Jacoby

[128] Jacoby, 1) Johann, preuß. Politiker, geb. 1. Mai 1805 in Königsberg als Sohn jüdischer Eltern, gest. daselbst 6. März 1877, studierte Medizin, ließ sich 1830 als Arzt in seiner Vaterstadt nieder und kam bei der Bekämpfung wirklich vorhandener oder[128] vermeintlicher, auch staatlicher Mißstände wiederholt m Konflikt mit der Zensur. An den Zeitfragen beteiligte er sich mit seinen Broschüren: »Über das Verhältnis des Oberregierungsrats Streckfuß zu der Emanzipation der Juden« (1833) und »Der Streit der Pädagogen und der Ärzte« (1836). In größern Kreisen bekannt machten ihn »Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen« (Mannh. 1841), worin er das Verlangen des preußischen Volkes nach einer Verfassung rechtfertigte. Wegen Hochverrats vom Berliner Kriminalgericht zu 21/2 jähriger Festungsstrafe verurteilt, wenn auch das Obertribunal 1843 das Urteil aufhob, kam er in neuen Konflikt mit den Behörden durch die Schriften: »Das königliche Wort Friedrich Wilhelms III.«, eine Mahnung an das Verfassungsversprechen dieses Königs, »Preuf;en im Jahre 1845« und »Beschränkung der Redefreiheit« (1846). Im I. 1848 tätiges Mitglied der Reformpartei, beteiligte er sich am Vorparlament, kam in den Fünfzigerausschuß und trat in die preußische Nationalversammlung ein. Obwohl er nur selten sprach, ein hervorragendes Mitglied der Linken, war er Mitglied der Deputation, die den König im November 1848 um Bildung eines volkstümlichen Ministeriums statt des eben ernannten Brandenburg-Manteuffelschen ersuchte und rief dem König die taktlosen Worte nach: »Das eben ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen«. 1849 in die deutsche Nationalversammlung gewählt, nahm er am Rumpfparlament teil und fand in Genf Zuflucht. Von der Anklage des Hochverrats vom Geschwornengericht in Königsberg 8. Dez. 1849 freigesprochen, kehrte I. zu seiner ärztlichen Praxis zurück. Beim Sturz des Ministeriums Manteuffel veröffentlichte I. die Schrift »Die Grundsätze der preußischen Demokratie« (Berl. 1859), kam aber erst nach Ausbruch des Militärkonfliktes 1863 in das Abgeordnetenhaus und gehörte zur entschiedensten Opposition. Wegen einer Rede an seine Wähler, worin er Steuerverweigerung als letztes Mittel zur Lösung des Konflikts anriet, wurde er 1864 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, die er 1866 abbüßte. Den Umschwung der Dinge durch den Krieg 1866 nicht anerkennend, trat er im Landtag wie in seiner Zeitung »Die Zukunft« aufs entschiedenste der Regierung entgegen, bekannte sich zuletzt zu republikanischen, ja antinationalen Grundsätzen, erklärte die Einigung Deutschlands für das Grab der Freiheit und wurde m seinen Ansichten um so schroffer, je mehr er sich vereinzelt sah. Beim Ausbruch des Krieges 1870 als Stimmführer der internationalen Demokratie verhaftet und einige Zeit in der Festung Lötzen interniert, erklärte er sich auch sofort gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen. 1871 nicht wiedergewählt, zog er sich ganz vom politischen Leben zurück. Er veröffentlichte noch die Biographie »Heinrich Simon« (Berl. 1865, 2 Bde.) und seine »Gesammelten Schriften und Reden« (Hamb. 1872, 2 Bde.; Nachträge 1877). Aus seinem Nachlaß gab F. Rühl heraus: »Geist der griechischen Geschichte« (Berl. 1884).

2) Louis, Kupferstecher, geb. 7. Juni 1828 in Havelberg, bildete sich seit 1844 im Atelier Mandels zu Berlin. Sein erster Stich war 1850 der heil. Johannes nach Tiarini. Es folgten: die Geschichte und die Sage und die Hunnenschlacht nach Kaulbachs Wandgemälden im Neuen Museum zu Berlin. 1855 ging er nach Paris, 1856 nach Spanien und 1860 nach Italien, wo er sich 21/2 Jahre in Rom aufhielt. 1363 ward er Professor der Kupferstecherkunst an der Wiener Akademie und begann nun seine Hauptarbeit: die Schule von Athen nach Raffael, zu der er eine Zeichnung in Rom gemacht hatte, und die er erst 1882 vollendete. Von seinen übrigen Stichen sind hervorzuheben: die Porträte des österreichischen Kaiserpaars nach Winterhalter, die von Rokitansky, Olfers, Ritter, Cornelius, Guhl, Th. Mommsen, Henzen, Grillparzer, Brücke, dem General de la Motte-Fouqué (nach Pesne), dem Grafen Yorck v. Wartenburg (nach einer Büste Rauchs, für Droysens Lebensbeschreibung Yorcks), Lady Macbeth nachtwandelnd (zu Kaulbachs Shakespeare-Galerie). 1882 wurde er als artistischer Beirat der Reichsdruckerei nach Berlin berufen, wo er außer mehreren kleinen Blättern einen großen Stich nach Soddomas Fresko Alexanders Hochzeit mit Roxane nach eigner Zeichnung ausführte.

3) Hermann, prot. Theolog, geb. 30. Dez. 1836 in Berlin, wurde, nachdem er als Gymnasiallehrer zu Landsberg a. W., in Stendal und seit 1866 als Diakonus in Schloß Heldrungen tätig gewesen war, 1868 ordentlicher Professor der praktischen Theologie in Königsberg, seit 1871 zugleich Universitätsprediger. Aus seinen Veröffentlichungen sind hervorzuheben: »Zwei evangelische Lebensbilder aus der katholischen Kirche« (Fürstin Galizyn und Bischof Sailer, Bielef. 1864); »Liturgik der Reformatoren« (Gotha 1871–1876, 2 Bde.); »Die Gestalt des evangelischen Hauptgottesdienstes« (das. 1879); »Allgemeine Pädagogik auf Grund der christlichen Ethik« (das. 1883); »Luthers vorreformatorische Predigt« (Königsb. 1883); »Das bischöfliche Amt in der evangelischen Kirche« (Halle 1886); »Der erste Brief Johannis in Predigten ausgelegt« (Leipz. 1891); »Neutestamentliche Ethik« (Königsb. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 128-129.
Lizenz:
Faksimiles:
128 | 129
Kategorien: