Tisch

[570] Tisch, ursprünglich ein einfaches aus Brettern und tragenden Stützen bestehendes Möbel, das zuerst als Speisetisch diente. Unter einer verschiebbaren Platte oder in Schubfächern barg der Tisch gleichzeitig Behälter für allerlei Gebrauchsgeräte. Aus dem Mittelalter erhaltene Tische gehören zu den Seltenheiten. In spätgotischer Zeit ist der Bocktisch beliebt, der aus zwei Teilen, dem Bock- und Zargenteil, besteht, die auseinandergesetzt durch Holzzapfen in richtiger Lage erhalten werden. Die glatten Außenflächen der Zarge, die Füllungen der Stützen sind mit flachem gotischen[570] Blattwerk in ausgehobenem und gefärbtem Grunde belebt (s. Tafel »Möbel I«, Fig. 3). In der Renaissance nahm der Tisch reichere und prunkvolle Formen an (Fig. 5). In Frankreich wurden die Stützen architektonisch gegliedert und mit grotesken Figuren verziert. Ducerceau hat gestochene Vorbilder derartiger Tischformen hinterlassen. In Deutschland und den Niederlanden wird die Tischplatte von vier balusterförmigen Pfosten getragen. Die italienischen Tische bestehen aus Stützen mit stilisierten Tiergestalten und reich profilierter Platte. Tische, deren Platten von vier freien Beinen getragen werden, kommen nur vereinzelt vor. Im 17. Jahrh. nehmen die Füße der Tische weichliche und dickbauchige Formen an. Erst im 18. Jahrh. werden die Tische seiner und zierlicher. Es treten andre Tischformen auf, so der Konsoltisch, der an der Wand befestigt wird (Fig. 1). Der architektonische Aufbau der Tische löst sich in geschwungenen Formen auf, die Stützen der Tische bauchen sich unter der Platte hervor und nehmen jene S-Formen an, die im Verlaufe des 18. Jahrh. zu allgemeiner Herrschaft kommen. In der Empirezeit werden die Formen wieder antiker und geradliniger. Das 19. Jahrh. gestaltet die jetzt frei werdenden Tischfüße in reichster, häufig unzweckmäßiger Schnitz- und Drechslerarbeit im Anschluß an die verschiedensten Stilarten. Erst die neueste Zeit kehrt wieder zu einfachen Formen zurück (Tafel III, Fig. 1, 2, 3, 4 u. 7.). Während in Deutschland derbere Formen bevorzugt werden, wirkt in Frankreich die alte Vorliebe für geschwungene Umrisse nach (Fig. 1 u. 3). Vgl. Brinckmann, Führer durch das Hamburgische Museum für Kunst und Kunstgewerbe (Hamb. 1894 ff.).

In der Turnkunst heißt T. ein zu Übungen des gemischten Sprunges verwendetes, nur auf wenigen Turnplätzen eingeführtes, hier aber sehr beliebtes Turngerät, etwa 2 m lang, 1 m breit, die Platte mit dichter Polsterung versehen, die Füße mit Ständern in Röhren zum Stellen in verschiedene Höhe (zwischen 11/4 und 13/4 m). Wegen seiner Größe springt man an ihm gern mit dem stark federnden Schwungbrett (Tremplin). Vgl. J. K. Lion, Die Turnübungen des gemischten Sprunges (3. Aufl., Leipz. 1893). Sprünge am T. gehörten schon vor Aufkommen der Turnkunst zu den ritterlichen Übungen des Voltigierens (s. Pferd). Eine Abart des Tisches ist der weit kleinere, aus mehreren übereinander stellbaren Bretteraufsätzen bestehende, oben gleichfalls gepolsterte Kasten (Sprungkasten), den die preußische Militärgymnastik zu den Übungen des Voltigierens an Stelle des Pferdes im Gebrauch hat. Er war 1851 von Rothstein (s. d.) eingeführt, 1881 wegen häufiger an ihm vorgekommener Verletzungen abgeschafft worden, ist aber durch Nachtrag von 1897 zur Turnvorschrift für die Infanterie von 1895 wieder eingeführt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 570-571.
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