Rhone [1]

[888] Rhone (im Altertum Rhodănus), bedeutender Fluß des europäischen Mittelmeergebietes, zweitgrößter und wasserreichster Fluß Frankreichs, entspringt an der Nordostgrenze des schweizer. Kantons Wallis, 1753 m ü. M., als Abfluß des Rhonegletschers (s. d.), der sich vom Dammastock (3633 m) in der Dammagruppe zwischen dem Grimsel- und Furkapaß 10 km lang herabzieht. Der Fluß durchströmt zunächst das große Längental des obern Wallis, das, südlich von den Lepontinischen und Penninischen, nördlich von den Berner Alpen begrenzt, sich 122 km lang und durchschnittlich 3,5 km breit nach WSW. hinzieht, und nimmt hier rechts die Massa (den Abfluß des Aletschgletschers), die Lonza und Dala, links die Visp, Borgne, Dranse und andre wasserreiche Gletscherabflüsse auf. Das Tal verengert sich bei Martigny, wo der Strom nahezu im rechten Winkel eine Wendung nach NW. macht, und noch mehr bei St.-Maurice zur Porte du Valais (zwischen der Dent de Morcles, 2980 m, im N. und der Dent du Midi, 3260 m, im S.). Der Fluß bildet nun die Grenze zwischen den Kantonen Wallis (links) und Waadt (rechts), wird unterhalb St.-Maurice schiffbar und fällt bei Le Bouveret (372 m ü. M.) in drei Mündungen in den Genfer See, dessen oberes, ehemals bis St.-Maurice reichendes Ende er bereits durch Schuttablagerungen ausgefüllt hat. Beim Austritt aus diesem seinem Läuterungsbecken und Regulator seines Wasserstandes an der Südwestspitze bei Genf nimmt die R. die aus dem Chamonixtale kommende Arve auf, fließt in südwestlicher Richtung durch ein immer enger werdendes Tal zwischen dem Jura und den savoyischen Vorbergen und tritt, nachdem sie eine Strecke hindurch die Grenze zwischen dem Schweizer Kanton Genf und Frankreich gebildet hat, ganz nach Frankreich über, wo sie zunächst das Departement Ain gegen die Departements Obersavoyen und Savoyen begrenzt. In der Schlucht unweit des Forts l'Ecluse verliert sie sich bei niedrigem Wasserstande zum Teil unter Felsblöcken (Perte du R., seit 1828 durch Sprengungen großenteils beseitigt), geht 6 km weiter abermals durch eine enge Felsenschlucht (Mal pertuis) und wird, nachdem sie dieselbe verlassen, bei Le Parc aufs neue schiffbar. Sie biegt nun weit nach S. aus, um die südlichen Ausläufer des Juragebirges zu überwinden, wendet sich bei St.-Genix wieder nordwestlich, darauf westlich und wird, nachdem sie das Gebirge verlassen und den Ain aufgenommen hat, bis zu 3 km breit und reich an Inseln und Kiesbänken. In westlicher Richtung erreicht sie Lyon (162 m ü. M.), wo sie von N. her rechts die Saône aufnimmt. Hier macht sie ihre letzte Hauptwendung nach S. und behält diese Richtung in ihrem ganzen fernern, 335 km langen Lauf bis zu ihrer Mündung in den Golfe du Lion (Löwengolf) des Mittelländischen Meeres bei. Westlich vom französischen Zentralplateau, östlich von den äußersten Ausläufern der Alpen begrenzt, bildet sie hier die Grenze zwischen den Departements Rhone, Loire, Ardèche, Gard (rechts) und Isère, Drôme, Vaucluse und Rhonemündungen (links), während ihr unterster Lauf von Arles an ganz dem Departement der Rhonemündungen angehört. Das Tal, durch landschaftliche Reize und Fruchtbarkeit, unterhalb der Enge von Donzère auch durch südliche Vegetation ausgezeichnet, erweitert sich unterhalb Pont St.-Esprit und öffnet sich bei Avignon in eine breite, reizlose Ebene, einen ehemaligen Meerbusen. Bei Arles teilt sich die R. in einen westlichen und einen östlichen Hauptarm. Der westliche Hauptarm ist der Petit R., von dem sich wieder westlich der R. Vif abzweigt; der östliche, bedeutendere Arm (86 Proz. der ganzen Wassermasse) heißt Grand R. und gibt, bis zur Mündung von starken Dämmen begleitet, nur unbedeutende Seitenarme ab (darunter den Vieux-R.). Die beiden Hauptarme umschließen die Insel Camargue (s. d.), während sich östlich vom Grand R. das Kieselfeld La Crau (s. d.) ausbreitet. Da der Fluß, der von Beaucaire an keine Kiesel mehr rollt, jährlich 21 Mill. cbm Sinkstoffe ins Meer führt, so rückt sein Delta, namentlich am Grand R., rasch vor (57 m jährlich). Die Rhoneschiffahrt ist bei dem reißenden, das Bett häufig ändernden Laufe des Stromes und infolge der versandeten Mündungen auch mit Dampfschiffen sehr gefährlich. In neuerer Zeit sind kostspielige Regulierungsarbeiten ausgeführt worden, welche die Schiffahrtsverhältnisse etwas verbessert haben; auch ist die durch eine Barre mit kaum 2 m Wassertiefe geschlossene, veränderliche Hauptmündung seit 1863 durch den 6 m tiefen Kanal von St.-Louis umgangen worden, der 7 km oberhalb der Mündung direkt südöstlich in den Golf von Fos (3 km lang) führt, so daß der ganze Stromlauf von Le Parc (154 km oberhalb Lyon) an bis ins Mittelmeer auf einer Länge von 489 km schiffbar ist. Die Schiffahrtsbewegung umfaßt zwischen Lyon und Arles, der verkehrsreichsten Strecke, (1902) 6705 Fahrzeuge von 770,744 Ton. Die R. nimmt in der Schweiz den Abfluß von 263 Gletschern im Umfang von über 1000 qkm und auf ihrem ganzen Laufe gegen 100 Zuflüsse auf. Die bedeutendern derselben sind, in der Schweiz links: Arve; in Frankreich links: Isère, Drôme, Eygues und Durance; rechts: Ain, Saône, Ardèche, Cèze und Gard. Die R. hat einen Lauf von 812 km Länge (nach Strelbitsky nur 720 km). Ihr Stromgebiet beträgt 98,885 qkm (1796 QM.), wovon 90,600 Frankreich angehören. Die wichtigste Kanallinie im Flußgebiet der R. ist der Rhein-Rhonekanal (s. d.). Ferner[888] ist das Rhonegebiet durch den Burgunder Kanal (s. d.) mit der Seine und durch den Canal du Centre (s. d.) mit der Loire verbunden. Vom Unterlauf der R. sind außer dem Kanal von St.-Louis (s. oben) die Schiffahrtskanäle von Arles nach Port-de-Bouc (47 km) und von Beaucaire nach Aigues-Mortes (59 km) abgeleitet worden. Ein Kanal von der R. nach Marseille ist projektiert. Vgl. Barron, Le Rhône (Par. 1891); Lenthéric, Le Rhône, histoire d'un fleuve (2. Aufl., das. 1904); Breittmayer, Le Rhône, sa navigation depuis les temps anciens, etc. (Lyon 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 888-889.
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