Pacht [1]

[291] Pacht (lat. locatio conductio, Pachtung, Pachtvertrag, Pachtkontrakt), derjenige Vertrag, durch den der eine Vertragschließende (Verpächter, locator) dem andern (Pächter, conductor) den Gebrauch und den Fruchtgenuß eines einen Ertrag abwerfenden Gegenstandes (Pachtobjekt) gegen eine von letzterm zu zahlende Gegenleistung (Pachtzins, Pachtgeld, Pachtschilling, auch kurzweg Pacht genannt) überläßt. Auf die P. finden mit verhältnismäßig wenig Ausnahmen die für die Miete (s. d.) geltenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung. Der Pachtzins kann bei fruchttragenden Sachen auch in einem Bruchteil der Früchte bestehen, sogen. Teilpacht, Halbpacht, lat. colonia partiaria, franz. Métairie. Gegenstand der P. können auch andre Rechtsgegenstände als Sachen sein, soz. B. eine Jagd, ein gewerblicher Betrieb, ein Handelsgeschäft, ein Theater etc. Bei P. auf unbestimmte Zeit oder bei Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes (s. Miete, S. 779) kann nur auf den Schluß eines Pachtjahres und spätestens am ersten Werktage der zweiten Hälfte des Pachtjahres gekündigt werden. Hierbei ist als Pachtjahr nicht das bürgerliche Jahr (1. Jan. bis 31. Dez.), sondern das mit Beginn der P. anfangende Jahr, also z. B. die Zeit vom 1. Okt. bis zum 30. Sept. des nächsten Jahres zu verstehen (§ 595 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Der Verpächter kann nicht wie der Vermieter wegen Todesfall, der Pächter nicht wie der Mieter wegen Versetzung oder versagter Aftermiete kündigen (§ 596). Der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstückes hat die regelmäßig wiederkehrenden Ausbesserungen, insbes. an den Gebäuden und Wegen, auf seine Kosten vorzunehmen (§ 582), er darf ohne Erlaubnis des Verpächters nicht Veränderungen in der wirtschaftlichen Benutzung vornehmen, die auf die Bewirtschaftung über die Pachtzeit hinaus von Einfluß sind (§ 583), tut er es doch, so kann der Verpächter auf Unterlassung klagen, ja gegebenenfalls sogar außerordentlich kündigen (§ 553). Nach Beendigung der P. hat er das Grundstück so zu übergeben, wie es bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung sein würde (§ 591), außerdem muß er so viel landwirtschaftliche Erzeugnisse zurücklassen, als zur Fortführung der Wirtschaft für das nächste Betriebsjahr notwendig sind. Hinterläßt er mehr, als er bei Antritt der P. übernommen hat, so kann er Ersatz hierfür verlangen. Den Dünger muß er ohne Entschädigung zurücklassen (§ 593). Endigt ein Pachtjahr während des Frühjahrs, also vor Einerntung der Früchte, so hat ihn der Verpächter für die Bestellungskosten entsprechend zu entschädigen (§ 592). Wurde ein Grundstück mit Inventar verpachtet, so hat der Pächter für dessen Instandhaltung zu sorgen, soweit es sich nicht um außergewöhnliche Abgänge handelt. Wurde also durch ein Elementarereignis das Inventar ganz oder teilweise vernichtet, oder ging durch eine Seuche der Viehbestand zugrunde, oder brannte die Bühne bei einer Theaterpacht aus, so hat der Pächter keinen Ersatz zu schaffen. Den Abgang der Tiere hat er jedoch aus den Jungen insoweit zu ersetzen, als dies einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspricht (§ 586). Wurde das Inventar nach einer Taxe übernommen mit der Verpflichtung, es bei Beendigung der P. zum Schätzungswert zurückzugewähren (sogen. Eisernviehvertrag), so geht es meist in das Eigentum des Pächters über, jedenfalls aber trägt er die Gefahr eines zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung. Am Schluß der P. muß dann eine Schätzung vorgenommen werden, und der Mehr- und Minderbetrag ist durch Geld auszugleichen. Jedoch kann der Verpächter Inventarstücke ablehnen, die für das Grundstück überflüssig oder zu wertvoll sind. Ist bei der schätzungsgemäßen Übernahme des Inventars das Eigentum nicht auf den [291] Pächter übergegangen, so hat er doch wenigstens ein Pfandrecht an dem Inventar (invecta et illata) für Forderungen gegen den Verpächter, die sich auf das Inventar beziehen (§ 586 mit 590). Für den Verpächter eines landwirtschaftlichen Grundstückes ergreift das gesetzliche Pfandrecht auch die Früchte, auf die nach § 811, Ziffer 4, der Zivilprozeßordnung bei Landwirten der Pfändung nicht unterliegen, ebensowenig unterliegt sein Pfandrecht den Beschränkungen, denen das Pfandrecht des Vermieters unterliegt, es kann also für den gesamten rückständigen Pachtzins und auch den pfändenden Gläubigern des Pächters gegenüber geltend gemacht werden (§ 585). Während nach österreichischem und schweizerischem Rechte Mißernte, Hagelschlag dem Pächter ein Recht auf Nachlaß von Pachtzins geben, ist dies nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch nicht der Fall. War aber die Gewinnung von Früchten während des Pachtjahres überhaupt unmöglich, z. B. wegen Überschwemmung, Schadenfeuer etc., so hat er keinen Pachtzins zu zahlen (§ 323). Gibt der Pächter das Pachtobjekt nach Beendigung der P. nicht rechtzeitig zurück, so hat er dem Verpächter eine den Verhältnissen entsprechende Entschädigung zu zahlen (§ 597). Vgl. Bürgerliches Gesetzbuch, § 581–597. In Österreich (§ 1095 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches) bewirkt die grundbücherliche Eintragung des »Bestandvertrages«, daß ein neuer Eigentümer der Sache an den Vertrag für die noch übrige Zeit gebunden ist. Zu erblichem Nutzungsrecht umgestaltet ist die P. Erbpacht (s. d.). Vgl. auch Artikel »Landwirtschaftliche Unternehmungsformen« und Dittmar u. Fuld, Der landwirtschaftliche Pachtvertrag (3. Aufl., Neudamm 1900); A. Fränkel, Das Miet- und Pachtrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Berl. 1897); Schumacher, Das landwirtschaftliche Pachtrecht (das. 1901); Laßmann, Der österreichische Pächter (Wien 1891); Berghoff-Ising, Entwickelung des landwirtschaftlichen Pachtwesens in Preußen (Leipz. 1887); Rabe, Die volkswirtschaftliche Bedeutung der P. (Berl. 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 291-292.
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