Maulwurf

[460] Maulwurf (Mull, Talpa L.), Säugetiergattung der Insektenfresser aus der Familie der Maulwürfe (Talpidae), gedrungen gebaute Tiere mit walzenförmigem Körper ohne abgesetzten Hals, kleinem Kopf ohne sichtbare Ohren, mit rüsselartiger Schnauze, verkürzten Beinen, verhältnismäßig sehr großen, breiten Grabfüßen an den Vorderbeinen und kurzhaarigem, seidenartigem Pelz; sie leben unterirdisch und graben vortrefflich; man findet sie in Wiesen, Feldern, Gärten und Wäldern, wo sie sich meist nur in ihren Gängen schnell und sicher fortbewegen; im Notfall schwimmen sie vortrefflich.

Bau des Maulwurfs.
Bau des Maulwurfs.

Geruch und Gehör sind gut ausgebildet, um so schlechter das Gesicht; die Augen sind sehr klein und können durch besondere Muskeln hervorgetrieben oder so stark zurückgezogen werden, daß sie im Pelz völlig verschwinden. Die Maulwürfe zeigen sich unverträglich, bissig und höchst mordlustig. Sie nähren sich von Kerbtieren, Würmern, Asseln, Krustentieren, fressen aber auch kleine Säugetiere, Vögel, Frösche und Schnecken und sind sehr gefräßig. Der gemeine M. (Mullwurf, d. h. Staubwerfer, Talpa europaea L., s. Tafel »Insektenfresser II«, Fig. 2) ist 15 cm lang, mit 2,5 cm langem Schwanz, 5 cm hoch, schwarz, an den nackten Pfoten, Fußsohlen, der Rüsselspitze und dem Schwanzende fleischfarben. Die Augen sind schwarz und etwa von der Größe eines Mohnkörnchens. Der M. findet sich in ganz Mitteleuropa, in Asien bis zum Amur und südlich bis zum Kaukasus, fehlt in Irland, Nordschottland, Mittel- und Süditalien und Griechenland. Er gräbt gewöhnlich an einer von außen schwer zugänglichen Stelle, unter Baumwurzeln, einer Mauer etc., 50–60 cm unter der Erdoberfläche eine Wohnung (s. Abbildung), die mit Laub, Moos etc. gepolstert wird und durch ein eigentümliches System von zwei kreisförmigen konzentrisch und mehreren radial verlaufenden Röhren mit der oft 30–50 m langen Laufröhre, deren Wände von auffallender Festigkeit sind, in Verbindung steht. Er läuft auf der Oberfläche, besonders aber in seinen unterirdischen Gängen mit großer Behendigkeit und gräbt mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Täglich dreimal geht er in sein weit entferntes Jagdgebiet, um hier wühlend Insekten und deren Larven, besonders Engerlinge, Drahtwürmer, Erdraupen, Maulwurfsgrillen, Schnecken, auch Regenwürmer etc., zu erbeuten. In den Sommermonaten kommt er nachts, selten bei Tag auf die Erdoberfläche, wo er auf Schnecken, Frösche, Blindschleichen, Mäuse und kleine Vögel Jagd macht. Im Verhältnis zu seiner Größe ist er ein furchtbares Raubtier, er verzehrt täglich das 1 1/2fache seines Lebendgewichtes; dabei ist er wild, blutdürstig, grausam. Er lebt einsiedlerisch, und wenn er auf einen andern M. stößt, so kämpfen beide, bis der eine unterliegt, der dann vom Sieger gefressen wird. Der M. hält keinen Winterschlaf, senkt aber im Winter seine Gänge bis in frostfreie Tiefen, wo Insekten und Würmer Schutz suchen; er erbeutet dann von den froststarren Tieren mehr, als er fressen kann, und legt von diesen Vorräte an, wobei er sie so verstümmelt, daß sie nicht mehr graben können. Das Weibchen wirft nach vierwöchiger Tragzeit 3–5 Junge, die rasch heranwachsen und von der Mutter sehr sorgfältig behandelt werden. Als Kerbtiervertilger sehr nützlich, wird der M. in Gärten durch Unterwühlen und Auswerfen der Erde lästig. Auf Feldern und Wiesen sollte man den M. nicht verfolgen, von kleinen Parzellen, Saatbeeten, Zierrasen kann er ferngehalten werden, wenn man diese mit schmalen Gräben umgibt, die mit Scherben gefüllt werden. Vertrieben wird er durch Begießen des Bodens mit einer Mischung von 1 Teil Petroleum und 1000 Teilen Wasser. In Dämmen und Deichen, die zum Schutz gegen Hochwasser errichtet sind, kann er nicht geduldet werden. Außer vom Menschen wird er besonders vom Iltis, Wiesel, Fuchs, von Raubvögeln, Raben und vom Storch, auch vom Igel und von der Kreuzotter verfolgt. Aus den Fellen fertigen die Russen kleine Säckchen, mit denen sie bis nach China Handel treiben. Bei uns werden die Fellchen, besonders schwarzgraue amerikanische (Millionen von Exemplaren) zu Muffen, Kragen, Besätzen verarbeitet; sehr schöne Imitationen werden aus Bisam und Nutria hergestellt. Früher[460] wurden viele Teile des Maulwurfs abergläubisch als Heilmittel benutzt. Vgl. Kober, M. und Nagetiere, deren Nutzen oder Schaden (Stuttg. 1877).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 460-461.
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