates in den großern Kantonen vorschlug, während eine Partialrevision vom 23. Nov. 1902, die den Bund zur finanziellen Unterstützung der Volksschule ermächtigte, und eine solche vom 19. März 1905, die den Erfindungsschutz auf die Chemie ausdehnte, sowie ein neuer Zolltarif vom 15. März 1903, der mit seinen erhöhten Ansätzen ein wirtschaftliches Kampfmittel gegen das Ausland bilden sollte, beim Souverän Gnade fanden. Nachdem 1897 das Projekt einer reinen Bundesstaatsbank an der Volksabstimmung gescheitert war, wurde durch Gesetz vom 6. Okt. 1905 eine mit dem Notenmonopol ausgestattete, unter dem Einfluß des Bundes stehende »schweizerische Nationalbank« mit dem Doppelsitz in Bern und Zürich geschaffen, deren Kapital teils durch die Kantone, teils durch die bisherigen Notenbanken, teils durch private Aktienzeichnung aufgebracht wurde. So erwies sich die S. trotz ihrer stark entwickelten demokratischen Einrichtungen, von einzelnen Rückschlägen abgesehen, im ganzen als fähig, die von der Zeit geforderten Fortschritte zu realisieren. Nach außen erlitten die Beziehungen der S. einige Störungen wegen der zahlreichen Sozialisten, die infolge des deutschen Sozialistengesetzes Zuflucht in der S. suchten und hier durch bestochene Mitglieder der Sozialdemokratie von der deutschen Regierung überwacht wurden. Die Ungeschicklichkeit des Mülhauser Polizeiinspektors Wohlgemuth, der einen seiner Spione in Basel brieflich aufforderte, »lustig drauflos zu wühlen«, und deshalb beim Betreten des Schweizer Bodens verhaftet und vom Bundesrat ausgewiesen wurde, verursachte 1889 einen Konflikt zwischen der S. und dem Deutschen Reich. Als die S. wegen des Verfahrens gegen Wohlgemuth eine Genugtuung ablehnte, stellte die deutsche Regierung in ihren Noten zuerst die schweizerische Neutralität in Frage; dann versuchte sie eine Auslegung des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages, die das Asylrecht der S. in bezug auf deutsche Flüchtlinge ausgeschlossen, mithin ihre staatliche Souveränität verletzt haben würde, und kündigte, da die S. diese Auslegung nicht zugab, den Vertrag. Die dadurch eingetretene Spannung machte indes bald wieder dem alten freundschaftlichen Verhältnis Platz, was 1890 in der Erneuerung des gekündigten Niederlassungsvertrags seinen Ausdruck fand. 1902 veranlaßte der italienische Gesandte Silvestrelli, der den Bundesrat nötigen wollte, gegen das Genfer Anarchistenblatt »Risveglio« wegen Beschimpfung des Königs Umberto gerichtliche Verfolgung anzuheben, ohne ein bestimmtes Verlangen der italienischen Regierung und ohne Zusicherung des Gegenrechts, wie die schweizerische Gesetzgebung es in solchen Fallen forderte, einen Konflikt, der am 10. April zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten führte, aber durch die guten Dienste der deutschen Regierung in kurzem friedlich beigelegt wurde. Anderseits bewies die am 10. Sept. 1898 in Genf erfolgte Ermordung der Kaiserin Elisabeth von Österreich durch den italienischen Anarchisten Luccheni die Gefährlichkeit dieser Sekte, so daß der Bundesrat die Zügel der Fremdenpolizei straffer anzog als früher und die fremden Anarchisten, die sich durch ihre Umtriebe bemerklich machten, unnachsichtlich auswies. Ein Gesetz vom 30. März 1906, das Aufreizung zu anarchistischen Verbrechen und Verherrlichung derselben mit Strafe bedrohte und gegen das die Sozialisten vergeblich das Referendum anriefen, gewährte dem Bundesrat die Handhabe, auch gegen die ein heimischen Anarchisten einzuschreiten. Die geachtete Stellung, die das neutrale Land in der europäischen Staatenfamilie einnimmt, zeigt sich darin, daß dem Schweizer Bundesrat die Leitung und Überwachung einer Reihe zum Teil auf seine Initiative hin ins Leben gerufener internationaler Einrichtungen anvertraut wurde, so der Genfer Konvention (1864), des Weltpostvereins (1878), des internationalen Telegraphenvereins (1875), des Vereins zum Schutz des gewerblichen (1883) und künstlerischen Eigentums (1886), der internationalen Übereinkunft[198] über Eisenbahnfrachtrecht (1890). 1889 lud der Bundesrat die europäischen Industriestaaten zu einer Konferenz nach Bern zur Anbahnung einer internationalen Arbeiterschutzgesetzgebung ein, zog aber, als Kaiser Wilhelm II. im Februar 1890 eine ähnliche Aufforderung an die Mächte zu einer Konferenz nach Berlin ergehen ließ, seine Einladungen zurück. Erst 1904 erneuerte er diese, und die Entwürfe der im Mai 1905 auf Anregung der S. in Bern zusammengetretenen internationalen Konferenz, die bereits von einer Anzahl der beteiligten Staaten sanktioniert worden sind, bilden vielverheißende Anfänge eines international geregelten Arbeiterschutzes. Ein großartiges Friedenswerk, das die S. im Einverständnis mit Italien, aber aus eigner Kraft durchgeführt hat, ist die Durchbohrung des Simplon, die, 1898 von der Jura-Simplon-Bahngesellschaft mit Unterstützung der Kantone und des Bundes begonnen, seit der Verstaatlichung auf Rechnung der Bundesbahnen fortgesetzt, 1906 vollendet wurde.

[Geschichtsliteratur.] Die Schweizergeschichte von Johannes v. Müller (s. d. 8) und dessen Fortsetzern Glutz, Hottinger, Vulliemin, Monnard ist veraltet. Neuere Darstellungen sind: Henne am Rhyn, Geschichte des Schweizervolkes (3. Aufl., Leipz. 1878, 3 Bde.); Daguet, Histoire de la Confédération Suisse (7. Aufl., Genf 1879–80, 2 Bde.); Strickler, Lehrbuch der Schweizergeschichte (2. Aufl., Zürich 1874); Dändliker, Geschichte der S. (3 Bde. in 4. und 3. Aufl., das. 1901–04; Register von Wettstein, das. 1904); Dierauer, Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft (Gotha 1887–1907, 3 Bde.); van Muyden, Histoire de la Nation Suisse (Lausanne 1896–1900, 3 Bde.); Hürbin, Handbuch der Schweizergeschichte (Stans 1899–1904, 2 Bde.).

Für einzelne Perioden und Verhältnisse vgl. Heierli, Urgeschichte der S. (Zürich 1901); Kopp, Geschichte der eidgenössischen Bünde (Luzern etc. 1845–82, 5 Bde.); Oechsli, Die Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft (Zürich 1891); W. Vischer, Die Sage von der Befreiung der Waldstätte (Leipz. 1867); v. Rodt, Die Kriege Karls des Kühnen (Schaffh. 1844–45, 2 Bde.); Kohler, Les Suisses dans les guerres d'Italie 1506–1512 (Genf 1896); Gisi, Der Anteil der Eidgenossen an der europäischen Politik in den Jahren 1512–1516 (Schaffh. 1872); Escher, Die Glaubensparteien in der Eidgenossenschaft 1527 bis 1531 (Frauens. 1882); J. G. Mayer, Das Konzil von Trient und die Gegenreformation in der Schweiz (Stans 1901–03, 2 Bde.); Strickler, Die alte S. und die helvetische Revolution (Frauens. 1899) und Die helvetische Revolution 1798 (das. 1893); Oechsli, Geschichte der S. im 19. Jahrhundert (Bd. 1, Leipz. 1903); de Cérenville, Le système Continental et la Suisse 1803–1813 (Lausanne 1906); v. Tillier, Geschichte der Eidgenossenschaft 1803–1813 (Zürich 1845–46, 2 Bde.), von 1814–1830 (das. 1848–50, 3 Bde.) und von 1830–1848 (Bern 1854–55, 3 Bde.); v. Muyden, La Suisse sous le pacte de 1815 (Lausanne 1890–92, 2 Bde); Feddersen, Geschichte der schweizerischen Regeneration 1830–1848 (Zürich 1866); Curti, Geschichte der S. im 19. Jahrhundert (Neuenb. 1902); Schweizer, Geschichte der schweizerischen Neutralität (Frauens. 1893–95, 3 Tle.); Rott, Histoire de la représentation diplomatique de la France auprès des Cantons Suisses (Bern 1900–06, 3 Bde.); Bluntschli, Geschichte des schweizerischen Bundesrechts (2. Aufl., Zürich 1875); J. Meyer, Geschichte des schweizerischen Bundesrechts (Winterth. 1874–78, 2 Bde.); Schollenberger, Geschichte der schweizerischen Politik (Frauens. 1905 ff.); Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien (St. Gallen 1850–59, 3 Bde.); Curti, Geschichte der schweizerischen Volksgesetzgebung (2. Aufl., Zürich 1885); Huber, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts (Basel 1886–93, 4 Bde.); Gareis und Zorn, Staat und Kirche in der S. (Zürich 1877 bis 1878, 2 Bde.); Egli, Kirchengeschichte der S. bis auf Karl d. Gr. (das. 1893); Blösch, Geschichte der schweizerisch-reformierten Kirchen (Bern 1898–1899, 2 Bde.); Hadorn, Kirchengeschichte der reformierten S. (Zürich 1906); Frey, Die Kriegstaten der Schweizer (Neuenb. 1905); »Kriegsgeschichtliche Studien« (hrsg. vom eidgen. Generalstabsbureau, Bern 1894 ff.); Maag, Geschichte der Schweizertruppen im Kriege Napoleons I. in Spanien und Portugal (Biel 1893, 2 Bde.), Die Schicksale der Schweizerregimenter in Napoleons I. Feldzug nach Rußland (3. Aufl., das. 1900) und Geschichte der Schweizertruppen in französischen Diensten 1813–1830 (das. 1895–99, 2 Bde.); Bulliéty, La Suisse à travers les âges (Basel-Genf 1902); Wolf, Biographien zur Kulturgeschichte der S. (Zürich 1858–62, 4 Bde.); Rahn, Geschichte der bildenden Künste in der S. (Bd. 1, das. 1876); »Schweizerisches Künstler-Lexikon« (hrsg. von Brun, Frauens. 1905 ff.); Bächtold, Geschichte der deutschen Literatur in der S. (das. 1887); Godet, Histoire littéraire de la Suisse française (2. Aufl., Neuenb. 1895); Rossel, Histoire littéraire de la Suisse romande (Genf 1889 bis 1891, 2 Bde.; illustrierte Ausgabe, Neuenb. 1903; s. Artikel »Französische Literatur in der Schweiz«, im 7. Bd.); Hunziker, Geschichte der schweizerischen Volksschule (2. Aufl., Zürich 1887, 3 Bde.); Peyer, Geschichte des Reisens in der S. (Basel 1885); v. Wyß, Geschichte der Historiographie in der S. (Zürich 1895); Haller, Bibliothek der Schweizergeschichte (Bern 1785–88, 7 Bde.); Brandstetter, Schweizer geschichtliches Repertorium für 1812 bis 1890 (Basel 1892; fortgesetzt von Barkh bis 1900, das. 1906).

Von Sammel- und Quellenwerken sind zu erwähnen: Oechsli, Quellenbuch zur Schweizergeschichte (1. Bd., 2. Aufl., Zürich 1901; 2. Bd., das. 1893); »Archiv für Schweizergeschichte« (das. 1843–76, 20 Bde.), Fortsetzung als »Jahrbuch« (das. 1877 ff.); »Quellen zur Schweizer Geschichte« (Basel 1877 ff.); »Anzeiger für schweizerische Geschichte und Altertumskunde« (das. 1855–68) und der »Anzeiger für schweizerische Geschichte« (Soloth. 1870 ff.), die Organe der Allgemeinen geschichtsforschenden Gesellschaft der S.; »Anzeiger für schweizerische Altertumskunde« (Zürich 1869 ff.); »Schweizerisches Archiv für Heraldik« (mit Beilage »Genealogisches Handbuch der S.«, Neuenburg-Zürich 1887 ff.); »Revue Suisse de Numismatique« (Genf 1891 ff.); »Der Geschichtsfreund« (Einsiedeln-Stans 1843 ff.); »Mitteilungen der Antiqua rischen Gesellschaft in Zürich« (Zürich 1837 ff.);-Beiträge zur vaterländischen Geschichte- (hrsg. von der Historischen Gesellschaft in Basel, 1839 ff.); »Zeitschrift für schweizerisches Recht« (Basel 1852 ff.); Hidber, Schweizerisches Urkundenregister (Bern 1863–77, 2 Bde.); Kaiser, Amtliche Sammlung der ältern eidgenössischen Abschiede 1245 bis 1798 (1856–86, 8 Bde. in 17 Abteilgn.) und der neuern Abschiede 1803–1848 (das. 1876–86, 3 Bde.); Strickler, Amtliche Sammlung der Akten der Helvetischen Republik (das. 1886–1905, 10 Bde.) und Aktensammlung[199] zur schweizerischen Reformationsgeschichte (Zürich 1878–84, 5 Bde.); Thommen, Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven (Basel 1899–1900, 2 Bde.); »Archiv für schweizerische Reformationsgeschichte« (Soloth. 1868 ff.); »Quellen zur schweizerischen Reformationsgeschichte« (hrsg. von Egli, Basel 1901 ff.); »Mémoires et Documens« (hrsg. von der Geschichtsforschenden Gesellschaft der romanischen S., Lausanne 1838 ff.); »Sammlung schweizerischer Rechtsquellen« (Aarau 1898 ff.); Hilty, Politisches Jahrbuch der schweizerischen Eidgenossenschaft (Bern 1886 ff.). Einen »Historisch-geographischen Atlas der S.« bearbeiteten Vögelin, G. Meyer v. Knonau und G. v. Wyß (Zürich 1846–69), eine historische Wandkarte der S. Oechsli und Baldamus (2. Aufl., Bern 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 182-200.
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