Tabak

[267] Tabak (hierzu Tafel »Tabakverarbeitung« mit Text), die Blätter einiger Arten und Varietäten der Solanazeengattung Nicotiana (s. d.), die zum Rauchen, Schnupfen, Kauen verschieden zubereitet werden. Der T. gedeiht im allgemeinen noch, wo der Winterweizen im ersten Dritteil des Monats August reif wird; guter T. fordert aber ein Weinklima, und die feinsten Sorten werden zwischen 15 und 35° gebaut. Der Normalboden für den T. ist ein kalkhaltiger oder gemergelter Lehm der Sandkonstitution, der leicht erwärmbar und humushaltig ist. Auch milder[267] Kalkmergelboden paßt noch für den T., muß aber recht warm liegen. Dem T. geht Klee, Luzerne, eine beliebige grün untergebrachte Frucht oder eine Hackfrucht voran; er folgt zwei und mehrere Jahre auf sich selbst und gibt sogar im zweiten oder dritten Jahr ein feineres Produkt als im ersten. Der T. entnimmt seinem Standort bedeutende Mengen Kali, Kalk und Phosphorsäure, auch ist sein Stickstoffbedürfnis sehr groß, durch Chlorverbindungen leidet er. Man vermeidet deshalb Latrinendünger und Kainit und gibt Kompost, Stalldünger mit schwefelsaurem Kali, schwefelsaurem Ammoniak, und Thomasschlacke, auch Guano. Für Pfeifengut und Deckblätter wirkt Gründüngung oder untergebrachter Klee mit Rindermistdüngung im Herbst am günstigsten, und im Spätherbst gibt man eine tiefe Furche. Kurz vor der Bestellung erhält das Land gartenartige Bearbeitung. Die jungen Pflanzen erzieht man in Kaltbeeten oder in nördlichern Gegenden in Mistbeeten (Kutschen) mit einer fußdicken Lage Pferdemist; man sät im März,. verpflanzt die kräftigsten Pflänzchen 2,5–5 cm weit mit Erdballen in Gartenbeete und bringt sie Ende Mai oder in der ersten Junihälfte mit 6–7 Blättern und Wurzelballen auf den Acker. Man stellt sie 50 cm weit voneinander in 50 cm weit entfernten Reihen und läßt nach je zwei Reihen einen Weg. Auf ein Hektar rechnet man 18,000, auch wohl 24,000 Pflanzen. Sobald die Pflanzen angegangen sind, werden sie behackt, beim zweiten Behacken auch behäufelt und, wenn sich die Blütenrispe entwickeln will, geköpft, so daß je nach der Varietät 8–12 Blätter stehen bleiben. Später entfernt man auch die aus den Blattwinkeln entspringenden Seitentriebe (Geizen). Wenn der T. etwa 90 Tage auf dem Acker gestanden hat, sind die Blätter reif; sie werden matt, gelbfleckig, klebrig und bekommen einen starken Geruch. In diesem Zustand erntet man den für Deckblätter bestimmten T., Pfeifengut aber erst, wenn die Blätter anfangen, ihre Ränder einzurollen. Man verliert dadurch an Gewicht, aber das Produkt wird seiner. Bei der Ernte bricht man zuerst die untersten Blätter (Sandblätter), dann die folgenden (Erdblätter) und zuletzt als Haupternte die übrigen, welche die besten sind. Bei gutem Wetter knickt man die Blätter nur ein und löst sie am folgenden Tage ganz ab. Man trocknet sie in einem lustigen Raum oder mittels Dampfheizung auf Stangengerüsten, indem man sie auf Ruten anspillt oder an Bindfaden auffädelt. Nach der Holzschuherschen Methode nimmt man die ganzen Pflanzen vom Feld ab, nachdem man sie einige Tage vorher so weit angehauen hat, daß sie sich umlegen, und hängt sie mit gespaltenen Stengeln zum Trocknen auf. Die trockenen und sortierten Blätter bindet man in kleine Büschel. Der Ertrag schwankt zwischen 900 und 2000 kg von 1 Hektar. Behandelt man den Geiz wie die Haupternte, so gibt auch er noch einen Ertrag, freilich von geringer Qualität. Die Beschaffenheit des Tabaks ist in so hohem Grade, wie außer ihm nur noch der Wein, vom Saatgut, Boden, Klima, Dünger und der Kultur abhängig. Aus amerikanischem Samen gezogener T. artet in Europa sehr bald aus und entwickelt dann beim Brennen einen übeln Geruch (er knellert). Als Feinde des Tabaks treten auf die Raupen der Kohleule (Mamestra brassicae), der Ypsiloneule (Plusia gamma), auch der Flöhkrauteule (Mamestra persicariae) und die gefräßige Raupe eines Schwärmers Sphinx carolina, als Schmarotzer der Hanftod (Orobanche ramosa), ein Rostpilz, der auf den Blättern braune Flecke erzeugt, Bakterien, welche die Mosaikkrankheit (s. d.) und den Tabakkrebs (durch Bacillus aeruginis) hervorrufen.

Die getrockneten Blätter schichtet man in lange, freistehende Haufen von 1,25–1,5 m Breite und Höhe auf (Brühhaufensetzen, Aufstocken, Lagern) und schlägt sie nach eingetretener hinreichender Erwärmung der Haufen um, so daß die äußern Schichten nach innen zu liegen kommen. Diese Arbeit wird so oft wiederholt, bis die Blätter vollständig eingeschrumpft sind und eine mehr oder weniger dunkelbraune Farbe und den bekannten eigenartigen Geruch angenommen haben. Dann setzt man die Büschel zu sogen. Trockenbänken auf und lagert sie in größern Haufen. Bei der Fermentation werden gewisse, beim Verbrennen üble Gerüche entwickelnde Stickstoffverbindungen zerstört und aromatisch riechende Substanzen erzeugt. Dabei wirken Spaltpilze mit und zwar bei den einzelnen Tabaksorten bestimmte Arten, die eigentümliche Gärungsvorgänge, von denen die Güte des Tabaks wesentlich mit abhängig ist, hervorrufen. Durch Anwendung von Reinkulturen der Spaltpilze besserer Tabaksorten würde man also den Gärungsprozeß auch andrer Sorten günstig beeinflussen können. Die Inferiorität der europäischen Tabake gegenüber den amerikanischen wird wesentlich auf die Ausführung der Fermentation zurückgeführt. In Amerika schneidet man die reife Pflanze kurz über dem Boden ab, hängt sie, möglichst noch an demselben Tag in der Trockenkammer auf und erhöht die Temperatur langsam von 3 zu 3°; man beginnt bei 27° und erreicht zuletzt 77°. So behandelter T. bedarf keiner weitern Fermentation. Bei Lagerung in größern Massen gerät er wohl noch einmal in leichte Gärung, und wenn die Farbe nicht gleichmäßig ausgefallen ist, pflegt man eine solche absichtlich herbeizuführen. Die zu Zigarrendeckblatt bestimmten Blätter streicht man bei gehörigem Feuchtigkeitsgrad sorgfältig glatt, schichtet sie zu kleinen Stößen auf und preßt diese. Die feinern Sorten werden auch entrippt, indem man die beiden Blatthälften von der dicken Mittelrippe abzieht. Die Rippen selbst dienen zu Schnupftabak oder, zwischen Stahlwalzen flach gepreßt, zu Zigarreneinlagen oder billigem Rauchtabak.

Handelssorten, Fälschungen, Hygienisches.

Die Handelssorten sind meist nach ihren Produktionsländern benannt; die wichtigsten sind etwa folgende: 1) Südamerikanischer T. a) Varinas (Kanaster) aus den Provinzen Varinas, Merida, Margarita etc. der Republik Venezuela; b) Orinokokanaster, sehr stark; c) Orinokokanasterblätter; d) Cumanátabak, dem Varinas gleichstehend; e) Cumané-Andouillen oder Karotten; f) brasilischer T. in Rollen, Zigarren und Zigaretten, gegenwärtig sehr beliebt und stark eingeführt; g) Paraguaytabak, zum Teil sehr stark; h) Columbiatabak aus Neugranada und den angrenzenden Ländern: Carmen, Giron-Palmyra, Ambalema, meist Zigarrentabak, dem Varinas nahestehend; i) mexikanischer T., erst in neuester Zeit in den großen Markt eingetreten. 2) Westindischer T. a) Cuba oder Havana, die vorzüglichste aller Sorten, deren ausgesuchteste und teuerste Blätter Cabanos heißen. Der Havanatabak wird größtenteils an Ort und Stelle auf Zigarren verarbeitet; es kommen aber auch Blätter in Bündeln und Seronen nach Europa, um namentlich als Deckblatt benutzt zu werden, und fette, schwere Sorten, aus denen man in Spanien den Spaniol darstellt. Der als Cuba in den Handel kommende T. ist in verschiedenen Gegenden der Insel gewachsen, kommt zum Teil dem Havana[268] sehr nahe und dient meist zu Zigarren. Von den verschiedenen Spezialsorten kommt am häufigsten Yara vor; b) Domingo, von der gleichnamigen Insel, Tortuga und Samane, dient zu Zigarren und Rauchtabak; c) Portorico, von der gleichnamigen Insel, nächst Varinas der beste Rauchtabak, wird an Ort und Stelle auch viel auf Zigarren verarbeitet. 3) Nordamerikanischer T. a) Maryland, allgemein beliebter Rauchtabak, sein, gelb, von angenehmem, süßem Geruch; die beste Sorte ist der Baytabak. Ähnlich ist der Ohiotabak; b) Virginia, lebhaft braun, teils fette, schwere Sorten für seinen Schnupftabak, teils leichtere Blätter für mittlern Rauchtabak; c) Kentucky, zu Zigarren, Rauch- und Schnupftabak benutzt; ihm schließen sich an die Tabake aus Tennessee und Missouri. Seedleaf wird in Pennsylvanien, Connecticut und Ohio aus Samen von Cuba erzogen und dient zu Zigarren. Florida gibt ein vorzügliches, sehr schön geflecktes Deckblatt. 4) Asiatischer T. a) Manila, sehr gute Ware, meist an Ort und Stelle zu Zigarren verarbeitet; b) Java, von seinem Aroma, meist zu Zigarren verarbeitet; chinesische, japanische und indische Tabake sind bei uns keine Marktartikel. 5) Europäischer T. Frankreich produziert in 18 Departements T., der zu Schnupf- und ordinären Rauchtabaken benutzt wird. Auch Algerien liefert große Quantitäten; die Produktion wird aber im Lande selbst verbraucht. Österreich-Ungarn baut T. in Tirol, Galizien, namentlich aber in Ungarn am linken Ufer der Theiß. Der ungarische T. hat ein dünnes, weiches, gelbes Blatt und eignet sich besonders zu Rauch- und Schnupftabak, wird aber zum Teil auch zu Zigarren benutzt. Vom holländischen T. ist der Amersfoorter der beste und besonders zur Fabrikation von Schnupftabak gesucht; das belgische Gewächs steht dem holländischen nach. In Deutschland ist die hauptsächlichste Kulturgegend die Pfalz, wo man namentlich Zigarrentabak baut, der nicht nur an inländische, Bremer und Hamburger Fabriken abgesetzt, sondern auch nach Amerika ausgeführt wird. Ebenso beziehen Frankreich, Holland, die Schweiz etc. deutschen T. Italien, Spanien, Portugal haben Tabakmonopol und kommen für den europäischen Handel nicht in Betracht. England baut gar keinen T. Der türkische T. verdankt den klimatischen und Bodenverhältnissen, der sorgfältigen Kultur und Behandlung die vorzügliche Beschaffenheit, die ihn mit dem Havana rivalisieren läßt. Alle Provinzen produzieren T., den besten aber Mazedonien in den Tälern von Karasu, Wardar und Krunea. Die hier erzogenen seinen Sorten: Druma, Pravista, Demirli, Yenidje, Sarishaban, Ginbeck etc., sind in lange, dünne Fäden geschnitten, schön goldbraun, aromatisch, kräftig, trocken und schmackhaft zugleich. Die Tabake der asiatischen Türkei sind schwerer als die rumelischen und stärker; von den syrischen Sorten ist der Latakia und Abou Rehe aus der Provinz Saida grob geschnitten, braun bis schwarz, stark fermentiert. Als türkischer T. geht übrigens auch viel griechisches und russisches Produkt.

Über die Herstellung von Rauch-, Schnupf- und Kautabak, Produktion und Verbrauchs. beifolgende Tafel mit Text. Fälschungen kommen im Tabakhandel nicht selten vor. Unterschiebung geringerer Tabaksorten für bessere ist nur vom Fachmann zu beurteilen. Fremde Blätter (Runkelrübe, Ampfer, Kartoffel, Zichorie, Rhabarber, Huflattich, Kirsche, Rose, Weichselkirsche etc.) werden nicht in dem Umfang als Verfälschungsmittel benutzt, wie man im Publikum häufig voraussetzt. Kirschen-, Rosen- und Weichselkirschblätter sind im Gesetz vom 16. Juli 1879, betreffend die Besteuerung des Tabaks, als erlaubte Zusätze ausgeführt. Nach zollamtlichen Ermittelungen wurden 1904 in der Tabakfabrikation verwendet: Kirschblätter 30,000 kg, Weichselkirschblätter 4000, Melilotenblüten 26,000, eingesalzene Rosenblätter 1500, Huflattichblätter 60, Wegebreit 57, Althee 61, Veilchenwurzelpulver 1500, Vanilleroots 6000 kg. Orientalischer T. enthält bisweilen Opium, Blätter von Bilsenkraut, Tollkirsche, Stechapfel. Zur Erkennung der Blätter dient das Mikroskop, auch kann man mit Hilfe von Kaliumquecksilberjodid feststellen, ob verdächtige Blätter T. sind oder nicht. Gegen das Saucieren (»Tabakverbesserung«), das dem reellen Weinverschneiden zu vergleichen ist, läßt sich, wenn nur solche Pflanzenstoffe angewendet werden, die auf die Gesundheit nicht nachteilig einwirken, kaum etwas einwenden Zur Nachweisung einer Saucierung benutzt man die Bestimmung des Zuckergehalts. Schwere Tabake (Kentucky, Virginia und manche europäische Sorten) werden ausgelaugt, was durch Bestimmung des Extrakt- und des Aschengehalts nachweisbar ist. Zigarren werden häufig gefärbt und pflegen dann an ein mit Wasser oder verdünntem Alkohol befeuchtetes Stück Fließpapier beim Reiben Farbstoff abzugeben. Man benutzt meist harmlose Farbstoffe, gegen deren Verwendung wenig einzuwenden ist. Schneidetabak unterliegt viel mehr der Verfälschung als die Zigarre, weil solche dort viel schwerer nachweisbar ist; namentlich wird auch der Schneidetabak geschwefelt, mit Kurkuma oder Ocker hell gefärbt. In nach höherm Grade gilt dies für Schnupftabak, dem fremde Blätter, Torf, Lohe, Sand etc. beigemengt werden. Extrahiert man ihn vollständig mit Wasser, so kann man mit Lupe und Mikroskop mancherlei Beimengungen erkennen. Aus bleihaltiger Verpackung stammt oft ein Gehalt an Blei und Zinn, der in der Asche nachzuweisen ist, Bleiverpackung ist vielfach verboten.

Chemische Zunsammensetzung, Wirkung.

Tabakblätter riechen narkotisch, schmecken widerlich und scharfbitter; die trockenen Blätter enthalten im Mittel 17,2 (die Stengel nur 7,9) Proz. mineralische Stoffe. Die Asche besteht aus 29,1 Proz. Kali, 3,2 Natron, 36 Kalk, 7,4 Magnesia, 2 Eisenoxyd, 6 Schwefelsäure, 5,8 Kieselsäure, 6,7 Chlor, 4,7 Proz. Phosphorsäure. Die Basen sind großenteils an organische Säuren gebunden, und die leichte Einäscherung der Blätter, also die richtige Brennbarkeit des Rauchtabaks, ist abhängig von der Gegenwart organischer Kalisalze. Der Stickstoffgehalt beträgt etwa 4,5 Proz. Die in den Tabakblättern enthaltene Salpetersäure wird bei der Trocknung und Fermentation zum großen Teil zu Ammoniak reduziert. Apfelsäure und Zitronensäure, zusammen 8–12 Proz., beeinflussen Geruch und Geschmack der Verbrennungsprodukte des Tabaks sehr wesentlich. An Oxalsäure finden sich 2–3 Proz., der Gerbsäuregehalt schwankt bedeutend. Auch der Ammoniakgehalt ist sehr verschieden, das Ammoniak entsteht zum größten Teil beim Trocknen und bei der Fermentation der Blätter. Der wirksame Bestandteil der Tabakblätter ist das Nikotin, von dem sie stark schwankende Mengen enthalten, ohne daß der Gehalt in erkennbarem Verhältnis zur Güte des Tabaks stände. Geringere Tabaksorten pflegen reicher an Nikotin zu sein; doch ist dessen Menge auch von der Zubereitung abhängig, welcher der T. unterworfen wird. Das trockene Blatt enthält bei Virginia 4,80 Proz., Kentucky 4,50, Sumatra 4,10, Seedleaf 3,70, Havana 1,9–3, Brasil 1,14–2,78, Samsoun (türkischer T.)[269] 2,51, Elsässer 0,92–1,91, Maryland 1,26, Ambalema 1,17, Domingo 0,82, Ohio 0,68 Proz. Nikotin. Am stärksten schwankt der Nikotingehalt bei Brasil-, Seedleaf- und Sumatratabak. Pfeifentabake sind fast ausnahmslos wesentlich nikotinärmer als Zigarrentabake, weil beim Dörren viel Nikotin verloren geht. An Zellulose enthalten die Blätter 8–10 Proz., der fermentierte T. wesentlich mehr, Stärkemehl und Zucker der Blätter werden durch die Fermentation zersetzt. Die Güte des Tabaks ist seinem Eiweißgehalt umgekehrt proportional, und der Tabakbau muß daher auf Erzielung eiweißarmer Tabake bedacht sein. Die in erheblicher Menge vorhandenen Harze (4–14,76 Proz.) sind für den Wohlgeruch des Tabakrauches von großer Bedeutung. Über das Nikotianin s. d. Seine Existenz ist nicht sicher festgestellt. – Um die schädlichen Wirkungen des Nikotins bei Benutzung des Tabaks zu vermeiden, hat man ihn mit Lösungsmitteln oder strömendem Wasserdampf (zur Extraktion oder Verflüchtigung des Nikotins), auch mit Ozon (zur Oxydation des Nikotins) behandelt, auch hat man den Rauch durch mit Gerbsäure etc. zur Bindung des Nikotins imprägnierte Baumwolle oder andre poröse Körper geleitet. Der Wert dieser Methoden ist mindestens zweifelhaft.

Der T. gehört mit dem Alkohol zu den schädlichern Genußmitteln (gegenüber Kaffee und Tee). Die Wirkung des Tabaks beruht, auch beim Rauchen, wesentlich auf der Zuführung von Nikotin. Der T. beruhigt das gesamte Nervensystem, er beeinflußt die Herztätigkeit und Arterienspannung, den Tonus und Bewegungsdrang der Muskeln, das Empfinden und Wollen. Nach schwerer Arbeit bringt der T. Beruhigung, er mildert leidenschaftliche Erregung und führt zu ruhiger Tätigkeit oder beschaulichem Sinnen. Mit der Beruhigung des Nervensystems ist eine schwache Erregung verbunden. Bei mäßigen Menschen kann diese Wirkung des Tabaks leicht dahin führen, daß eine zu oft gesuchte unbestimmte Träumerei zu einer Gewohnheit des Geistes wird. Hunger und Durst vermag der T. auf verhältnismäßig längere Zeit zu bannen. Der Tabakrauch enthält Kohlenoxyd, Schwefelwasserstoff, Cyanwasserstoff, aber so geringe Mengen von diesen Stoffen, daß sie an der Wirkung des Rauches auf den Organismus keinen wesentlichen Anteil nehmen. Ebenso kommen die Pyridinbasen, die sich beim Glimmen des Tabaks bilden, wenig in Betracht. Vom Nikotin, das der T. enthält, wird beim Rauchen nur ein kleiner Teil zersetzt, und die giftigen Eigenschaften des Rauches beruhen hauptsächlich auf seinem Nikotingehalt. Beim Rauchen von Zigarren reichert sich in deren letzten Teilen das Nikotin erheblich an, Nikotin ist eins der stärksten Gifte (s. Nikotin), die Empfänglichkeit für dasselbe ist aber sehr verschieden, und durch Gewohnheit erwerben sehr viele Leute eine große Toleranz, die aber bei Erkrankungen oft schnell schwindet. Bisweilen tritt nach langem Rauchen plötzlich akute Nikotinvergiftung ein, und ebenso erkranken alte Raucher oft an chronischer Nikotinvergiftung. Örtliche Reizungen bei Schnupfern, Tabakkauern und Rauchern werden in der Regel nicht durch Nikotin hervorgebracht, sondern durch brenzlige Rauchbestandteile und ätzende Stoffe in den Tabakbeizen. Das Nikotin gelangt in das Blut durch Resorption seitens der Mundschleimhaut und durch Verschlucken des nikotinhaltigen Speichels. Als Symptome chronischer Nikotinvergiftung zeigen sich bei starkem und langem Rauchen psychische Verstimmungen, Unausgelegtheit, Unfähigkeit zu geistigen Arbeiten, Angstgefühl, Schwindel, Scheu vor Bewegungen, dazu Überempfindlichkeit der Riech- und Gehörnerven, Akkommodationsstörungen, Abnahme des Farbensinns, Skotom (Nebelsehen) und allerlei Hyperästhesien der Empfindungsnerven (chronische Spinalirritation), heftige Neuralgien, Motilitätsstörungen. Auch die Atmungsorgane und vor allem das Herz werden ergriffen. Ohne Zweifel besteht ein Zusammenhang zwischen Tabakgenuß und Geisteskrankheiten, und Kjelberg hat eine als wahre primäre Geisteskrankheit aufzufassende Nikotinpsychose aufgestellt. Die Behandlung der chronischen Vergiftung besteht vor allem in der Enthaltung des Tabakgenusses in jeglicher Form. Nach der Besserung kann mäßiges Rauchen leichter Tabake wieder gestattet werden. Das Schnupfen bringt weniger Allgemeinerscheinungen hervor, weil die bald eintretende Verdickung der Nasenschleimhaut die Resorption des Nikotins hindert; es soll bei manchen Augenübeln, Stockschnupfen, Kopfschmerzen günstig wirken, beeinträchtigt aber auch meist den Geruchs- und Geschmackssinn und erzeugt chronischen Rachenkatarrh. Auch das Tabakkauen kann als relativ unschädlich betrachtet werden, doch werden, namentlich aus Nordamerika, heftige Krankheitssymptome als Folge des Tabakkauens geschildert, vor allen hochgradige Verdauungsstörungen und vielfach psychische Alterationen, tiefe geistige Verstimmung und Willensschwäche. Tabakblätter fanden früher auch arzneiliche Verwendung; man benutzt sie zur Darstellung von Nikotin und zur Vertreibung schädlicher Insekten (als Tabakbrühe oder -Lauge, als Pulver zum Bestreuen und zum Räuchern). In Rußland gewinnt man aus den Samen ein leicht trocknendes, grünlichgelbes fettes Öl, das als Brennöl benutzt wird.

Über die Tabaksteuer s. d.

Geschichtliches.

Über das Alter des Tabakrauchens in China, wo man Nicotiana chinensis benutzt, ist nichts Sicheres bekannt. Nach Europa gelangte die erste Nachricht vom T. durch Kolumbus, der 1492 die Eingebornen von Guanahani zylinderförmige Rollen von Tabakblättern, mit einem Maisblatt umwickelt, rauchen sah. Fra Romano Pane, den Kolumbus auf Haïti zurückgelassen hatte, machte 1496 Mitteilungen über die Tabakpflanze an Petrus Martyr, und durch diesen gelangte dieselbe 1511 nach Europa. Die Eingebornen auf Haïti rauchten den T. als zusammengerollte Blätter oder zerschnitten aus langen Röhren. Diese, nach andern die Maisblattrollen, sollen Tabacos geheißen haben, nach andern soll der Name T. von der Insel Tobago oder von der Provinz Tabasco in Mittelamerika herrühren. Eine genaue Beschreibung der Pflanze gab 1525 Gonzalo Hernandez de Oviedo y Valdes, Statthalter von San Domingo. Später pries der spanische Arzt und Botaniker Nicolas Menardes in seinem 1571 zu Sevilla erschienenen Buch über Westindien den T. als Heilpflanze, und nun ward dieser als Arznei- und Wunderkraut kultiviert. So auch von Jean Nicot, französischem Gesandten in Portugal, der 1560 Tabaksamen nach Paris schickte; ihm zu Ehren benannte Linné die Gattung. Nach Deutschland kamen die ersten Tabakpflanzen 1565 aus Frankreich durch Occo in Augsburg. Das Tabakschnupfen wurde in Frankreich unter Franz II. üblich, zu Sevilla in Spanien entstand gleichzeitig eine Schnupftabakfabrik, die den Spaniol lieferte. 1636 führten spanische Geistliche das Schnupfen in Rom ein, gegen das Urban VIII. eine Bulle erließ, die erst 1724 wieder aufgehoben wurde. 1657 gab Venedig Fabrikation und Verschleiß des Schnupftabaks[270] in Pacht. Das Tabakrauchen wurde um die Mitte des 16. Jahrh. aus Westindien nach Spanien durch spanische Matrosen und 1586 aus Virginia durch englische Kolonisten nach England eingeführt. In Nordamerika scheint das Rauchen ebenfalls seit uralter Zeit gebräuchlich gewesen zu sein; bei den Indianern galt es als ein der Sonne und dem großen Geist gebrachtes Opfer; als Raleigh Virginia entdeckte, war der Tabakbau bei den dortigen Eingebornen ganz allgemein verbreitet. Gegen Ende des 16. Jahrh. war das Rauchen in Spanien, Portugal, England, Holland, 1605 auch in Konstantinopel, Ägypten und Indien bekannt, und weltliche und geistliche Mächte eiferten vergebens gegen die weitere Verbreitung desselben. 1622 brachten englische und holländische Truppen das Tabakrauchen nach dem Rhein und Main, von wo es durch den Dreißigjährigen Krieg bald in andre Teile Deutschlands gelangte. Staat und Kirche suchten das neue Luxus- und Genußmittel zu bekämpfen, und die Moralisten predigten gegen den »höllischen Rauch«. In Rußland wurden den Rauchern noch 1634 die Nasen abgeschnitten. Jakob I. von England belegte zuerst den Tabakhandel mit hohen Steuern. 1616 wurde der erste T. in Holland gebaut, wenig später in England, 1620 im Elsaß, 1625 in Lothringen, seit Mitte des 17. Jahrh. in Deutschland, und zwar zuerst im Elsaß und in Baden; die in den Kriegen Ludwigs XIV. vertriebenen Pfälzer verpflanzten den Tabakbau nach Thüringen, Sachsen, Brandenburg. Die Regierungen erblickten fortan im T. eine ergiebige Finanzquelle und belegten den Verbrauch mit hohen Steuern. Schnupfen und Kauen des Tabaks sind europäische Erfindungen. Da man sich anfangs scheute, öffentlich zu rauchen, so entstanden in Frankreich, zunächst in Paris, besondere Lokale, die Tabagies, für die Freunde des Tabaks, und in Deutschland wurde dieser Name bis zur Mitte des 19. Jahrh. ganz allgemein für öffentliche Lokale gebraucht. Bis 1848 war das Rauchen auf den Straßen in den meisten Ländern Europas verboten. Die ersten Rauch- und Schnupftabakfabriken in Deutschland entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrh., die ersten Zigarrenfabriken in Hamburg und Bremen gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrh. Bremen besaß 1851 bereits 281 Fabriken mit 5300 Arbeitern. In Sachsen entstand die erste Zigarrenfabrik 1825, in Baden in der ersten Hälfte der 1840er Jahre. Als 1852–54 Braunschweig und Hannover dem Zollverein beitraten, wurden die hanseatischen Fabriken in das Zollinland verlegt und in Hamburg und Bremen nur noch die besten Sorten hergestellt. Seit Mitte der 1860er Jahre wurden die Fabriken mehr und mehr aus den großen Städten auf das Land und in die kleinen Städte verlegt. Weiteres s. Artikel. »Rauch- und Schnupfgeräte« mit Tafel.

Vgl. Tiedemann, Geschichte des Tabaks (Frankf. 1854); Babo, Der Tabaksbau (3. Aufl., Berl. 1882); Wagner, Tabakkultur, Tabak- und Zigarrenfabrikation (5. Aufl., Weim. 1888); Kißling, Handbuch der Tabakkunde, des Tabakbaues und der Tabakfabrikation (2. Aufl., das. 1905); Killebrew u. Myrick, Tobacco leaf; culture, cure, marketing, etc. (Lond. 1897); Collet, Le tabac, sa culture et son exploitation dans les régions équatoriales (Brüss. 1903); Fairholt, Tobacco, its history and associations (Lond. 1875); Hare, The physiological and pathological effects of the use of tobacco (das. 1886); Oppel, Der T. im Wirtschaftsleben und der Kulturgeschichte der Völker (Brem. 1890); Michaelis, Hygiene des Rauchens und der T. (Leipz. 1894); Lewinstein, Die deutsche Tabakindustrie (Berl. 1897); Jacoby, Die chronische Tabakintoxikation (das. 1899); Koning, Der T., Studien über seine Kultur und Biologie (Leipz. 1900); Comes, Histoire, géographie, statistique du tabac (Neapel 1900); Blau, Vom Brisiltabak (Wien 1905); »Deutsche Tabakzeitung« (Berl., seit 1868); »Süddeutsche Tabakzeitung« (Mannh., seit 1890); »Allgemeine Raucher-Zeitung« (Münch., seit 1894); Bragge, Bibliotheca nicotiana (Lond. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 267-271.
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