Schwyz [1]

[222] Schwyz, einer der drei schweizer. Urkantone und der vier Waldstätte, grenzt östlich an den Kanton Glarus, südlich an Uri und (durch den Vierwaldstätter See) an Unterwalden, westlich an Luzern und Zug, nördlich an Zürich und St. Gallen und hat ein Areal von 908,26 qkm.

Wappen des Kantons Schwyz.
Wappen des Kantons Schwyz.

Er gehört zum Voralpenland und zerfällt in zwei Hauptgebiete. Das Außer-S. wird durch die Wäggitaler Aa und die Sihl nach N. zum Zürichsee entwässert und zerfällt in den Bezirk Einsiedeln (s. d.) und die milden, obstreichen Gelände der March (s. d.) und Höfe im Seegebiet. Inner-S. oder das alte Land umfaßt den größten Teil der Schwyzer Alpen (Rigi, Mythen, Fronalp, s. d.) mit dem herrlichen Talkessel von Schwyz-Brunnen, dem Muotatal, dem Trockental Seewen-Arth; dazu kommen Gersau und Küßnacht am Vierwaldstätter See. Ausgänge sind die einst durch Mauerwerke abgesperrten Einschnitte bei Rothenthurm, Morgarten und Arth; nach Einsiedeln führt ein Fußpfad über den Haken (1393 m) und ins Glarner Land ein etwas verbesserter Übergang vom Muotatal ins Klöntal über den Pragel (1543 m), über den eine Fahrstraße projektiert ist. Das Klima ist im allgemeinen dasjenige des Schweizer Voralpenlandes, milder in den liefen Flußtälern und an den Seeufern, wo z. B. Gersau im Jahresmittel 9,3° erreicht, rauh in den höhern Berggemeinden, wie in Iberg (1126 m) und noch in Einsiedeln (5,5° Jahresmittel). Die Bevölkerung, (1900) 55,451 Köpfe stark, ein echt alemannischer Schlag, lebhaft und sehr bildungsfähig, ist durchaus katholisch (nur 1836 Protestanten) und der Diözese Chur zugeteilt; außer dem berühmten Benediktinerstift Einsiedeln gibt es noch 2 Kapuziner- und 4 Frauenklöster mit über 600 Ordensmitgliedern. Von der Bodenfläche sind 491,6 qkm Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland und 168,2 qkm Wald. Entsprechend der voralpinen Natur des Landes, bildet die Viehzucht, vornehmlich die eines trefflichen und zahlreichen Rinderschlags (Braunvieh), den Haupterwerb durch Sennerei und Viehausfuhr. S. hatte 1901: 1304 Pferde, 32,586 Rinder, 9512 Schweine, 4846 Schafe, 7885 Ziegen und 4960 Bienenstöcke. Das Stift Einsiedeln unterhält ein Gestüt zur Reinhaltung der Pferderasse. Starke Schweinezucht findet in der March statt. Zürich ist der Fruchtmarkt des Landes. Die March pflanzt viel Hanf und Ziegerkraut und setzt letzteres an die Glarner ab. Nur in Außer-S. treibt man etwas Weinbau. Die March ist ein wahrer Obstwald (auch in Kernobst), der bis weit an die Berge hinanreicht; der innerschwyzerische Talarm von S. bis Küßnacht ist ein Hauptproduzent von Kirschwasser. Die Waldungen ermöglichen starke Ausfuhr von Nadel- und Laubholz. 1903/04 wurden 2,27 Mill. Fischeier in drei Fischzuchtanstalten eingesetzt und 1,27 Mill. Fische in die Gewässer ausgesetzt. In den Hosen, het Bäch und Freienbach, gibt es treffliche Sandsteine, die nach Zürich eine Wasserstraße haben. Ergiebige Torfmoore finden sich um Einsiedeln und Rothenthurm. Die Industrie beschäftigt 35 Proz. der Einwohner. Baumwollspinnereien und -Webereien, fast sämtlich im Besitz von Züricher Fabrikanten, arbeiten in der March und den Höfen, weniger in den Bezirken Einsiedeln und Schwyz. Ebenfalls von Zürich aus hat sich die Seidenweberei bis in die einsamsten Tal- und Bergdörfer verbreitet. Örtlich bedeutsam ist die Einsiedler Industrie (s. Einsiedeln). Einen wichtigen Erwerbszweig bringt der allsommerliche Touristenzug, hauptsächlich zum Rigi (s. d.), von dessen Hotels Kulm, Staffel und Klösterli sowie Scheideck auf schwyzerischem Boden liegen. 1875 wurde die rechtsuferige Zürichseebahn, 1877 die Bahn Wädenswil-Einsiedeln eröffnet; in Arth (richtiger Goldau) vereinigen sich zwei Zufahrtslinien zum St. Gotthard, um durch das Tal von Schwyz an den Vierwaldstätter See zu gelangen. Der Kanton besitzt zwei Mittelschulen (Gymnasien und Lyzeen) in Schwyz und Einsiedeln. Das Lehrerseminar in Rickenbach sowie die auf luzernischem Boden befindliche Rettungsanstalt Sonnenberg sind wesentlich unter Mitwirkung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft entstanden. Ein Lehrerinnenseminar besteht unter den Theodosianischen Lehr schwestern in Ingenbohl. – S., einer der althergebrachten Landsgemeindekantone, hat nach dem Sonderbundskrieg (1848) die reine Demokratie mit dem Repräsentativsystem vertauscht, ist aber mit der neuen Verfassung von 1876 zum Referendum übergegangen. Die Legislative ist einem Kantonsrat übertragen, der auf vier Jahre vom Volke gewählt wird, je ein Mitglied auf 600 Seelen. Die Exekutive übt der vom Kantonsrat und zwar aus seiner Mitte auf vier Jahre ernannte Regierungsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht, und in dem der Landammann den Vorsitz führt. Die oberste richterliche Instanz bildet das bezirksweise auf sechs Jahre gewählte Kantonsgericht von neun Mitgliedern. Ende 1906 ergab die Staatsrechnung an Aktiva 1,761,176 Fr., an Passiva 2,925,882 Fr., mithin einen Passivsaldo von 1,164,706 Fr.; dazu kommen aber noch elf Spezialfonds im Betrage von 568,640 Fr. Vermögen. Die Staatseinnahmen[222] betrugen 611,536 Fr., die Ausgaben 574,682 Fr.

Geschichte. Das alte S. das 972 zum erstenmal erwähnt wird, erscheint von Anfang an als eine Markgenossenschaft meist freier Bauern mit einheimischen Ammännern an der Spitze; doch waren die Habsburger als Grafen vom Zürichgau, zu dem es gehörte, seine Gerichtsherren. Im Dezember 1240 erhielt es von Friedrich II. zu Faenza einen Freiheitsbrief, der es der Gerichtshoheit der Habsburger entzog; allein diese erkannten denselben nicht an, und nach langer Fehde mußte S. unter ihre Botmäßigkeit zurückkehren. Nachdem es 1291 das ewige Bündnis mit Uri und Unterwalden geschlossen, erlangte es 1309 von Heinrich VIII. die rechtskräftige Bestätigung seiner Reichsfreiheit und sicherte diese durch den glorreichen Sieg am Morgarten 15. Nov. 1315. Die zähe Energie und der wilde Heldenmut, den die Schwyzer bei jeder Gelegenheit an den Tag legten, gab ihnen eine Art Hegemonie in der Urschweiz, so daß ihr Name von den Fremden bald auf die gesamten Waldstätte und seit dem Sempacher Krieg auf die ganze Eidgenossenschaft angewendet wurde. Teils durch Eroberung, teils durch Kauf brachte S. die Hoheit über Einsiedeln, die March, die Höfe am obern Zürichsee und Küßnacht on sich. Der Reformation wehrte es den Eingang mit Feuer und Schwert. Der helvetischen Einheitsrepublik von 1798 fügte es sich erst, als es nach den heldenmütigen Kämpfen an der Schindellegi und am Morgarten (2. Mai) die Nutzlosigkeit fernern Widerstandes erkannte, und ward hierauf dem Kanton Waldstätten einverleibt, blieb aber unter der Führung Aloys Redings der Herd des Föderalismus. Die Mediationsakte stellte 1803 die kantonale Selbständigkeit von S. wieder her, indem seine ehemaligen Untertanengebiete sowie Gersau, das 1332–1798 ein unabhängiger Freistaat gewesen war, mit ihm auf dem Fuße der Gleichheit vereinigt wurden. Bei der Reaktion von 1814 zwang Altschwyz die ihm an Volkszahl überlegenen äußern Bezirke zu einem Vergleich, wonach es 2/3, diese aber nur 1/3 des Landrats zu bestellen hatten. 1830 verlangten die äußern Bezirke die Wiederherstellung der Rechtsgleichheit und konstituierten sich, da Altschwyz sich weigerte, als selbständiger Halbkanton »S. äußeres Land« (im Mai 1832). Als hierauf S. die abgefallenen Landschaften mit Waffengewalt zu unterwerfen Miene machte (31. Juli 1833), wurde es von der Tagsatzung militärisch besetzt, bis eine neue Verfassung (13. Okt.) die beiden Landesteile auf dem Fuße der Rechtsgleichheit wieder vereinte. Auch in der Folge blieb S. der klerikalen Politik treu und bewies sich als eifriges Glied des Sonderbundes. Durch die Verfassungsrevisionen von 1848 und 1855 trat S. aus der Reihe der Landsgemeindekantone in die der Repräsentativdemokratien über. Die Verfassung vom 11. Juni 1876 führte das obligatorische Referendum ein. Eine Partialrevision vom 23. Okt. 1898 stellte die Klöster unter die Garantie des Kantons, beseitigte die Staatsaufsicht über sie sowie die Beschränkungen des Erwerbs zu Toter Hand und führte die Proportionalwahl (s. d.) ein. Vgl. Meyer v. Knonau, Der Kanton S., historisch, geographisch und statistisch (St. Gallen 1835); Faßbind, Geschichte des Kantons S. bis 1798 (Schwyz 1832–39, 5 Bde); Steinauer, Geschichte des Freistaats S. (von 1798 an, Einsiedeln 1861, 2 Bde.); »Mitteilungen des historischen Vereins des Kantons S.« (das. 1882 ff.); Kothing, Das Landbuch von S. (Zür. 1850); Strüby, Die Alpwirtschaft des Kantons S. (Solothurn 1899); Schnüriger, Die Schwyzer Landsgemeinde (Bern 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 222-223.
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