Zigarren

[923] Zigarren (v. span. cigarro), den schon vor der Entdeckung Amerikas auf Cuba gebräuchlichen Tabacos nachgebildete Zylinder aus Tabakblättern, bestehen aus Einlage, Um- und Deckblatt. Die gesündesten, festesten und in der Farbe und im Geruch schönllen Blätter dienen zum Deckblatt, während die Einlage mit dem sie zunächst umgebenden Umblatt meist aus einer geringern Sorte, aus nicht zu Deckblättern tauglichem Tabak und Abfällen vom Schneiden des Deckblattes angefertigt wird. Der sortierte Tabak wird in Bündeln in Wasser getaucht und ausgeschwenkt oder mittels eines Zerstäubers (Nebelpumpe) mit Wasser befeuchtet und übereinander geschichtet, damit er gleichmäßig mild und weich wird. Man benutzt hierzu auch rotierende Trommeln, in die Wasserdampf geleitet wird, den man nach einiger Zeit durch Kühlung der Trommel kondensiert, so daß er sich auf die Blätter niederschlägt und sie feucht macht. Die gleichmäßig feuchten Blätter werden von den Hauptrippen befreit, dabei von etwaigen fremden Beimengungen befreit und sortiert, die zum Deckblatt bestimmten werden glatt übereinander gelegt und gepreßt. Schwachrippige Blätter benutzt man zum Umblatt. Die Einlage wird dann wieder sorgfältig getrocknet, während die Decken aus feuchten Blättern geschnitten werden müssen. Bei der Anfertigung der Z. nimmt der Wickelmacher die Einlage für eine Zigarre in die linke Hand, ordnet das Material und legt das Bündelchen auf das Umblatt, wickelt dies darum und rollt den Wickel auf dem Tisch, um ihm einige Festigkeit zu geben. Dann wird der Wickel mit ungeleimtem Papier umhüllt. Man benutzt auch zweiteilige Wickelformen, in denen die Wickel ohne Papierumhüllung 12–24 Stunden gepreßt und dabei auf 40–50° erwärmt werden. Die meisten der aus so zugerichteten Wickeln hergestellten Z. können alsbald geraucht werden; sie brauchen weniger Lager, und bei der Fabrikation wird Tabak erspart. Die Handarbeit fordert aber größere Geschicklichkeit, wenn sie eine ansehnliche Zigarre liefern soll, und fördert weniger als die Anwendung der Formen, die daher bei allen geringern Sorten üblich ist, während die Mode bei bessern Sorten die Handarbeit bevorzugt. Der Zigarrenmacher rollt das Deckblatt um die Zigarre und hat darauf zu achten, daß die Rippen der Blätter sich möglichst der Länge nach an die Zigarre anlegen, Die Spitze erhält durch gefärbten Kleister oder Tragantgummi die nötige Festigkeit. Zur Förderung der Arbeit benutzt man heizbare Formen. Schließlich wird am Schnittende der Z. der überstehende Teil des Deckblattes abgeschnitten. Für die Fabrikation im großen hat man Zigarrenwickelstühle gebaut, welche die Wickel formen und mit Umblatt versehen. Auch für das Umlegen des Deckblattes sind maschinelle Vorrichtungen angegeben worden. Bis jetzt sind diese Maschinen in Europa wenig in Gebrauch, weil sie weniger ökonomisch arbeiten als der Zigarrenmacher. Die kantigen Z. erhalten ihre Form durch Pressen in Kisten. Die Z., die infolge zu fester Wickelung keine Luft haben. quetscht man zwischen zwei Brettchen oder mit einer kleinen Maschine, bei der die Z. durch zwei Paar sich drehende horizontal liegende Walzen, deren Achsen rechtwinklig gegeneinander gerichtet sind, hindurchgehen. Die Benennungen der Zigarrenfaçon werden noch jetzt vielfach aus dem Spanischen entlehnt: Imperiales, Regalia, Trabucos, Panatelas, Conchas, Comunes, Londres, Entre-actos, Virginia (namentlich in Italien und Österreich, mit einem Strohhalm im Innern, den man vor dem Rauchen entfernt; ähnlich die Veveyzigarren in der Schweiz) etc. Auch die Farbe wird noch häufig mit spanischen Wörtern angegeben (amarillo, colorado claro, colorado, maduro, oscuro). Außerdem werden den Z. Phantasienamen gegeben und die Innenseiten der[923] Kistendeckel mit entsprechenden Bildern versehen. Die fertigen Z. werden getrocknet, sorgfältig sortiert und dann verpackt. Sie gewinnen durch Ablagern infolge einer Nachgärung, auch wird empfohlen, sie in einem luftdicht verschließbaren Kasten aufzubewahren, in dem gleichzeitig, von den Z. sorgfältig getrennt, gebrannter Kalk oder Chlorcalcium liegt; der Kalk zerfällt allmählich zu Pulver, indem er die in den Z. enthaltene Feuchtigkeit anzieht und sich löscht, und das Chlorcalcium zerfließt, worauf das Material erneuert werden muß. Bei zu schnellem Trocknen oder zu langem Lagern verlieren die Z. an Aroma. Als Einlegetabak können alle Tabaksorten benutzt werden, die nikotinreichen (Kentucky, Virginia, Sumatra) müssen aber zunächst ausgelaugt werden. Die feinsten Z. liefern Havana und Brasil, als Deckblatt wird hauptsächlich Sumatra benutzt, außerdem Java, Mexiko, Borneo, in geringerm Maß Domingo, Seedleaf, Ambalema, Carmen, Pfälzer, in Österreich, Frankreich, Italien und der Schweiz auch gelaugter Virginia und Kentucky.

Von den zahlreichen Sorten nehmen die in der Havana fabrizierten Z. die erste Stelle ein. Sie werden aus einem vorzüglichen Rohmaterial nach einem von dem unsrigen in manchen Punkten abweichenden Verfahren höchst sorgfältig hergestellt. In Deutschland hergestellte Havanazigarren besserer und bester Qualität sind indes von den eingeführten äußerlich nicht zu unterscheiden. Ob im Geruch und Geschmack wesentliche Unterschiede vorhanden sind, darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Indes mögen die feinsten Marken der echten Havanazigarren wohl keine ebenbürtigen Rivalen unter den in Deutschland und den Vereinigten Staaten hergestellten Z. finden. Manilazigarren besitzen ein nicht spiralförmig, sondern der Länge nach umgelegtes und mit einem narkotischen Gummisaft angeklebtes Deckblatt. Über »nikotinfreie« Z. s. Tabak, S. 270. – Die Zigaretten (Cigarrettas, Papyros) bestehen aus verschiedenen Mischungen sein geschnittenen, meist türkischen oder amerikanischen Tabaks in einer Hülle von sehr seinem Seidenpapier, das aus seinen Leinwandhadern sehr sorgfältig hergestellt, bisweilen auch mit Katechubrühe braun gefärbt wird. Die Zigarrillos haben ein seines Tabakblatt als Decke. Häufig fertigt sich der Raucher die Zigaretten selbst, sie werden aber auch auf sehr sinnreichen, fast völlig selbsttätig arbeitenden Maschinen hergestellt. Die Zigaretten mit Mundstück werden noch vielfach mit der Hand hergestellt, die dazu erforderlichen Papierhülsen aber fast nur noch auf Maschinen. Hauptverbraucher von Zigaretten sind die slawischen Völker, auch in England, Italien, Dänemark, Holland und Deutschland finden sie immer größere Verbreitung.

Die Sitte, Tabakblätter zusammenzurollen und in dieser Form zu rauchen, fanden die Entdecker Amerikas bei den Eingebornen. Durch die Spanier kam sie nach Europa, wo man anfangs die Z. aus Cuba bezog. bald darauf aber die eigne Fabrikation unter dem Schutz des Monopols begann. In Deutschland wurden die Z. zu Anfang des 18. Jahrh. durch die französischen Heere bekannt, und 1788 errichtete Schlottmann in Hamburg die erste deutsche Zigarrenfabrik, fand aber für seine Ware anfangs wenig Absatz. Acht Jahre später wurde freilich das Zigarrenrauchen in Hamburg Mode, und seitdem hat sich dieser Industriezweig schnell entwickelt. Die feinsten Z. werden gegenwärtig in der Gegend von Hamburg und Bremen hergestellt. Die hanseatischen Firmen haben zahlreiche Filialfabriken in andern Gegenden Deutschlands. Auch der Regierungsbezirk Minden liefert fast nur feinere Sorten. Im sächsisch-thüringischen Bezirk vom Eichsfeld und den Südabhängen des Harzes durch die Provinz und das Königreich Sachsen bis fast auf den Kamm des Erzgebirges werden hauptsächlich mittlere Z., zum Teil aus deutschem Tabak, hergestellt, während Baden, die Pfalz und das Elsaß, das wichtigste Gebiet der ganzen Industrie, die billigsten Z. meist aus heimischem Tabak liefert. Der Mittelpunkt der Zigarettenfabrikation ist Dresden, doch gibt es auch Fabriken in Berlin, Breslau, Danzig, Hamburg, Frankfurt a. M. etc. Deutschland produzierte 1897: 6,5 Mill. Mille Z. im Wert von 250 Mill. Mk. und 1,1 Mill. Mille Zigaretten im Wert 11 Mill. Mk. Deutschland führte 1905 ein: 3748 dz Z. im Wert von 7,613,000 Mk. (meist aus Cuba, Portorico, Holland, Österreich, Schweiz) und 8372 dz Zigaretten im Wert von 13,526,000 Mk. (meist aus Ägypten, Rußland, Österreich, England). Die Ausfuhr betrug 4636 dz Z. im Wert von 4,431,000 Mk. und 964 dz Zigaretten im Wert von 1,021,000 Mk. Weiteres und Literatur s. Tabak.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 923-924.
Lizenz:
Faksimiles:
923 | 924
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika