Leder

[307] Leder, durch verschiedene Prozesse (Gerbprozesse) in der Art veränderte tierische Haut, daß sie unter Erhaltung ihrer wesentlichsten Eigenschaften große Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse aufweist. Während die unveränderte Haut durch Trocknen hornig, hart und brüchig wird, im feuchten Zustande schnell fault und sich beim Kochen mit Wasser unter Bildung von Leim leicht auflöst, besitzt das L. deutlich faserige Struktur und bei genügender Festigkeit große Biegsamkeit und Geschmeidigkeit; es widersteht in der Nässe der Fäulnis und verwandelt sich beim Kochen mit Wasser nicht oder doch schwieriger als Haut in Leim. Die Gerberei verarbeitet hauptsächlich die Häute größerer Säugetiere, aber nicht die ganze Haut, sondern nur die auf chemischem und mechanischem Weg isolierte Schicht, die man als Lederhaut (corium, s. Haut, S. 902), in der Gerberei als Blöße bezeichnet. Die Lederhaut besteht aus Faserbündeln, die aus leimgebender Substanz (Kollagen) gebildet sind und ca. 75 Proz. Wasser enthalten. In diesem Wasser befindet sich eine kleine Menge des Kollagens in scheinbarer Lösung und klebt beim Trocknen der Bloße die Faserbündel zusammen, so daß eine hornartige Masse (Hornleder) entsteht. Alle Gerbprozesse haben den Zweck, das Zusammenkleben der Fasern der Hautschicht beim Trocknen zu verhindern. Man erreicht dies schon durch Alkohol und Glyzerin, aber die so hervorgebrachte »Gerbung« wird durch Wasser sehr leicht beseitigt. Mit Formaldehyd erhält man ein dem sämischgaren L. ähnliches Produkt und auch Pikrinsäure wirkt gerbend. Praktische Bedeutung besitzen aber nur die Gerbung durch Gerbstoff (Loh oder Rotgerberei), durch Alaun mit Kochsalz (Alaun- oder Weißgerberei), durch Mineralsalze, besonders durch Chromsalze (Mineralgerberei), oder durch Fett (Sämisch- oder Ölgerberei). Außer diesen einfachen gibt es noch verschiedene kombinierte Gerbverfahren, bei denen zwei oder selbst mehrere einfache Gerbverfahren zum Ausgerben der Häute angewendet werden, wie denn z. B. das Einfetten der Lederarten eine nachträgliche Fettgerbung darstellt. Die gerbenden Substanzen verbinden sich nicht chemisch mit der Substanz der Haut, sondern dringen nur in deren Poren ein, umhüllen die Fasern und werden von ihnen fixiert, ähnlich wie Farbstoffe von der vegetabilischen oder animalischen Faser in der Färberei. Sie verhindern dadurch das Zusammenkleben der Fasern und sichern dem L. seine Geschmeidigkeit. Das vollkommen gegerbte, gare L. unterliegt schließlich noch bestimmten Behandlungen, durch die es die für den Markt erforderliche Beschaffenheit erhält.

Die Häute sind nach Tiergattung, Alter, Geschlecht, Schlag, Zähmung, Mästung etc. sehr verschieden. Die Zähmung macht die Haut dünner und seiner, Milchhäute (Kalb-, Lamm-, Zickelfelle) sind dünner und von feinerer Struktur als die der erwachsenen Tiere (Strohfresser). Die wichtigsten Häute für die Gerberei sind die des Rindviehs. Wild es Vieh hat stärkere, festere Haut als zahmes, Weidevieh stärkere als im Stall gefüttertes; Stierhäute sind gröber, rauher und am Rücken dünner als Ochsenhäute, dagegen dicker als diese in Nacken- und Bauchgegend; die Haut desselben Tieres ist in der Mitte des Rückens und am Kopf bisweilen doppelt so stark als am Bauch. Stier- und Ochsenhäute und eingeführte Wildhäute geben besonders Sohl- oder Pfundleder, schweres Riemen- und Sattlerleder, Kuhhäute dünneres, weniger dichtes, minder feinkörniges Vacheleder für leichte Sommersohlen, Oberleder, Kutschenverdecke etc.; dünne einheimische und fremde Rindshäute werden auf Schmal- oder Fahl leder, besonders dichte, kurzfaserige und geschlossene Rindshäute auf Sattler- und Geschirrleder und auf Maschinenriemenleder verarbeitet. Büffelhäute finden nur Verwendung für untergeordnete Ledersorten. Kalbfelle geben zähes, weiches, biegsames Oberleder, Kid-, Lackleder etc.; Pferde-, Esel-, Maultierhäute sind dünn, werden aber viel verarbeitet und liefern Sohlleder, ein Surrogat für Kalbleder, L. zu Kutschenverdecken und Sattlerarbeiten; hauptsächlich werden sie aber zu Korduan verwendet. Schaf- und Lammfelle liefern L. von geringerer Stärke zu Handschuhen, Pantoffeln, Futterleder, auch farbiges L. für Buchbinderei etc. Lammfelle liefern vorzügliches Handschuhleder; aus Ziegenfellen macht man Maroquin, Saffian und genarbtes Oberleder für Damenschuhe; Schweinefelle liefern sehr festes Sattlerleder; Hirschfelle werden meist sämischgar gegerbt und auf waschlederne Handschuhe verarbeitet. Robben- und Seehundsfelle liefern L. zu Reisetaschen, Schurzfellen, Mützen und leichten Sommerschuhen. Ausnahmsweise werden auch Nilpferd-, Nashorn-, Elefanten-, Känguruh-, Vögel-, Krokodil- und einige Sorten Fischhäute (Thunfisch), zuweilen auch Hunde-, Katzen-, Gemsen-, Wildschweinsfelle verarbeitet.[307]

[Vorbereitung der Häute.] Die rohen Häute unterliegen einer Reihe vorbereiten der Operationen, die für alle Gerbmethoden im wesentlichen übereinstimmen. Man weicht sie in Weichkasten in reinem Wasser, frische Häute nur wenige Stunden, gesalzene und getrocknete 3–4 Tage. Das vollständige Erweichen wird durch Bearbeiten mit dem Streicheisen, bei schweren Häuten durch Walken im Walkfaß, auf der Walkmühle mit fallenden oder auf der Hautmühle mit pendelartig schwingenden Stampfen befördert, auch setzt man dem Wasser Chemikalien zu, wie Schwefelnatrium, besser Ätznatron, Schweflige Säure. Man reinigt dann die Fleischseite der Haut auf dem Schab- oder Streichbaum mit dem gebogenen und mit zwei Handgriffen versehenen Schab-, Streich- oder Bestoßmesser oder auf Maschinen von anhängenden Fleisch- und Fetteilen. Auf den Maschinen wird die Haut gegen eine rotierende Trommel gepreßt und mit Messerwalzen bearbeitet. Die folgende Operation, das Schwellen und Enthaaren, bezweckt, den Zusammenhang zwischen Oberhaut und Lederhaut zu zerstören, die Entfernung der Haare und der Epidermis vorzubereiten. Dies geschieht nach verschiedenen Methoden. Beim Schwitzen, das meist nur bei Sohlleder und Schaffellen angewendet wird, breitet man die Häute in einer Kammer aus, läßt darin Wasser zerstäuben oder herabtröpfeln und unterhält eine Temperatur von 8–16° (daher Kaltwasserschwitze), bei der die Häute in 6–12 Tagen reif werden. Bei der Dampfschwitze wird in einen geschlossenen Raum Wasserdampf eingeleitet und die Operation bei 20–25° in 24 Stunden vollendet Beim Kälken bringt man die Häute in Kalkmilch, die neben der erwähnten Wirkung das Hautgewebe lockert und anschwellen macht. Das Kälken wird verschieden ausgeführt, in einem oder nacheinander in mehreren Geschirren (Äscher, Kalkäscher). Mehrfach benutzte Äscher enthalten weniger Kalk, aber reichlich Bakterien und Enzyme, die auf die Haut sehr stark einwirken, während frische Äscher hauptsächlich die Haare angreifen. Je nach der herzustellenden Lederart werden verschiedene Äscher und in verschiedener Reihenfolge angewendet. Man unterhält eine Temperatur von 15° und äschert etwa 10 (6–16) Tage. Unterstützt wird der Prozeß durch Bewegung der Häute oder der Äscherbrühe, beim Buffaloverfahren auch durch schließliche Anwendung von warmem Wasser (43°). Zur Unterstützung, Verbesserung des Kalkäschers oder als Ersatz desselben benutzt man zum Enthaaren auch Schwefelarsen, Schwefelnatrium, Schwefelcalcium, Gaskalk, Ätzalkalien. Da Kalk sehr energisch auf die Haut wirkt, so vermeidet man ihn, wo es sich um Darstellung eines festen, dichten Leders handelt, und bedient sich des Verfahrens nur bei der Oberlederfabrikation und für die Herstellung von leichtem Sohlleder (Vacheleder). Das Enthaaren (A. pp ät en) selbst wird durch Handarbeit mit einem stumpfen Schabemesser oder auf Maschinen ausgeführt, worauf man die Blöße auf der Fleischseite mit dem geraden, scharfen Scher- oder Firmeisen bearbeitet, gründlich reinigt, auf der Narbenseite, die durch die Einstülpungen der Epidermis, in denen die Haare gesessen haben, ein eigentümlich genarbtes Ansehen besitzt, mit dem Glättstein glättet und mit Wasser spült. Die enthaarten und gewaschenen Häute werden entkalkt, indem man sie in verschiedene Beizen bringt. Man benutzt Säure- und Zuckerbeizen, Mistbeizen aus vergornem Hühner-, Hunde-, Taubenkot, Kleiebeizen aus Gerstenschrot oder Kleie mit Sauerteig und Wasser und kombinierte Beizen. Zu den Säurebeizen nimmt man Salz- oder Schwefelsäure und setzt vorteilhaft etwas Salmiak hinzu, auch benutzt man Borsäure, Essigsäure, Milchsäure, Kresotinsäuren und Kresolsulfosäure. Als Ersatz der Kotbeizen sind auch künstliche Beizen hergestellt worden, in denen gewisse Bakterien gut gedeihen. Die Beizen bewirken eine Schwellung der Blöße und machen sie dadurch für die Aufnahme von Gerbstoff zugänglicher.

[Lohgerberei.] Die Lohgerberei verarbeitet fast alle in der Gerberei überhaupt zur Anwendung kommen den Häute und benutzt als Gerbmaterialien gerbsäurehaltige Vegetabilien, besonders Rinden, wie die der Eiche, Fichte, Tanne, Hemlocktanne, australischer Akazien, des Eucalyptus occidentalis, der Weide, Birke, Erle etc., Eichenwurzelrinde (Garouille), dann Eichen-, Quebracho-, Kastanienholz, Früchte und krankhafte Auswüchse, wie Valonea, Myrobalanen, Dividivi, Algarobilla, Galläpfel, Knoppern, Rowe, Wurzeln, wie Canaigre und Ratanhia, Blätter, wie Sumach, Extrakte, wie Katechu, Gambir. Bei der Lohgerberei wird ein Teil des Gerbstoffes durch Flächenanziehung auf die Faser niedergeschlagen, ein weiterer Anteil bleibt als amorphe Masse in den Poren der Haut liegen, indes verbindet sich auch ein Teil des Gerbstoffes mit dem gelösten Kollagen und ein andrer Teil dringt in die Fasern ein und fällt darin vorhandene Eiweißstoffe. Lohgares L. ist weder zügig noch ausdehnungsfähig, dagegen hat es auf Kosten der Fläche an Dicke gewonnen. Es hat geringere Zerreißungsfestigkeit als Alaunleder, ist aber widerstandsfähiger gegen Wasser und schwache Säuren, während es von alkalischen Lösungen stärker angegriffen wird. Durch Kochen mit Wasser wird es schwer und unvollständig in Leim übergeführt. Das feste, steife Sohlleder kann nicht wie Mineralleder durch mechanische Bearbeitung weich gemacht werden. Die Häute nehmen beim Gerben sehr viel (auf Trocken gewicht berechnet etwa 1/3) Gerbstoff auf. Im allgemeinen braucht man zu 1 Ztr. Sohlleder 4,5–5, zu Schmal leder 3,6, zu Kalbleder 3,4 Ztr. Eichenrinde und zu Sohlleder 8 Ztr. Fichtenrinde. Man schichtet die Blößen in hölzernen oder gemauerten Versetzgruben mit gemahlener Lohe, füllt alle leer bleibenden Ecken mit alter Lohe, bedeckt auch die oberste Haut mit solcher, pumpt die Grube voll Wasser und verschließt sie. Nach 8–10 Wochen packt man die Häute mit frischer Lohe in eine zweite Grube, in der sie 3 bis 4 Monate bleiben, dann abermals mit frischer, aber weniger Lohe in die dritte und nach weitern 4–5 Monaten in eine vierte, starke Wild häute selbst noch in eine fünfte Grube, so daß derartige L. erst nach zwei Jahren und länger gar werden. Sie zeigen dann beim Durchschneiden mit einem scharfen Messer eine gleichförmige, von fleischigen oder hornartigen Streifen freie Fläche. Sohlleder, das mit Weißbeize geschwellt und mit Knoppern oder Balonen gegerbt wurde, heißt Pfundleder. Zur Darstellung von Brandsohlleder (Halbsohlleder, Terzen) bringt man die durch Kälken enthaarten und gereinigten Blößen in immer stärkere Lohbrühen (Farben), die neben Essig- und Milchsäure reichlich Gerbsäure enthalten, und behandelt die Häute dann in den Gruben wie das übrige Sohlleder.

Bei der Schnellgerberei werden stärkere Gerbstofflösungen angewendet als bei dem beschriebenen alten Verfahren. Die frisch bereiteten süßen Brühen enthalten gärungsfähige Stoffe (Zucker) und werden unter der Einwirkung von Bakterien und Hefen bald[308] sauer, wobei sich namentlich Milch- und Essigsäure bilden, die auf die Blöße schwellend wirken (Treibfarben). Die festen und harten Ledersorten, die Unterleder (Sohlleder, Riemenleder, Blankleder) erfordern mehr Säure als die weichen, biegsamen Oberleder. Dies bedingt die Auswahl der Gerbmaterialien, da diejenigen mit reichem Zuckergehalt leichter säurereiche Brühen geben. In den ersten Stadien des Gerbprozesses werden zuckerreiche, gerbstoffärmere Gerbmaterialien, in den letzten zuckerarme, gerbstoffreichere angewendet. Beschleunigt wird die Gerbung durch Bewegung der Brühe oder der Häute in der Brühe (Faßgerbung), auch durch Wärme und Luftdruck, und darauf gründen sich die zahlreichen neuen Vorschläge und Verfahren, die aber zum großen Teil Waren liefern, die mit den nach den alten Verfahren hergestellten nicht konkurrieren können. Die Grubengerbung liefert im allgemeinen zäheres, dauerhafteres L. als die Brühengerbung, und man hat daher beide Verfahren kombiniert, indem man die Blößen in Brühen angerbt und dann in Gruben fertig gerbt. Man gewinnt hierbei bedeutend an Zeit und erhält sehr gutes L.

Das gare Sohlleder wird durch Bearbeitung mit dem Streicheisen entwässert, mit Tran, Talg und Dégras eingerieben und gewalkt. Um ihm die nötige Dichte und Festigkeit zu geben, wird es auf glatter Unterlage mit der Karrenwalze bearbeitet oder auf einer Maschine zwischen zwei Walzen unter einem Druck von 6000 kg hindurchgezogen, auch mit dem durch Maschinenkraft betriebenen Lederhammer verdichtet. Alle übrigen lohgaren L. werden zunächst in einem Walkfaß bearbeitet und dann zur Beseitigung von Fallen, Grübchen mit abgerundeten Schiefersteinen oder dem Stoßeisen auf der Fleischseite unter kräftigem Druck ausgestoßen oder besser auf der Ausstoßmaschine bearbeitet, bei der man einen mit stumpfen Eisen besetzten endlosen Riemen auf das auf einer Tischplatte ausgebreitete L. wirken läßt, das dann noch gefettet wird. 100 kg rohe Haut liefern 45–50 kg Sohlleder; da dieses aber nach dem Gewicht verkauft wird, so wird es nicht selten mit (bis 20 Proz.) Chlorbaryum, Chloraluminium, Stärkezucker etc. beschwert.

Häufig wird das L. der Fläche nach gespalten, um ein dünneres L. mit Narbe von gleichmäßiger Stärke und einen für untergeordnetere Zwecke verwendbaren Fleischteil (Spalt) zu erhalten. Man führt auf der Spaltmaschine das L. durch Walzen einem über zwei Scheiben umlaufenden Bandmesser zu, das durch einen Schleifapparat beständig scharf erhalten wird, oder benutzt eine Maschine mit feststehendem Messer. Das gare Oberleder wird gewaschen, auf der Fleischseite ausgestoßen, auf der Narbenseite geglättet, getrocknet oder gepreßt und mit Fischtran leicht eingerieben, nach 24 Stunden auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Talg und Tran oder anderm Fett bestrichen, zusammengerollt, gewalkt, auf der Fleischseite nachgeschmiert und getrocknet. Zur weitern Appretur reinigt man das L. auf der Fleischseite mit dem Falz- oder Dolliermesser von Knoten, Fasern etc. (Dollieren) oder bearbeitet es auf der Dolliermaschine mit Schleifsteinen oder Schleifwalzen. Zum Glätten der Narbenseite bearbeitet man leichtere L. mit dem Pantoffel- oder Korkholz, das auf der untern Seite mit glattem Kork belegt ist, mit dem Glättstein oder mit einer an einem federnden Pendel hängenden, stoßweise wirkenden Pendelwalze, die durch eine Kurbel bewegt wird. Schwerere Oberleder werden zwischen Walzen bearbeitet, von denen die obere aus poliertem Metall, die untere aus elastischem Material besteht. Durch Bearbeiten des Leders mit dem gekerbten Krispelholz erzeugt man Milde und Weichheit und gibt damit auch der Narbe ein gefälligeres Aussehen. Nach dieser Methode erhält man das braune Oberleder (Schmal-, Fahlleder), das aus Kalbfellen, Kipsen und Kuhhäuten dargestellt wird. Die Fabrikation des schwarzen Oberleders, des schwarz gewichsten Kalbleders und des Roßoberleders weicht dagegen in manchen Punkten ab. Ersteres wird mit Blauholzabkochung und etwas Soda grundiert, dann mit Eisensalzlösung bestrichen, nach dem Schwärzen auf der Narbenseite mit Fischtran eingerieben etc. Die Wichsfelle werden nach der ersten Appretur gefettet, auf der Narbenseite zuerst mit einer Mischung aus Ruß und Fett geschwärzt und schließlich mit einer Mischung aus Leim und Fett behandelt. Wird das feuchte L. gefettet und dann der Luft ausgesetzt, so verschwindet das Fett für die Wahrnehmung vollständig, wie bei der Sämischgerberei (s. unten); derartig eingefettetes L. ist gewissermaßen zweimal gegerbt, es ist lohgar und zugleich sämischgar. L., die nicht der Feuchtigkeit ausgesetzt werden, tränkt man auch mit Glyzerin, das niemals trocknet und das L. stets geschmeidig erhält. Die Farbe des Leders hängt vom Gerbmaterial und von dem Gerbverfahren ab. Alte Lohe gibt dunkles, Ellernrinde schmutzigbraunes, Weidenrinde, Sumach, Fichtenrinde, Knoppern, Dividivi geben helleres L. Dunkle L. kann man durch Behandlung mit sehr verdünnter Salz- oder Schwefelsäure oder mit saurer Milch etwas heller machen, doch nicht ohne Beeinträchtigung ihrer Güte. Das Lackleder (Glanzleder) wird aus lohgarem Kalb-, Ziegen- und Kuhleder hergestellt, indem man es entsprechend vorbereitet, wenn es recht geschmeidig werden soll, häufig spaltet und dann mit einem Grund aus Kienruß und Umbra versieht, der an der Luft, dann im Lackierofen getrocknet und mit Bimsstein abgeschliffen wird. Nachdem diese Operationen einigemal wiederholt sind, streicht man das L. mit einem eigentümlichen Lackfirnis (Blaulack, mit Berlinerblau bereitet), der eine schwarze Farbe enthält. In stark geheizten Räumen wird dieser Lack dünnflüssig, breitet sich auf dem horizontal liegenden L. gleichmäßig aus und trocknet unter Erzeugung einer spiegelblanken Oberfläche. Kalbfelle, die auf der Fleischseite lackiert werden, sind nun fertig, während auf der Narbenseite lackierte Kuhleder zuletzt auf einer erwärmten Steintafel aufgekraust werden. Farbige Lackleder werden mit farbigen, aber dünnflüssigen Lacken bei minder hoher Temperatur hergestellt.

[Weißgerberei.] Die Alaun- oder Weißgerberei verarbeitet Häute von der schwersten Büffelhaut bis zum leichtesten Schaffell und liefert ein weißes L., dessen Fasern zwar zunächst schwach aneinander haften, aber durch einfache mechanische Bearbeitung (Aufstollen) voneinander gelöst werden können, worauf dann das L. weich und zügig erscheint, auch einen bedeutenden Grad von Zähigkeit besitzt. Niemals aber ist das Gerbmaterial in dem weißgaren L. so fest gebunden wie in dem lohgaren; es läßt sich mit Wasser ausziehen, und das L. ist dann wieder in Haut verwandelt. Beim Kochen mit Wasser wird es viel leichter als das lohgare L. in Leim übergeführt. In welcher Weise der Alaun wirkt, ist noch nicht völlig aufgeklärt, wahrscheinlich aber wird auf die Faser ein basisches Tonerdesalz niedergeschlagen. Das Kochsalz begünstigt diesen Prozeß. Das weißgare L. hatte früher größere[309] Bedeutung als jetzt, es ist vielfach durch lohgares und in manchen Fällen auch durch sämischgares L. verdrängt worden; das Glacéleder und in neuerer Zeit das Kidleder sowie die Chevreaux für Fußbekleidung sind gegenwärtig die wichtigsten Artikel der Weißgerberei. Bei der gemeinen Weißgerberei werben Schaf- und Ziegenfelle verarbeitet, und, sofern erstere noch mit Wolle versehen sind, durch ein eigentümliches Verfahren (Anschwöden) enthaart, um die Wolle (Gerberwolle, Raufwolle) zu schonen. Man bestreicht sie auf der Fleischseite mit einem wässerigen Brei aus Kalk und Schwefelarsen, oder aus Kalk und Natriumsulfid oder aus Schwefelcalcium, legt sie so zusammen, daß die Wolle mit dem Kalk nicht in Berührung kommt, bringt sie in einen Behälter und packt sie um, sobald Erwärmung eintritt. Nach hinreichender Lockerung der Wolle wird dieselbe ausgerauft und der Kalk durch Waschen und mechanische Arbeit entfernt. Nachdem die Häute dann eine weiße Schwellbeize passiert haben, bringt man sie in die Gerberbrühe. Letztere besteht für 100 Stück Blößen von mittleren Größen aus 8 kg Alaun und 2,25 kg Kochsalz in 60 Lit. Wasser gelost. Statt des Alauns wird auch schwefelsaure Tonerde benutzt. Man zieht die Felle ein- oder zweimal hindurch, um sie dann auseinander zu legen und nach 2–3 Tagen auszuringen und zu trocknen. Sie zeigen sich dann ziemlich steif, werden aber durch das Stollen, wobei man sie der Breite nach über eine stumpfe, bogenförmige Schneide hinwegzieht, sehr weich und zart. Diese Ware dient als Weißleder besonders zu Schuhfutter. Die ungarische Weißgerberei wird auf Büffel-, Rinds- und Roßhäute angewendet und liefert besonders Riemen- und Sattlerleder. Man weicht die Häute ein, enthaart sie mit einem scharfen Putzmesser ohne Anwendung chemisch wirkender Mittel, wie Kalk etc., und bringt sie ohne weiteres in die Alaun- und Kochsalzbrühe, in der sie durchgetreten werden und im Sommer 8 Tage, im Winter 1–2 Monate liegen bleiben. Nach dem Trocknen wird dies L. gereckt, in der Wärme auf beiden Seiten mit Talg getränkt, über Kohlenfeuer hin und her gezogen und dann aufgehängt. Auch hier verbindet sich das Fett mit der Faser, und das L. wird gewissermaßen zweimal gegerbt. Es zeichnet sich durch große Stärke und Zähigkeit aus. Nach der französischen oder Erlanger Glacéledergerberei, die das zarteste und weichste L. (besonders zu Handschuhen) liefert, werden Zickel- und Lämmerfelle angeschwödet oder mit Kalk, bisweilen unter Zusatz von Auripigment, Gaskalk oder Schwefelnatrium, enthaart, dann gewaschen und wiederholt abwechselnd in Wasser mit hölzernen Stampfen behandelt und auf der Narben- und Fleischseite bearbeitet. Dann bringt man sie in eine Kleienbeize, reinigt sie nach 24 Stunden und schreitet nun zur Gerbung. Hierzu dient ein Brei (Nahrung) aus 85 kg Mehl, 700 Eidottern, 10,5 kg Alaun. 2,6 kg Kochsalz und der erforderlichen Menge Wasser (auf 1000 Felle oder 300 kg). Die Felle werden in dem Brei bei 35° getreten und bleiben schließlich 24 Stunden darin liegen. Aus dem Alaun tritt, wie bei der gewöhnlichen Weißgerberei, basisch schwefelsaure Tonerde in die Haut ein und verbindet sich mit der Faser; das Kochsalz wirkt fördernd auf den Prozeß, das Weizenmehl liefert vielleicht eine Verbindung von Kleber mit Tonerde, die in die Haut eingeht, und das Eigelb wirkt durch seinen Gehalt an Fett, welches das L. geschmeidig macht. Es kann durch Emulsionen fetter Öle ersetzt werden. Das gare L. wird langsam getrocknet, durch Wasser gezogen, auf Haufen gebracht, nach gleichmäßigem Durchfeuchten auf der Kurbelwalke bearbeitet und dann in der Länge und Breite über eine stumpfe, halbrunde Klinge gezogen (gestollt). Schließlich läßt man die Felle abermals etwas trocknen, bearbeitet sie auf der Kurbelwalke und egalisiert sie in der Dicke auf einer dem Stolleisen ähnlichen, aber scharfen Klinge. In der Regel wird nun das Glacéleder gefärbt, und zwar entweder durch Eintauchen in die Farbebrühe oder durch Auftragen der letztern mit einer Bürste (Fixfärberei). Früher färbte man nur mit Pflanzenfarben, jetzt fast ausschließlich mit Anilinfarben. Die gefärbten Felle werden schnell getrocknet und dann durch Treten und Stollen zugerichtet. Kidleder aus Kalb- und Ziegenfellen wird zu Schuhwerk verwendet. Die Kidgerberei weicht von der Glacégerberei nur in einigen Punkten ab, die Bearbeitung in der Nahrung erfolgt hier mit einer durch Dampfkraft bewegten Walke. In der Regel werden die Felle mit Blauholz und chromsaurem Kali schwarz gefärbt und erhalten zarten, milden Glanz, indem man sie mit einer Emulsion aus Seifenlösung, Wachs und Talg bestreicht, dann wie Wäsche bügelt und auf der Narbenseite mit Fett einreibt. Die Glanz-Chevreaux aus Zickelfellen werden nach dem Färben getrocknet und auf der Glanzmaschine geglänzt.

Das in England als Crown leather bekannt gewordene L. wurde zuerst von Klemm nach einem ihm 1849 in Württemberg patentierten Verfahren hergestellt und ist jetzt in England, Deutschland, der Schweiz, in Nordamerika (als Eurekaleder) sehr verbreitet. Nach dem ursprünglichen Verfahren werden die enthaarten trocknen Häute auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Mehl, Rindshirn, Butter, Milch, Klauenfett und Salz bestrichen, in rotierenden Trommeln unter Zuströmen warmer Luft bearbeitet, an die Luft gehängt, von neuem mit dem Gemisch behandelt und hiermit so lange fortgefahren, bis sie gar sind. Das L. ist besonders biegsam, leicht, fest und dauerhaft. Nach einem zwischen dem Weiß- und Sämischgerben stehenden Verfahren erhielt Klemm das Fettleder, das, aus starken Häuten bereitet, zu Maschinenriemen, schwerem Schuhwerk, Tornistern etc. verwendbar ist, während Hirsch-, Reh-, Ziegen-, Schaf- und Gemsfelle die schönsten Handschuhleder liefern. Es wird durch anhaltende Behandlung mit siedendem Wasser wenig oder kaum verändert. Zur Darstellung werden die Häute durch Anschwöden enthaart, ausgewaschen und ausgestrichen, in Kleienbeize behandelt, in frischem Wasser abgeschwenkt und auf der Fleischseite ausgestrichen. Zum Gerben benutzt man eine salzhaltige warme Alaunbrühe, in der die Häute 24 Stunden verbleiben; dann wäscht man sie mit lauem Wasser, bearbeitet sie in einem Brei aus Mehl, Hirn und Kammfett und läßt sie trocknen.

Eine kombinierte Loh- und Alaungerbung, die Dongolagerbung, hat in Amerika weite Verbreitung gefunden. Sie wird in verschiedener Weise ausgeführt. Man pökelt z. B. Kuhhäute in einem Faß mit Salz und Schwefelsäure, gerbt sie in einem Haspelgeschirr mit Alaun, Kochsalz und Katechu an und bringt sie dann auf die Spaltmaschine. Die erhaltenen Spalte werden mit verschiedenen Gerbmaterialien, wie Hemlockrinde, Sumach, Katechu, fertig gegerbt.

[Mineralgerberei.] Der Weißgerberei schließt sich die Mineralgerberei an, die speziell die Lohgerberei ersetzen soll und bereits sehr beachtenswerte Resultate[310] erzielt hat. Man benutzt bei dem Einbadverfahren eine Lösung von Chromchlorid, Chromalaun oder Chromsulfat, versetzt sie mit so viel Soda, bis sich ein bleibender Niederschlag zu bilden beginnt, und gerbt in der erhaltenen Lösung des basischen Salzes die Blöße aus. Man beginnt mit schwächern Losungen und geht allmählich zu stärkern über, darf aber das L. nicht mit Chrom übersättigen, da es sonst brüchig und weniger fest wird. Beim Zweibadverfahren oder der sauern Chromgerbung benutzt man auf 100 kg Blöße etwa 5 kg rotes chromsaures Kali, in 500 kg Wasser gelost, mit 2,5 kg Salzsäure. Die Blöße wird in dem Bade bewegt, bis sie durch und durch gelb ist, dann herausgenommen, von überflüssiger Chromsäure durch Abtropfen, Ausrecken oder Ausstoßen befreit und in das Reduzierbad, eine Lösung von 12 kg Natriumthiosulfat in 400 Lit. Wasser mit 6 kg Salzsäure, gebracht, worin die freigemachte Thioschwefelsäure die Chromsäure zu Chromoxyd reduziert. Es bildet sich basisches Chromsalz, das von der Haut aufgenommen wird, und zugleich lagert sich Schwefel im L. ab, der zur Milde des fertigen Leders beiträgt. Die Gewichtsvermehrung ist bei der Chrom-wie auch bei der Alaungerberei viel geringer als bei der Lohgerberei, obwohl bei der Chromgerbung die Haut stark zusammenschrumpft. Das Chromleder ist weniger zügig als Alaunleder, und wenn der Zug nach läßt, springt es wieder zurück (daher »Kautschukleder«). Es besitzt, sehr weichen Griff, ist biegsam und elastisch und von großer Widerstandsfähigkeit gegen Zerreißen und Abnutzung. Mit Wasser kann Chromleder sogar einige Zeit gekocht werden, ohne Schaden zu leiden, auch ist es gegen Alkalien und Säuren viel widerstandsfähiger als andre L. Fetten, Farben und Façonnieren müssen vor dem völligen Austrocknen des Chromleders vorgenommen werden, denn nach völligem Austrocknen kann es auch nicht in warmem Wasser wieder aufgeweicht werden. Chromleder ist sehr leicht, daraus gefertigtes Schuhwerk braucht nicht mit Wichsen oder Polituren geputzt zu werden, vielmehr genügt das Abreiben mit einem feuchten Lappen und Putzen mit trocknem Flanell.

[Sämischgerberei.] In der Sämisch-, Fett- oder Ölgerberei verwandelt man Hirsch-, Reh-, Gems-, Elen-, Schaf-, Ziegen-, Kalbfelle, auch Ochsenhäute in L., indem man sie mit Fett oder Tran (das jetzt meist mit einigen Prozenten Karbolsäure versetzt wird) imprägniert und der Luft aussetzt. Das Fett verschwindet dabei für die Wahrnehmung vollständig; es läßt sich aus dem L. nicht mehr durch Waschen entfernen, und beim Kochen mit Wasser verwandelt sich das L. äußerst schwer in Leim. Das sämischgare L. ist ungemein weich und von fast wolliger Beschaffenheit, besonders wenn die minder dehnbare und geschmeidige Narbe abgestoßen wurde. Es ist nicht wasserdicht, verliert aber durch Wasser nicht seine Gerbung und kann ohne Schaden gewaschen werden (Waschleder). Die Häute werden geweicht, enthaart, wobei man von den starkern zugleich die Narbe abstößt, dann wiederholt mit Kalk behandelt und auf der Fleisch- und Narbenseite bearbeitet. Hierauf wässert man die Häute in lauwarmem Wasser, bringt sie in angewärmte, stark saure Kleienbeize und spült und preßt oder ringt sie aus. Behufs der Gerbung werden die Felle wiederholt mit Tran eingerieben, gewalkt und dazwischen der Luft ausgesetzt, bis sie nur noch wenig Fett aufzunehmen vermögen. Schon während des Aushängens an die Luft verändert sich ein Teil des Fettes und verbindet sich mit der Haut; die Umwandlung und Bindung des größern Restes erreicht man durch Aufschichten der Felle in der Wärmekammer, wobei eine Art Gärung eintritt und das Fett energischer Oxydation unterliegt (Färben in der Braut). Das ölgare L. ist nun gelo und besitzt einen eigentümlichen, nicht mehr tranigen Geruch. Es enthält aber immer noch etwas ungebundenes Fett und wird deshalb zunächst mit lauwarmer Pottaschelösung behandelt (s. Dégras), dann ausgerungen, getrocknet und gestollt, um ihm die größte Geschmeidigkeit zu geben. Man kann das sämischgare L. auch bleichen, indem man es an der Sonne mit Wasser, Seifenlösung oder der zum Ausweichen benutzten Pottaschelösung benetzt. Gefärbt wird das sämischgare L. durch Eintauchen, worauf man es in eine Lösung von Eigelb, Alaun und Wasser bringt, spült, trocknet und glättet. Zum Gelbfärben mischt man Ocker, Kreide und Schüttgelb mit Wasser und wenig Kleister zu einem Brei, trägt diesen mit einer Bürste auf, läßt trocknen, stollt und schüttelt das nicht haftende Pulver aus. Weiß färbt man in ähnlicher Weise mit Kreide. Für andre Farben beizt man mit Alaun und trägt dann die Farbebrühe mit einer Bürste auf. Rauh- oder Rauchleder ist sämischgares L., dessen Narbe nicht abgestoßen worden und dessen Fleischseite geschwärzt ist; es ist wegen seiner Milde und Weichheit zu Damenstiefeln sehr beliebt. Transparentleder ist mit verdünntem, alaunhaltigem Glyzerin imprägnierte und getrocknete Haut. Es ist sehr weich und eignet sich vorzüglich zu Bindriemen; gegen Wasser verhält es sich nicht viel anders als Haut.

[Prüfung.] L. beurteilt man in der Regel nach der Beschaffenheit des Schnittes, der Geschmeidigkeit und dem Gewicht. Zur Ermittelung des Wassergehalts trocknet man 10 g zerschnittenes L. im Luftstrom bei 80–90°. Erhält man beim Einäschern von 5 g L. im Platintiegel zu viel Asche (7–10 Proz.), so deutet dies auf Beschwerung, und die Asche muß näher untersucht werden. Wichtig ist die Bestimmung des Kalkgehalts in der Asche, weil Kalk die Haltbarkeit des Leders beeinträchtigt. Zur Ermittelung des oft übermäßig hohen Fettgehalts kocht man 5–10 g sein zerschnittenes L. mit 6–8proz. Natronlauge, zersetzt darauf die erhaltene Seifenlösung mit Salzsäure und bestimmt das Gewicht der abgeschiedenen Fettsäuren. Da Haut ca. 30 Proz. Stickstoff enthält, so kann man durch Bestimmung des Stickstoffgehalts leicht den Gehalt des Leders an Hautsubstanz ermitteln. Die Schnittfläche muß bei garem L. in der ganzen Masse gleichmäßig sein und darf keine dunkeln Streifen zeigen. Früher forderte man einen gleichmäßig dunkeln Schnitt, neue Gerbmaterialien geben aber einen hellen Schnitt, und bei einer gewissen Ausführung des Gerbprozesses können ganz leicht lichte Streifen entstehen, obwohl das L. gut durchgegerbt ist. Legt man ein durch die ganze Dicke des Leders geschnittenes Stückchen von 0,5 mm Dicke in 20proz. Essigsäure, so behält der Schnitt bei vollständiger Gare sein gleichmäßiges Aussehen, ist das L. aber nicht völlig durchgegerbt, so auellen die ungaren Partien auf und werden nach 15 Minuten durchscheinend. Beim Kochen mit Wasser schrumpft in dünne Streifen zerschnittenes lohgares L. stark ein und wird bröckelig; die Flüssigkeit ist durchsichtig rotbraun und gelatiniert nicht beim Erkalten, wenn man sie zur Sirupskonsistenz verdampft. Als Beschwerungsmittel dienen besonders Chlorbaryum, Chloraluminium, Traubenzucker, die in dem mit lauwarmem Wasser erhaltenen Auszug[311] leicht nachweisbar sind. Die Festigkeit des Leders untersucht man auf einer Zerreißmaschine. Je mehr Wasser ein Stück L. von bestimmter Größe, Dicke und Gewicht aufnimmt, um so schlechter ist es. Folgende Tabelle zeigt das Verhalten von gutem, lohgarem L.:

Tabelle

[Hygienisches.] Die Gerbereien sind für die Arbeiter und für die Nachbarschaft in mehrfacher Beziehung hygienisch ungünstig. Beim Schwitzen der Häute entwickeln sich schwefelammoniumhaltige Gase, die Vergiftungserscheinungen, selbst den Tod herbeiführen können, wenn die Räume, in denen die Operation zur Ausführung gelangt, vor dem Betreten durch die Arbeiter nicht hinreichend gelüstet werden. Durch neuere Methoden ist diese Gefahr indes wesentlich herabgemindert worden. Wo Schwefelarsen zum Enthaaren angewendet wird, leiden die Arbeiter an Geschwüren und Hautkrankheiten der Finger. Arbeiten mit faulem Harn erzeugen Übelkeit und Ohnmachten. Infolge unvermeidlicher Durchnässungen und Erkältungen leiden die Gerber häufig an Lungenentzündungen und Rheumatismen, die Arbeiter in den Lohmühlen erkranken durch den Staub an Katarrhen der Respirationsorgane. Dieser Übelstand kann durch geschlossene Apparate und absaugende Ventilation beseitigt werden. Bei der Verarbeitung von Häuten milzbrandiger Tiere ergibt sich Ansteckungsgefahr, die durch zufällig vorhandene Wunden, auch durch die Speisen, vermittelt wird (vgl. Milzbrand). Milzbrand wird besonders häufig durch die eingeführten getrockneten sogen. Wildhäute übertragen. Abwässer aus Gerbereien, die Wildhäute verarbeiten, können Wiesen auf weitem Umkreis verseuchen. In der Pelzgerberei ist der Staub, der aus Schlämmkreide, Gips, Kleie, Sägespänen besteht, verderblich. Die Anlage von Gerbereien ist konzessionspflichtig, sie sollte nie in bewohnten Stadtteilen und immer nur an Flüssen unterhalb der Stadt geduldet werden. Kleinere Wasserläufe können durch Einweichen der Häute so arg verunreinigt werden, daß die Fischzucht leidet. Im allgemeinen ist das Spülen der Felle in den Flüssen, wie auch das Ablassen der Abwässer in diese verboten. Zur Reinigung der letztern genügt meist Filtration durch eine etwa 0,75 m dicke, öfter zu erneuernde Loheschicht. Am ratsamsten ist es, bei der Anlage größerer Gerbereien für die Beschaffung eines Terrains zu sorgen, auf dem die Abwässer durch Rieselfelderbetrieb unschädlich gemacht werden können. Niemals dürfen flüssige und feste Abfälle der Gerbereien in den Boden versenkt werden, auch müssen alle Gruben wasserdicht sein; der Fußboden der Werkstätten ist mit Zement oder Asphalt zu belegen und die Wände sind 1,5 m hoch mit Ölfarbe zu streichen. Feste Abfälle sind in wasserdichten, bedeckten, mit Kalk versetzten Gruben anzusammeln. Diese Gruben dürfen erst nach gründlicher Lüftung betreten werden.

Geschichtliches und Statistisches.

Die Gerberei ist einer der ältesten Industriezweige. Die ausgedehnte Benutzung der Tierhäute führte zur Entdeckung einer Behandlungsweise, durch die sie vor Fäulnis geschützt wurden, und vielleicht gelang zuerst die Herstellung einer Art sämischgaren Leders. Aus dem Versuch, die durch Fäulnis enthaarte Blöße mit (gerbstoffhaltigen) Brühen zu färben, entwickelte sich die Lohgerberei. Lange vor Beginn unsrer Zeitrechnung waren lederne Gefäße und Kleidungsstücke bei Ägyptern und Juden gebräuchlich, und von diesen erhielten auch die Römer das L. Die Enthaarung erzielte man bei den Römern durch Urin und Maulbeerblätter, auch mit Hilfe der Frucht der Zaunrübe. Als Gerbmaterialien waren Kiefern-, Erlen- und Granatbaumrinde, Galläpfel, Sumach, Eicheln, bei den Ägyptern die Schoten einer Akazie gebräuchlich; doch benutzte man auch Alaun mit Salz. Im Mittelalter, wo schon bei allen zivilisierten Völkern L. dargestellt wurde, scheint die Gerberei einen vorwiegend landschaftlichen Charakter angenommen zu haben, und noch jetzt tritt solcher hier mehr als in andern Industriezweigen hervor. Das Gerben mit Galläpfeln bildete sich als die Methode des Orients, das Gerben mit Eichenlohe als die des Okzidents, das Gerben mit Alaun als die der Sarazenen heran. Der Orient übertraf in seinen Produkten lange Zeit den Westen; 1749 wurde die erste europäische Saffianfabrik im Elsaß errichtet, aber erst seit 1797 datiert mit der Gründung der Gerberei in Choisy bei Paris der Aufschwung der französischen Saffiangerberei. In Deutschland (Württemberg) fand diese Fabrikation bald nach 1800 Eingang. Die englischen Lohgerbereien erzeugten im 18. Jahrh. bereits vorzügliches L. In Deutschland erlangten die Gerbereien in Malmedy und Mainz großen Ruf. Die Berliner Lohgerberei gewann seit 1734 durch französische Einwanderer bedeutende Erweiterung und Vervollkommnung. Die zuerst in Frankreich mit Erfolg betriebene Lacklederfabrikation pflanzte sich bald nach Deutschland fort, ebenso das Weißgerben von Ziegen-, Lamm- und Schaffellen, das anfänglich ein besonderer Industriezweig der Stadt Annonay und ihrer Umgegend war. 1769 hatte Macbridge das Gerben mit Lohbrühe vorgeschlagen; eine irrationelle Darstellungsweise der Brühe war aber der Ausbreitung dieser Methode lange hinderlich, und erst zu Ende des 18. Jahrh. fand sie allgemeine Anwendung. Später wetteiferten Engländer und Amerikaner in der Ausbildung der Schnellgerberei. Während dann die Arbeiten von Knapp, Lietzmann, Rollet, Reimer, Körner einen gewissen Einblick in das Wesen der Gerberei verschafften, war man in der Praxis vor allem bemüht, durch Einführung von Maschinen die Behandlung der Häute und die Zurichtung des Leders zu vervollkommnen. Schon vor 1800 hatte man in der Schweiz durch Wasser getriebene Hämmer zum Verdichten des Sohlleders benutzt; später ging man zu Vertikalhämmern über und ließ in der Folge den Stempel nicht mehr schlagend, sondern drückend wirken. Auch die Konstruktion der Lederspaltmaschinen datiert aus dem 18. Jahrh. Neben der Einführung der Maschinenarbeit hat auch die Einbürgerung fremder Gerbstoffe, die gehaltvoller und billiger waren als die heimischen, die Gerberei sehr wesentlich gefördert. Knapp beschäftigte sich seit Anfang der 1850er Jahre mit der[312] Benutzung von mineralischen Substanzen zur Darstellung von L. und nahm 1861 ein Patent auf sein Verfahren. Größere praktische Bedeutung gewann die Mineralgerberei aber erst in neuester Zeit, namentlich auch durch die Bemühungen von Heinzerling, der zuerst chromgares L. darstellte. In der jüngsten Zeit ist ein sicherer Weg zur weitern Hebung der Gerberei angebahnt worden, zunächst in Österreich durch Gründung einer Versuchsstation für Lederfabrikation (1874), auf der wissenschaftliche Untersuchungen ausgeführt werden, dann im Deutschen Reich durch Errichtung der Deutschen Gerberschule zu Freiberg in Sachsen (1889) und durch Gründung der Deutschen Versuchsanstalt für Lederindustrie daselbst (1897). Letztere gibt Gelegenheit zur Ausführung wissenschaftlicher Untersuchungen und bildet einen Mittelpunkt für Raterteilung. Andre Staaten haben ähnliche Einrichtungen. Gegenwärtig bildet die Lederfabrikation im Deutschen Reich einen der umfänglichsten und wichtigsten Industriezweige. Schwere Sohlleder von vorzüglicher Qualität werden in den Rhein-, Mosel- und Eifelgegenden, in Hannover, Berlin, Straßburg, Nürnberg und Passau dargestellt, in Norddeutschland mehr aus eingeführten Wildhäuten und nach dem Schnellgerbeverfahren, in Süddeutschland aus einheimischen Häuten. In lackiertem L. und Kidkalbleder nimmt Deutschland die erste Stelle ein; beide Lederarten werden hauptsächlich in Mainz, Worms und Mülheim an der Ruhr, in Barr im Elsaß, Glacéleder in Berlin, Magdeburg, Altenburg, München dargestellt. Mit gefärbtem L., besonders den feinern und feinsten Sorten, versieht Deutschland alle Kulturstaaten. Die Hauptsitze dieser Industrie sind Offenbach, Mainz, Frankfurt a. M., Berlin, Homburg, Bonames, Mülhausen, Straßburg, Lahr, Köln, Kirn, Kalw, Königsberg i. Pr. Eine Spezialität der deutschen Lederindustrie ist das Roßleder, das namentlich in Hannover, Harburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, auch in Brandenburg, Berlin, Merseburg, Perleberg und Plauen dargestellt wird. Vorzügliches leistet Großbritannien in der Gerberei; namentlich ist sein Sattlerleder, Schweins- und Sohlleder berühmt, und auch die Bereitung der farbigen L. wird mit außerordentlichem Luxus betrieben. Frankreich übertrifft alle andern Staaten in der Handschuhlederfabrikation und ist auch für das feinere Oberleder tonangebend. Von Lackleder liefert es nächst Deutschland die größten Quantitäten. In Österreich ist die Gerberei sehr entwickelt, und manche Fabrikate stellen sich den besten ausländischen an die Seite; aber die Produktion deckt, namentlich in feinern Sorten, nicht den einheimischen Bedarf. Rußland hat viele Gerbereien in den Gouvernements Warschau, Saratow, Wolhynien, Perm, Nishnij Nowgorod und Witebsk; berühmt ist sein Justenleder (s. Justen), das besonders in den Gouvernements Twer und Kostroma dargestellt wird. Außerdem liefert Rußland vortreffliches seines Kalbleder. Eine hoch entwickelte Lederindustrie haben endlich auch Dänemark (Kopenhagen) und Belgien (Brüssel, Lüttich, Stavelot, Gent, Iseghem und Tournai). Nordamerika fertigt vortreffliche L. und ist durch die große Einfuhr von billigem Hemlockleder auch für die deutsche Lederindustrie wichtig geworden. Die Ausfuhr von L. und Lederwaren betrug 1901 (in Millionen Mark) aus Frankreich 137,548, Deutschland 137,147, Großbritannien 43,360, Österreich-Ungarn 46,423, Vereinigte Staaten 125,123, Belgien 28,313. In Deutschland betrug die Ein- und Ausfuhr von L. und Lederwaren:

Tabelle

Vgl. Knapp, Die Natur und das Wesen der Gerberei (Münch. 1858); Günther, Fabrikation des lohgaren Leders (Weim. 1867) und Lehrbuch der Glacéhandschuhlederfabrikation (Leipz. 1874); Lietzmann, Die Herstellung der L. (2. Aufl., Berl. 1875, 2 Tle.); Hausner, Textil-, Kautschuk- und Lederindustrie (neue Ausg., Wien 1879); Heinzerling, Grundzüge der Lederbereitung (Braunschw. 1882); Gintl, Handbuch der Weißgerberei (Weim. 1873); Beller, Handbuch der Glacélederfärberei (2. Aufl., das. 1880); Höhnel, Die Gerberrinden (Berl. 1880); Wiener, Die Lederfärberei und die Fabrikation des Lackleders (2. Aufl., Wien 1896), Die Lohgerberei (2. Aufl., das. 1890) und Weißgerberei, Sämischgerberei etc. (2. Aufl., das. 1904); Käs, Praktisches Lehrbuch der Lohgerberei (Weim. 1891); Schröder, Gerbereichemie (Berl. 1898); Hegel, Chromgerbung (das. 1898); Borgman, Feinlederfabrikation (das. 1901), Chromgerbung (das. 1902) und Die Rotlederfabrikation (bearbeitet von Krahner, das. 1905, 2 Tle.); Jettmar, Handbuch der Chromgerbung (Leipz. 1900), Das Färben des lohgaren Leders (das. 1900) und Praxis und Theorie der Ledererzeugung (Berl. 1901); Procter, Leitfaden für gerbereichemische Untersuchungen (deutsch von Päßler, das. 1900); »Moderne amerikanische Gerbmethoden« (das. 1903); Burckhardt, Die praktische Ledererzeugung (Wien 1903); Steyer, Die verschiedenen Gerbverfahren und Gerbereirezepte (Berl. 1904); Hanisch, Deutschlands Lederproduktion und Lederhandel (Tübingen 1905); »Deutscher Gerberkalender« (Berl.); Zeitungen: »Deutsche Gerberzeitung« (das.); »Der Gerber« (Wien); »Der Ledermarkt« (Frankf. a. M.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 307-313.
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