Reichsdruckerei

[734] Reichsdruckerei, die dem Staatssekretär des Reichspostamts unterstellte, aus der Vereinigung der ehemaligen preußischen Staatsdruckerei und der frühern geheimen Oberhofbuchdruckerei (R. v. Decker) hervorgegangene Reichsanstalt in Berlin. Die R. ist zu unmittelbaren Zwecken des Reiches und der Bundesstaaten bestimmt, aber auch ermächtigt, Arbeiten von Gemeindebehörden und von Körperschaften sowie unter gewissen Voraussetzungen auch von Privatpersonen zu übernehmen. Ihre Hauptaufgabe ist die Herstellung der geldwerten Papiere, wie Postwertzeichen, Wechselstempelzeichen, Reichsbanknoten etc. und von Steuerzeichen aller Art. Außerdem werden in der R. die großen Auflagen der Gesetz- und Verordnungsblätter des Reiches und des preußischen Staates, Formulare und viele Drucksachen für die Reichs- u. preußischen Staatsbehörden angefertigt. Für die Verfahrungsweisen des Kupferstichs, für Photogravüre, Heliographie, Buchdruck, Lichtdruck, Zinkhochätzung, Autotypie, Photographie etc. ist eine besondere chalkographische Abteilung eingerichtet. Die Originalstichplatten der Banknoten, Marken und sämtlicher Wertzeichen in Kupfer- und Buchdruck sowie die galvanischen Materialien für obige Arbeiten werden in der Gravierabteilung hergestellt. Dort wird auch der Stempelschnitt von Druckschriften und Verzierungen ausgeübt, und eine Buchbinderei dient vorzugsweise zur Anfertigung von Prachtbänden und von reichen, stilvollen Umschlägen und Mappen zu Adressen. Die Leistungen der R. haben die heimische Industrie von den Kunst instituten des Auslandes unabhängig gemacht. Sie beschäftigte (Frühjahr 1906) ein aus Beamlen, Künstlern, Werkleuten und Arbeitern bestehendes Personal von 2200 Köpfen und lieferte im Geschäftsjahr 1905. 160,771,000 Stück Wertpapiere, 33,885,000 Bogen Postfreimarken zu je 100 Stück, 116,000 Bogen Postfreimarken zu 20 Stück, 498,847,000 gestempelte Postkarten, 51,211,000 gestempelte Postanweisungen und 4,770,000 Bogen Versicherungsmarken zu 100 Stück. Die Vervielfältigung der Druckplatten erfolgt in der Galvanoplastik. – In der Abteilung für Werkdruck arbeiten 15 einfache und 11 Doppelschnellpressen, 3 Rotationsmaschinen und 4 Tiegeldruckpressen; es werden Setzmaschinen zweier Systeme beschäftigt, von fremdsprachlichen Typen sind 32 Schriften für orientalische Sprachen in 84 verschiedenen Graden vorhanden. Die Schriftgießerei liefert etwa 35,000 kg Schriften jährlich; in der Stereotypie werden rund 39,000 kg Metall im Jahre verarbeitet. Das Budget der Anstalt stellte sich im Etatsjahr 1905 auf 9,214,342 Mk. Einnahmen und auf 6,833,376 Mk. Ausgaben, wovon 2,649,191 Mk. auf Arbeitslöhne entfielen. Künstlerische Veröffentlichungen der Reichsdruckerei sind unter andern: »Die Nibelunge«, ausgestattet von Josef Sattler (1904); Nachbildungen von Kupferstichen, Holzschnitten, Handzeichnungen alter Meister in Heliographie, Zinkhochätzung, Licht- und Farbendruck.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 734.
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