Färberei

[320] Färberei, die Kunst, verschiedenen Stoffen eine beliebige Färbung zu geben, die entweder nur an der Oberfläche haftet oder die ganze Substanz durchdringt. Im ersten Fall kann man mit einem Bindemittel (Leimlösung, trocknende Öle, Firnisse, Wasserglas) gemischte Farbe in gleichmäßiger, dünner Schicht auftragen (Anstreichen), wobei die Farbe nach dem Trocknen hinreichend fest haftet, oder man trägt die Farbe, die aus gepulvertem, leicht schmelzbarem Glas besteht, mit einem vorläufigen Bindemittel auf und befestigt sie durch starkes Erhitzen, wobei das Glas zum Schmelzen kommt. Bisweilen wird auch farbloses Glas in geschmolzenes, intensiv gefärbtes getaucht und weiter verarbeitet. Das farbige Glas bildet dann eine dünne oberflächliche Schicht auf dem ungefärbten (Überfangglas). Metalle werden angestrichen, oder man erzeugt auf ihnen einen farbigen Überzug durch Einwirkung verschiedener Agenzien (Metallochromie). Auf Stahl entstehen z. B. beim Erhitzen durch Bildung von Eisenoxyduloxyd die Anlauffarben, bei andrer Behandlung entsteht eine braune Schicht von Eisenoxyduloxyd oder Eisenoxyd (Brunieren), auf Kupfer erzeugt man eine färbende Schicht von Kupferoxydul (braune Bronze), auf Silber eine solche von Schwefelsilber (»oxydiertes« Silber) und auf Kupfer und Bronze die grüne Patina. Durch verschiedene Bronzierverfahren und namentlich auch durch Anwendung des Galvanismus erzeugt man mannigfache Effekte. Hier schließt sich das Vergolden, Versilbern, Verzinnen an, sofern dadurch ebenfalls die Farbe metallener und nichtmetallener Gegenstände geändert wird. Legierungen lassen sich färben, indem man durch Behandeln mit Chemikalien der oberflächlichen Schicht den einen Bestandteil mehr oder weniger vollständig entzieht. So wird Scheidemünzenmetall silberartig, wenn man aus der oberflächlichen Schicht das Kupfer entfernt. Holz, Steine, Horn, Federn etc. färbt man mit Farbstofflösungen, die mehr oder weniger tief eindringen (Beizen) und bisweilen erst infolge einer Zersetzung, wie beim Färben des Holzes mit übermangansaurem Kali, die gewünschte Farbe hervorbringen. Soll ein Körper in seiner ganzen Masse gefärbt werden, so muß ihn eine Farbstofflösung vollständig durchdringen, oder er muß mit ungelösten Farbstoffen imprägniert werden. Wäsche und Zucker werden mit Ultramarin und das Material zu allerlei plastischen Massen durch Mischen mit pulverförmigen Farbstoffen gefärbt. Flüssigkeiten färbt man nur mit Farbstoffen, die sich in ihnen lösen (Liköre, Öle); setzt man zu geschmolzenem Glas Farbstoffe, die sich in der Glasmasse lösen, so bleibt es durchsichtig; unlösliche Farbstoffe machen es opalisierend, durchscheinend oder undurchsichtig, emailartig.

Das Färben der Gespinstfasern bildet den Gegenstand der F. im engern Sinne. Man kann die Faser färben, indem man einen unlöslichen pulverförmigen Farbstoff mit Hilfe eines Bindemittels auf ihr befestigt, wie es bisweilen im Zeugdruck geschieht. Erzeugt man in einer Lösung von Bleinitrat durch Zusatz von Natriumchromat einen gelben Niederschlag von Bleichromat und bringt dann die Faser in die Flüssigkeit, so wird sie durch den im Wasser verteilten pulverförmigen Farbstoff wenig und nicht haltbar gefärbt. Taucht man aber die Faser in die Lösung von Bleinitrat und setzt nach einiger Zeit Natriumchromat hinzu, so verbindet sich die Faser sehr fest mit dem in ihrer Gegenwart gefällten Bleichromat. Man hat angenommen, daß die sehr verschiedenartigen Farbstoffe, die in solcher Weise an die Faser gebunden werden können, rein physikalisch durch Flächenwirkung an ihr haften, denn ein ganz ähnliches Verhalten wie die Fasern zeigen auch manche mineralische Körper, die dem sich ausscheidenden Körper eine große Oberfläche darbieten. Bei der Faser dringt indes ein Teil der ersten Lösung osmotisch in sie ein, ebenso folgt die zweite Lösung, und beim Zusammentreffen beider wird mithin ein Teil des Bleichromats in der Faser selbst abgeschieden. Tränkt man die Faser mit einer Lösung von salzsaurem Anilin, die ein Oxydationsmittel enthält, und erwärmt, so verläuft der Oxydationsprozeß zum Teil innerhalb der in die Faser eingedrungenen Lösung, und es entsteht unlösliches Anilinschwarz, das sich in der Faser ablagert. Abgesehen von diesen[320] einfachen Verhältnissen, gestaltet sich der Färbeprozeß sehr verschieden. Die Fasern sind teils hohle Schläuche, wie die Baumwolle, teils mehr oder weniger massiv. Die Pflanzenfasern bestehen aus hochmolekularen Verbindungen, die alkoholische Hydroxylgruppen enthalten, während Wolle und Seide den Charakter von Amidosäuren besitzen, also zugleich saure und basische Eigenschaften zeigen. Da nun auch die Farbstoffe große Verschiedenheiten in ihrer chemischen Struktur aufweisen, so erklärt sich, daß eine einwandfreie Erklärung der Vorgänge in der F. noch nicht gefunden ist. Eine rote Lösung von salzsaurem Rosanilin wird durch Kochen mit Wolle oder Seide zuletzt vollständig entfärbt, die Faser färbt sich rot, indem sie alles Rosanilin aufnimmt, während die Salzsäure vollständig in der Lösung bleibt, und zwar gebunden an Ammoniak, das aus der Substanz der Faser entstanden ist. Die Faser hat also vermöge ihrer sauren Eigenschaft das Rosanilinsalz zersetzt. Sie färbt sich daher auch intensiv rot in einer farblosen Lösung der reinen Base. Außerdem hat sich gezeigt, daß beim Behandeln von Wolle mit großem Überschuß von Farbstoffen diese im Verhältnis ihrer Molekulargewichte oder ganzer Multipla derselben aufgenommen werden. Diese Tatsachen sprechen für die Bildung chemischer Verbindungen zwischen Faser und Farbstoff, allein wenn man die mit Rosanilin gefärbte Seide in Alkohol legt, so verliert sie sofort ihren ganzen Farbstoffgehalt, und sie nimmt ihn wieder auf, wenn man den Alkohol verdünnt. Man betrachtet deshalb auch das Färben als eine Lösungserscheinung, wobei man den Begriff Lösung dahin erweitert, daß auch ein fester Körper von einem andern festen Körper wie von einem Lösungsmittel aufgenommen werden kann. In den Fällen, wo die Faser einem wässerigen Bade den Farbstoff entzieht, ist sie für letztern ein besseres Lösungsmittel als Wasser. Ähnlich entzieht Äther beim Schütteln mit einer wässerigen Lösung gewisser Stoffe diese dem Wasser, weil er sie leichter löst als Wasser. Das Fibroin der Seide nimmt das Rosanilin aus dem Wasser auf, aber Alkohol entzieht der Seide den Farbstoff, weil er diesen noch besser löst als die Seidensubstanz. Wo die Faser der wässerigen Lösung den Farbstoff nicht vollständig zu entziehen vermag, besteht bei einem gewissen Verhältnis zwischen in Wasser und in der Faser gelöstem Farbstoff ein Gleichgewicht. Im allgemeinen nehmen tierische Fasern (Wolle, Seide) Farbstoffe leichter auf als pflanzliche (Baumwolle, Leinen, Jute etc.). Die einzelnen Fasern verhalten sich aber auch gegen verschiedene Farbstoffe ungleich, sie binden manche ohne weiteres, während andre Farbstoffe nicht unmittelbar auf der Faser haften, sondern eines Bindemittels, einer Beize (s. Beizen), bedürfen. Die erstern nennt man substantive, die letztern adjektive Farben. Eine Einteilung der Farbstoffe nach diesem Gesichtspunkt ist aber nicht durchführbar, weil sich die Farbstoffe, wie gesagt, gegen die verschiedenen Fasern ungleich verhalten.

Baumwolle wird als Garn und Gewebe, zur Herstellung von Vigogne auch im ungesponnenen Zustande gefärbt. Nur für helle Farben wird die Baumwolle gebleicht, für dunklere wird das Garn lediglich entfettet. Die meisten Farbstoffe haften nur auf gebeizter Baumwolle, am häufigsten beizt man in einem Bade von Tannin oder Sumach (Vorbeizen), befestigt die Beize in einem zweiten Bade mit Brechweinstein (Antimonsalz, Zinnchlorid etc.) und färbt dann mit dem basischen Farbstoff aus, wobei sich ein waschechter gerbsaurer Antimonfarblack auf der Faser bildet. Beim Färben muß die Baumwolle in der Farbstofflösung (Flotte) beständig umgezogen werden, damit alle Teile gleichmäßig gefärbt werden. Für die Türkischrotfärberei beizt man Baumwolle mit Tonerdesalzen und benutzt als Fixierungsmittel Kreide, arsensaures, phosphorsaures Natron, Wasserglas, Kuhkot etc. In seltenen Fällen, wie beim Schwarzfärben mit Blauholz, wird die Beize (Kupfervitriol) der Flotte zugesetzt. Zum Färben mit substantiven Baumwollfarben löst man diese in Wasser, setzt Marseiller Seife, eventuell Kochsalz oder phosphorsaures Natron zu, bringt die genetzte Ware bei 40° in das Bad und färbt unter Kochen aus. Um der Baumwolle die Eigenschaften der tierischen Faser zu verleihen, hat man sie mit Leim oder Gelatine imprägniert (Animalisieren), die stickstoffhaltige Substanz nimmt die Farbstoffe leichter auf. – Baumwollgarne werden als Strähne oder als Kette gefärbt. Die Strähne hängt man über Stöcke, die auf den gegenüberliegenden Rändern der Färbewanne ruhen. Zur Erzielung gleichmäßiger Färbung werden die Strähne von Zeit zu Zeit mit der Hand oder mit Maschinen umgezogen (Strangfärbemaschinen). Zum Färben von Kettengarn dienen Maschinen, in denen die Kette über Walzen durch das Bad geführt wird. Eventuell geht sie vorher in gleicher Weise durch die Beize, passiert drei Quetschwalzen, gelangt dann in das Färbebad und aus diesem wieder zwischen Walzen hindurch in reines Wasser, um schließlich zwischen Walzen entwässert und dann getrocknet zu werden. Auch für das Färben von Kops (auf kleinere Spulen aufgewickeltes Garn) sind besondere Maschinen konstruiert worden. Gewebe werden zu einem endlosen Bande zusammengenäht und in Färbemaschinen über Walzen durch das Bad geführt. Eine derartige Maschine ist z. B. der Jigger. Auch zum Waschen und Trocknen der Garne und Gewebe benutzt man zahlreiche Maschinen. Leinenfärberei ist nicht von großer Bedeutung, sie benutzt dieselben Methoden wie die Baumwollfärberei. Mit Indigo gefärbtes Leinen dient zur Herstellung von Arbeiterkleidern und Schürzen. Ramie und Chinagras verhalten sich wie Baumwolle, Jute aber nimmt alle basischen Farbstoffe direkt ohne Beize auf, die Benzidinfarbstoffe direkt aus dem Seifenbad, nur die sauren Farbstoffe verlangen eine Vorbeize mit Tonerde. Wolle wird im unversponnenen Zustand, als Kammzug (ein langes schmales Wollband, das den Übergang loser Wolle zum Kammgarn bildet), als Garn und Gewebe gefärbt. Beim Färben mit Farbhölzern und andern natürlichen beizenfärbenden Farbstoffen, Alizarinfarbstoffen etc. wird die Wolle mit einer Beize (meist Tonerde- und Chrombeizen mit Weinsäure und Schwefelsäure sowie Zinnsalz) kochend imprägniert (Vorbeizen) und nach dem Erkalten im Beizbad (Sud) gespült, dann in das handwarme Färbebad gebracht, auf 100° erhitzt und einige Zeit bei dieser Temperatur gehalten (Zweibadmethode). Ist der aus Beize und Farbstoff entstehende Farblack (wie z. B. aus Gelbholz und Alaun oder Zinnsalz, aus Blauholz und Kupfervitriol und Eisen, aus Kochenille und Zinnchlorid) in der heißen oder sauern Flüssigkeit des Bades teilweise löslich, so kann man Beizen und Färben in einem Bade vornehmen (Mitbeizen, Einbadmethode). Dies Verfahren eignet sich besonders zur Herstellung heller Farben. Beim Nachbeizen wird die Wolle zuerst ins F1arbbad und dann in die Beize gebracht. Diese Methode des Nachdunkelns gibt bisweilen weniger festsitzende Färbungen, auch ist eine[321] bestimmte Nuance schwerer zu treffen. Bei der Dreibadmethode gibt man die gebeizte und gefärbte Wolle noch einmal in ein Beizbad, um nur absorbierten, nicht durch die erste Beize gebundenen Farbstoff zu fixieren. Bisweilen soll die Nachbehandlung auch die auf der Faser erhaltenen Farben glänzender machen (Schönen, Avivieren) oder verändern (Modisikationsbeizen). Mit basischen und sauern Teerfarbstoffen, Benzidinfarbstoffen etc. kann Wolle auch ohne Beize gefärbt werden, indem man sie bei 25–30° in die Lösung des Farbstoffes bringt und allmählich zum Sieden erhitzt. Ost setzt man dem Bade gewisse Mengen von Kochsalz, Glaubersalz etc. hinzu, angeblich um die Löslichkeit des Farbstoffes zu verringern, seinen Übergang auf die Wolle zu begünstigen. Zur Ausführung des Prozesses, zum Waschen und Trocknen der Wolle sind besondere Maschinen konstruiert worden.

Seide verhält sich im wesentlichen wie Wolle und wird auch ähnlich behandelt. Um den gefärbten Seidensträhnen einen bestimmten Griff und Weichheit zu geben, werden sie über einen glatten Pfahl (Cheville), der in der Wand befestigt ist, aufgehängt und mittels eines glatten Stockes gestreckt und gewunden. Diese Arbeit wird auch auf der Chevilliermaschine ausgeführt. Um der Seide hohen Glanz zu geben und gekräuselte Fäden zu strecken, behandelt man sie auf der Lüstriermaschine, auf der sie bei starker Spannung und unter Einströmen von Dampf über zwei Stahlwalzen gedreht werden. – Beim Färben gemischter Gewebe aus Wolle und Baumwolle oder Seide und Baumwolle ist auf die verschiedene Natur der Fasern Rücksicht zu nehmen. Man färbt entweder beide Fasern einzeln, oder man färbt das Baumwollgarn und färbt dann das fertige Gewebe mit solchen Woll- oder Seidefarbstoffen, durch welche die Farbe der Baumwolle nicht oder nur in gewünschter Weise verändert wird. Man kann aber auch ungefärbte Garne verweben und dann die Baumwollfasern und die Woll- oder Seidenfasern je mit einem passenden Farbstoff färben.

Die Kongo- oder Benzidinfarbstoffe, die Baumwolle ohne Vermittelung einer Beize direkt waschecht färben, werden hauptsächlich zum Färben von Baumwolle in alkalischen oder neutralen Bädern, auch zum Färben der Wolle in schwach alkalischen, neutralen oder sauern Bädern, seltener zum Färben der Seide benutzt. Der gefärbten Baumwolle kann der Farbstoff durch wiederholtes Auskochen zum großen Teil entzogen werden, umgekehrt wird beim Färben stets ein Teil des Farbstoffes von der Flotte zurückgehalten. Die Menge dieses gelöst bleibenden Farbstoffes richtet sich nach dem Lösungsvermögen der Flotte und der Menge der hineingebrachten Faser. Das Lösungsvermögen der Flotte wird durch Zusatz von Glaubersalz, Kochsalz, Pottasche, Soda, Seife, Borax, Natriumphosphat, Natriumstannat, Ammoniumkarbonat herabgedrückt, ob aber die günstige Wirkung dieser Salze in der Tat, wie man annimmt, auf der Verminderung der Löslichkeit beruht, bleibt zunächst fraglich. Die meisten direkten Baumwollfarbstoffe sind auf Baumwolle wenig lichtbeständig, einige aber gehören zu den echtesten Farbstoffen. In der Regel sind die Färbungen mit den substantiven Farbstoffen licht- und luftechter auf tierischen als auf pflanzlichen Fasern. Durch Wasser und Seifenlösungen werden sie mehr oder weniger leicht von der Faser, besonders von Baumwolle und Leinen, abgezogen, auch färben sie leicht auf benachbarte Fasern und selbst auf andre Ware ab, mit der sie in demselben Bottich gewaschen werden. Dieses Auslaufen oder Bluten verhindert großenteils die Anwendung dieser Farben im Kattundruck und in der Leinenfärberei. Jedoch verlieren die Färbungen selbst bei wiederholtem heißen Seifen vergleichsweise wenig an Farbtiefe. Auf tierischen Fasern verhalten sie sich auch in dieser Beziehung besser als auf pflanzlichen, und manche besitzen sogar eine hohe Walkechtheit. Sehr viele Baumwollfarbstoffe, besonders die roten, sind mehr oder weniger empfindlich gegen verdünnte Säuren, manche in so hohem Grade, daß sie schon durch die in der Luft stets vorhandenen sauern Gase verändert werden; diesen Übelstand vermeidet man durch Tränken der gefärbten Faser mit Soda oder einem andern nicht flüchtigen Alkali. Einige Färbungen, meist gelbe, werden leicht durch Alkali gerötet, in diesem wie im vorigen Fall wird der Farbstoff durch ein entgegengesetzt wirkendes Mittel, auch durch Spülen, in seiner ursprünglichen Schönheit wiederhergestellt. Durch nachträgliches Behandeln mit Metallsalzlösungen (besonders Kupfervitriol, daher Kupfern) können mit gewissen substantiven Farbstoffen erzeugte Färbungen widerstandsfähiger gegen Seifenlösungen gemacht werden; hierbei entsteht auf der Faser eine Kupferverbindung des Farbstoffes, die nicht nur seifenechter, sondern auch lichtechter ist und eine wertvollere Nuance besitzt. Die gekupferten Färbungen verlieren bei wiederholtem Waschen das Kupfer und damit auch die bessern Eigenschaften. Immerhin hat sich das Kupfern, oft unter Zusatz von Kaliumbichromat, in weitestem Umfang in der F. eingebürgert, da tatsächlich in vielen Fällen die Erhöhung der Seifenechtheit genügend ist.

Viele substantive Baumwollfarbstoffe können auf der Faser diazotiert und dann mit Aminen, Phenolen etc. zu neuen Azokörpern verkuppelt werden. Diese Verbindungen (Ingrainfarben, Diazotier-, Entwickelungsfarbstoffe) sind im allgemeinen unlöslich, walk-, wasch-, gut säureecht und bluten nicht. Sie eignen sich daher vorzüglich für glatte und gemusterte Ware, die keine hohen Anforderungen an Lichtechtheit stellt, also namentlich für Strumpfware. Zur Darstellung der Ingrainfarben wird die Ware in gewöhnlicher Weise gefärbt, gespült und in ein mit Salzsäure oder Schwefelsäure versetztes Bad von Natriumnitrit gebracht, in dem die freigemachte salpetrige Säure den Farbstoff in der Kälte diazotiert. Nach kurzem Umziehen wird die Ware kalt gespült und unmittelbar darauf in das Entwickelungsbad gebracht. Letzteres bereitet man durch Lösen von Aminen und Phenolen (letztere eventuell unter Zusatz von Natronlauge) in Wasser. Sehr gute Resultate erhält man auch bei gewissen substantiven Farbstoffen, wenn man die gefärbten Fasern durch die verdünnte Lösung eines diazotierten Amins, in erster Linie diazotierten Paranitranilins zieht. Die Diazotierung kuppelt hierbei mit dem auf der Faser befindlichen Farbstoff unter Bildung dunklerer und waschechterer Töne.

Die basischen Farbstoffe, Salze gewisser organischer Farbbasen, färben Baumwolle in neutralem oder schwach saurem Bade, wenn sie mit Tannin, Türkischrotöl oder andern sauern Beizen vorgebeizt ist, Wolle und Seide ebenso, aber ohne Vorbeize. Ein Teil dieser Farbstoffe ist in Wasser, alle aber sind in Alkohol löslich. Die Säure, mit der die Farbbase verbunden ist, übt auf die Nuance keinen Einfluß aus, ebenso ist es für den Farbenton gleichgültig, mit welcher sauern Beize die Baumwolle behandelt wird. Es kommt nur darauf an, daß die Beize imstande ist, ein unlösliches Salz der Farbbase auf die Faser niederzuschlagen.[322] Bei Wolle und Seide ist die Zuhilfenahme der Beize nicht erforderlich, weil diese Fasern selbst saure Gruppen enthalten. Die basischen Farbstoffe besitzen außerordentliche Färbekraft und liefern meist schöne, reine Farbentöne. Ihre Licht-, Luft- und Seifenechtheit ist dagegen, mit wenigen Ausnahmen, gering. Durch starke Schwefelsäure wird eine Anzahl basischer Farbstoffe ohne wesentliche Änderung ihrer Nuance in Sulfosäure und damit in die Reihe der sauern Farbstoffe übergeführt. Die basischen Farbstoffe, die ersten Anilinfarbstoffe, die in größern Mengen hergestellt wurden, sind in der Baumwollfärberei durch die substantiven, in der Wollfärberei durch die sauern Wollfarbstoffe verdrängt worden, für die Seidenfärberei, die viel mehr auf die Schönheit als auf die Echtheit der Färbungen sieht, sind sie noch von hoher Bedeutung. Auch Jute wird häufig mit basischen Farbstoffen gefärbt. Zum Beizen der Baumwolle benutzt man Tannin und ein Antimonsalz (s. oben).

Die sauern Farbstoffe sind großenteils Alkalisalze von Sulfosäuren der Azoverbindungen oder der basischen Farbstoffe. Sie verbinden sich mit den basischen Gruppen der Wolle und Seide im sauern Bad ohne Zuhilfenahme einer Beize. Auf pflanzlichen Faserstoffen können sie im allgemeinen nicht wasch-echt fixiert werden, nur die Wasser- oder Baumwollblaus, die Croceïnscharlachs und verwandte Verbindungen sind von einiger Bedeutung für die Baumwollfärberei. Auf Leinen sind saure Farbstoffe nie in größerm Umfang angewendet worden, hingegen besitzen sie einige Bedeutung für Jute und Papier. Hauptsächlich werden sie auf Wolle angewendet, auf der sie sich leicht und ziemlich echt befestigen lassen. Auf Seide sind viele von ihnen nicht wasserecht, immerhin werden auch saure Farbstoffe in großen Mengen zum Färben der Seide verwendet. Die Lichtechtheit der sauern Farbstoffe ist sehr verschieden, ihre Walk- und Seifenechtheit ist meist auf Wolle am größten.

Die meist sehr echten beizenfärbenden Farbstoffe werden auf Pflanzen- und Tierfasern mit metallischen Beizen befestigt. Je nach der angewendeten Beize entstehen verschiedene Färbungen, Alizarin z. B. gibt mit Tonerdesalzen eine rote, mit Kalksalzen eine rotbraune, mit Zinnsalzen eine rote, mit Eisensalzen eine blauschwarze und mit Chromsalzen eine braune Verbindung. Diese Verbindungen sind unlöslich und müssen auf der Faser erzeugt werden. Man bringt die Faser zuerst in die Beize und dann in das Färbebad oder umgekehrt, im Kattundruck werden auch Farbstoff und Metallsalz gleichzeitig auf die Faser gebracht und hier vereinigt. Auch Kupfer, Zink- und Nickelsalze finden als Beizen Verwendung. Da die aus Farbstoff und Metallsalz auf der Faser gebildeten Farblacke den basischen Farbstoffen gegenüber häufig als Beizen wirken, so können die mit beizenfärbenden Farbstoffen erzeugten Färbungen mit basischen Produkten überfärbt, geschönt werden. Die bei weitem wichtigste Anwendung der beizenfärbenden Farbstoffe auf Baumwolle ist die Türkischrotfärberei (s.d.), noch größere Anwendung aber finden diese Farbstoffe auf Wolle, während bei Seide der Griff durch das Beizen leidet.

Als Küpenfarbstoffe bezeichnet man Indigo, Indophenol, αNaphtholblau. Indigo wird auf alle Faserstoffe sehr echt mittels des Küpenverfahrens ausgefärbt, im Gegensatz zum Indigkarmin, der als Säurefarbstoff nur auf der tierischen Faser ein weniger echtes Blau liefert. Indigküpe (vgl. Indigo) wird namentlich für Wolle und Baumwolle, auch für Leinen, weniger für Seide verwendet. Die Färbung ist völlig licht- und säureecht, löst sich aber mit der Zeit mechanisch ab und wird heller. Auch Indophenol wird wie Indigo durch Reduktionsmittel in eine farblose Leukoverbindung, das Indophenolweiß, übergeführt. In dessen Lösung färbt man die Faserstoffe und unterwirft sie dann einer kräftigen Oxydation. Man erhält dabei ein Blau, das dem Indigoblau ähnlich ist, jedoch durch Säuren leicht in Braun verwandelt wird. Bereitet man eine Küpe aus 3 Teilen Indigo und 1 Teil Indophenol, so erhält man in der angegebenen Weise eine sehr echte Färbung. Ausgedehnte Anwendung findet die Erzeugung unlöslicher Azofarbstoffe auf Baumwolle. Man imprägniert die Baumwolle mit einem Amin oder Phenol, meist βNaphthol, und erzeugt dann durch Behandlung der geschleuderten und getrockneten Ware mit der Lösung eines diazotierten Amins einen Azofarbstoff auf und in der Faser. Durch geeignete Auswahl von Diazoverbindungen und Aminen oder Naphtholen erzielt man die mannigfaltigsten Nuancen. In diese Klasse gehört auch Anilinschwarz (s.d.), das meist durch Oxydation von Anilinsalzen auf der Faser erzeugt wird.

Blauholz dient besonders zum Schwarzfärben. Wolle beizt man mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure, wäscht und färbt siedend mit geraspeltem und fermentiertem Blauholz, das man in Säcken dem Färbebade zusetzt. Blauholz allein gibt Blauschwarz, Blauholz mit wenig Gelbholz reines Schwarz, mit mehr Gelbholz Grünschwarz. Eisenschwarz wird auf einer Beize mit Eisenvitriol, Kupfervitriol, Alaun und Weinstein mit Blauholz erzeugt. Zum Blaufärben wird Blauholz mit Beize aus Tonerdesulfat und Weinstein benutzt. Das Chromschwarz ist wasch- und seifen-, auch ziemlich licht- und säureecht. Blauholzblau dient als billiger, sehr wenig echter Ersatz für Indigblau, für dunkle Töne und wird häufig als Grund unter Indigblau gefärbt. Baumwolle wird zum Schwarzfärben mit Gerbsäure getränkt, in essigsaures Eisenoxydul (Schwarzbeize) oder eine andre Eisenbeize gelegt, durch ein Kalk- oder Kreidebad genommen, gewaschen und mit Blauholz ausgefärbt. Nachheriges Passieren durch Kaliumbichromat macht die Färbung dunkler und haltbarer. Seide wird beim Schwarzfärben oft erheblich beschwert (bis zum Vierfachen des Gewichts). Man legt sie in konzentrierte kalte Lösung von basischem Ferrisulfat (Rostbeize), dann in Seifenlösung und wiederholt dies mehreremal. Dann bringt man sie in konzentrierte warme Lösung von Katechu und setzt für starkes Beschweren Zinnchlorür zu. Weiter wird sie für Blauschwarz noch mit Tonerdesulfat behandelt und schließlich mit Blauholz (event. etwas Gelbholz) ausgefärbt. In der Regel gibt man der mit Eisen gebeizten Seide zunächst einen Grund von Berlinerblau durch Passieren eines angesäuerten Bades von Ferrocyankalium (Blaukessel-, Kaiserschwarz). Für Kochenillekarmesin beizt man Wolle mit Tonerdesulfat und Weinstein und färbt im Kochenillebad siedend aus. Die Färbung ist ziemlich licht- und seifenecht. Für das hochrote, ins Gelbe ziehende Scharlach (Militärtuch) benutzt man ein Bad aus Zinnchlorür, Oxalsäure, etwas Salzsäure und Kochenille. Der Scharlach ist lichtrot, das Seifen macht ihn matter.

Zum Braunfärben der Baumwolle dient Katechu. Man tränkt die Baumwolle mit einer Lösung von Katechu, preßt und behandelt mit Kaliumbichromatlösung. Beizen der Baumwolle mit Alaun oder Eisen nach dem Katechubad gestattet das gleichzeitige[323] Auffärben von Blauholz, Alizarin etc. Auch Wolle kann katechubraun gefärbt werden. Von Mineralfarben benutzt man Eisenhydroxyd (Rostgelb, Eisenchamois) für Baumwolle. Man tränkt mit Eisenvitriollösung, passiert durch Natronlauge und oxydiert an der Luft oder im Chlorkalkbad. In derselben Weise wird Manganbraun (Manganbister) mit Manganchlorür erzeugt. Zum Blaufärben benutzt man Berlinerblau: Man färbt Baumwolle zunächst rostgelb oder tränkt mit Eisenoxydsalz und färbt in einem mit Schwefelsäure angesäuerten Bade von Ferrocyankalium aus. Wolle wird unmittelbar durch Tränken mit einer schwefelsauren Lösung des roten, auch des gelben Blutlaugensalzes und langsames Erhitzen zum Sieden blau gefärbt. Zusatz von Zinnchlorür macht die Färbung purpurn. Oder man beizt Wolle mit Ferrisulfat, Zinnchlorür und Weinstein und färbt im sauern Blutlaugensalzbad aus. Berlinerblau ist sehr säure- und ziemlich lichtecht, wird aber durch heiße Seifenlösung leicht gebräunt. Auf Seide dient Berlinerblau als Grund für Schwarz. Chromgelb: Baumwolle wird mit Bleinitrat oder -Azetat getränkt, durch Kalkwasser, Ammoniak oder Natriumsulfat genommen und in Kaliumbichromat heiß ausgefärbt. Nachherige Passage durch Kalkmilch gibt Orange. Die Färbungen sind sehr echt, aber giftig.

Garne werden nicht immer gleichmäßig gefärbt. Die Ombrés zeigen nur eine Farbe, aber verschiedene Nuancen derselben, so daß die Strähne z. B. am Kopf dunkelrot ist und nach unten allmählich hellrosa, selbst weiß wird. Um dies zu erreichen, taucht man die Strähne zuerst nur ein wenig in die Flotte ein, dann etwas tiefer, nach einiger Zeit wieder etwas tiefer und so fort, bis endlich auch der Kopf der Strähne sich in der Flotte befindet. Sobald dieser die gewünschte Nuance erreicht hat, unterbricht man die Operation und findet dann die einzelnen Teile der Strähne um so dunkler gefärbt, je länger sie sich in der Flotte befunden haben. Derselbe Zweck wird auch erreicht, wenn man das Garn zunächst so lange in der Flotte umzieht, bis die hellste Nuance erreicht ist, dann auf den Stock hängt und allmählich durch einen Hahn die Flotte abzieht. Ombrés mehrerer Farben auf einer Strähne werden nacheinander in gleich vielen Färbeflotten erzeugt. Rayierte Garne, auf denen verschiedene Farben nebeneinander stehen, färbt man mit Hilfe von Latten, zwischen denen man das Garn beliebig einpressen kann. Diese Latten bilden den Boden eines Kastens, aus dem der Teil des Garnes heraushängt, der zunächst gefärbt werden soll. Man behandelt denselben wie gewöhnlich in der Flotte, spült dann, löst die Latten, zieht das gefärbte Garn in den Kasten und färbt einen andern Teil der Strähne in einer andern Flotte. Das Zusammenpressen des Garnes verhindert das Aufsteigen der Flotte über die Latten hinaus und grenzt also die einzelnen Farben gegeneinander scharf ab. Unter dem Namen Mignon hat man Rayés eingeführt, auf denen ein Teil der Strähne beim Färben weiß gelassen und später mit verschiedenen Farben bedruckt wird. Windet man vor dem Färben Knoten in das Garn und färbt, so erhält man nach dem Aufknoten weiße, nach beiden Seiten in die Hauptfarbe abschattierte Stellen. Man kann auch das Garn in einer beliebigen Farbe färben, dann knoten und eine andre Farbe darüber färben. Auf solche Weise erhält man die überraschendsten Effekte.

[Hygienisches.] Die Arbeiter in den Färbereien sind vor allem durch die Einwirkung giftiger Farbstofflösungen und Beizen gefährdet. So erzeugt chromsaures Kali besonders am Handrücken Bläschenausschläge und Geschwüre, und ähnlich wirkt Pikrinsäure. Bei Verarbeitung von Zinn-, Zink- und Bleisalzen sind Vergiftungen nicht selten. Jedenfalls sollten in Färbereien genügende Waschvorrichtungen und besondere Eßräume vorhanden sein, außerdem sind mit Rücksicht auf die vielerlei schädlichen Dämpfe, die sich bei den verschiedenen Färbeprozessen entwickeln, hohe, lustige und gut venti lierte Arbeitsräume zu verlangen. Sehr schädlich wirkt die große Nässe und der jähe Temperaturwechsel; aber auch bei asphaltierten Fußböden, leistungsfähigen Abzügen für den Wasserdampf und zweckmäßiger Kleidung treten Katarrhe und rheumatische Leiden häufig genug auf. Daß die nötigen Vorrichtungen gegen Verbrühungen und gegen die Gefahren, die Waschräder, Zentrifugen, Walzen etc. herbeiführen, zur Anwendung zu bringen sind, ist selbst verständlich. Die Nachbarschaft der Färbereien leidet unter den übeln Ausdünstungen, die freilich sehr schwer zu beseitigen sind, und da Färbereien nicht zu den konzessionspflichtigen Anlagen gehören, so sind Beschwerden meist aussichtslos. Viel bedeutender ist die Verunreinigung der öffentlichen Wasserläufe durch die Abwässer, die nicht nur fäulnisfähige Substanzen, sondern auch giftige Metallsalze enthalten. Man hat zur Reinigung der Abwässer Kalk, Filtration durch Sand oder Erde, sehr lange Gräben mit eingeschalteten Klärbassins und Rieselfelder angewendet; doch ist es nicht immer möglich, die nötigen Einrichtungen zu treffen.

[Geschichtliches.] F. und Zeugdruckerei scheinen sich im Anschluß an Körperbemalung und Tätowierung entwickelt zu haben. Bei Naturvölkern werden dieselben Farbenpulver, deren man sich bei der Hautbemalung bedient, auch trocken oder mit Wasser oder Öl auf Fellen oder Geweben eingerieben. Die alten Britannier bemalten mit Waid ihren Körper blau oder schwärzlich, bevor sie die Blaufärberei entdeckten. Rot, Gelb, Weiß und Schwarz wurden zuerst benutzt, da sie von der Natur am häufigsten in Mineralien, Hölzern und Rinden dargeboten werden. Halb kultivierte, weit voneinander entfernt wohnende Völker lernten ganz unabhängig voneinander aus einheimischen Pflanzen Indigo, der in den Pflanzen nicht fertig gebildet vorkommt, bereiten, und ebenso hat man in Amerika vor Kolumbus den im alten Europa hoch geschätzten Schneckenpurpur am Golf von Nicoya (Costarica) und am Isthmus von Tehuantepec bereitet. Musterungen gefärbter Stoffe erreichte man früh auf verschiedene Weise, im Ostindischen Archipel durch das Batikverfahren, die Dajak auf Borneo benutzten Druckstempel zur Übertragung von Tätowiermustern auf die Haut, und die Polynesier druckten auf Rindenstoffen. Sehr alt ist auch das Abbindeverfahren, bei dem das Gewebe auf Reihen runder Stäbe mit gewächsten Fäden abgebunden wurde, so daß man helle Ringe im gefärbten Gewebe erhielt, die durch Eintauchen in eine andre Flotte verschieden gefärbt wurden. Einige Naturvölker, wie die Sudanneger, färben nur das Garn und erzeugen Muster durch Weberei und Stickerei. Chinesen, Inder, Perser, Ägypter und Syrer kannten die F. seit uralter Zeit, gefärbte Stoffe waren äußerst kostbar und zählten zu den vorzüglichsten Schmuckgegenständen. Die Bücher Moses erwähnen blau, purpurn und scharlach gefärbte Zeuge. Die Ausschmückung des Allerheiligsten und die Kleider des Hohenpriesters sollten nach göttlichem Befehl aus purpurnen Stoffen gefertigt sein. Vorzugsweise[324] wurde in Tyros die F. und der Handel mit gefärbten Stoffen betrieben, und der Purpur, der als Symbol priesterlicher und fürstlicher Würde galt, soll in Tyros erfunden worden sein. In Griechenland wurde die F. wenig geübt, um so mehr aber bei den Römern. Bei den circensischen Spielen unterschieden sich die verschiedenen Parteien durch die Farbe ihrer Anzüge, und Plinius spricht von Grün, Orange, Grau und Weiß. Man benutzte im Altertum als Färbmaterialien Alkanna, verschiedene Flechten, Ginster, Krapp, Galläpfel, Waid, die Samen des Granatapfels und einer ägyptischen Akazie, Eisen- und Kupfervitriol und Alaun, kannte also auch schon die Beizen. Die Entwickelung der F. wurde in Europa im 5. Jahrh. erstickt, blühte aber im Osten weiter und gelangte im 12. oder 13. Jahrh. nach Europa zurück. Damals war namentlich Florenz wegen der Anzahl und Vollkommenheit seiner Färbereien berühmt. Die Entdeckung Amerikas beförderte die F. durch das Bekanntwerden von Blauholz, Rotholz, Quercitron, Orlean, Kochenille etc. Vorzügliches leisteten die Italiener in der F.; in Venedig erschien 1540 das erste Werk über F. von Giovanni Ventura Rosetti, das in ganz Europa das Interesse für die F. anregte. Namentlich die Flamänder kultivierten und verpflanzten die F. nach Deutschland, Frankreich und England. Zu Anfang des 16. Jahrh. kam der Krappbau aus dem Orient nach Schlesien, Holland und 100 Jahre später nach Südfrankreich. Cornelius Drebbel führte 1650 bei der F. mit Kochenille das Zinnsalz ein und lieferte damit Fabrikate, die den alten Purpur an Schönheit übertrafen. In der Mitte des 16. Jahrh. führte man den Indigo und das Blauholz in England ein; allein auf Anstiften der einheimischen Waidfabrikanten wurde die Einfuhr beider Drogen in mehreren Ländern wieder verboten und der im Lande befindliche Vorrat zerstört. Die Anwendung des Indigos wurde mit Todesstrafe bedroht, und erst 1737 wurde die Einfuhr desselben wieder freigegeben. Um 1700 entdeckte man in Berlin das Berlinerblau; 1740 erfand Barth die Sächsischblaufärberei mit Indigosulfosäuren. In der Mitte der letzten Hälfte des 18. Jahrh. wurde die Türkischrotfärberei in Frankreich eingeführt und zu gleicher Zeit die Quercitronrinde von Bancroft. Die neueste Zeit hat die F. durch das Studium des Verhaltens der Beizen gegen die Farbstoffe sehr gefördert. Außerdem häuften sich die Entdeckungen neuer Farbstoffe aus dem Mineralreich, und in neuen Verbindungen der organischen Chemie lernte man die wertvollsten Rohmaterialien für glänzende Farben kennen. Erregte in dieser Beziehung schon das Murexid aus Harnsäure große Aufmerksamkeit, so wurden doch alle bisherigen Erfolge seit 1859 durch die Teerfarben weit übertroffen. Diese beherrschen jetzt vollständig die F., und einige der wichtigsten Pflanzenfarbstoffe, das Alizarin und der Indigo, wurden künstlich hergestellt, so daß der Krappbau eingestellt werden konnte.

Literatur. Vgl. außer den ältern Werken von Chevreul und Persoz: Schützenberger, Die Farbstoffe, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung in der F. und Druckerei (a. d. Franz. von Schröder, Berl. 1868, 2 Bde.); Reimann, F. der Baumwolle etc. (3. Aufl., das. 1897); Witt, Chemische Technologie der Gespinstfasern (Braunschw. 1888–91); Herzfeld, Das Färben und Bleichen von Baumwolle, Wolle, Seide etc. (das. 1889–93, 3 Tle.; 1. Teil: Die Bleichmittel, Beizen und Farbstoffe, in 2. Aufl. von Schneider 1900); Sansone, Printing of cotton fabrics (neue Ausg., Lond. 1901; deutsch, Berl. 1890); Scherf, Die Kleinfärberei und ihre Nebenindustrien (4. Aufl., Leipz. 1899); Hummel, Die F. und Bleicherei der Gespinstfasern (deutsch von Knecht, 2. Aufl., Berl. 1891); Soxhlet, Die F. der Baumwolle (Stuttg. 1891); Vinant, Traité pratique de teinture et impression (2. Aufl., Lyon 1891); Löwenthal, Handbuch der F. der Gespinstfasern (deutsche Ausg. des englischen Handbuches von Knecht, Rawson und Löwenthal, 2. Aufl., Berl. 1900, 2 Bde.); Dépierre, Traité de la teinture et de l'impression des matières colorantes artificielles (Par. 1890–93, 3 Bde.); Garçon, La pratique du teinturier (das. 1893–97, 3 Bde.); Ganswindt, Einführung in die moderne F. (Leipz. 1902); Derselbe, Theorie und Praxis der modernen F. (das. 1903, 2 Bde.); Heermann, Färbereichemische Untersuchungen (Berl. 1898); Wolff, Die Beizen (Wien 1885); Zipser, Apparate, Geräte und Maschinen der Wäscherei, Bleicherei, F. und Druckerei (das. 1894). Zeitschriften: »Leipziger Färberzeitung« (früher »Färberei-Musterzeitung«, seit 1850); »Deutsche Färberzeitung« (hrsg. von Ganswindt, seit 1865, München); »Reimanns Färberzeitung« (seit 1870, Berl.); »Färberzeitung« (hrsg. von Lehne, seit 1889, das.); »Farbenzeitung« (hrsg. von Springer, seit 1895, Dresd.); »Zeitschrift für Farben- und Textilchemie« (hrsg. von Buntrock, seit 1902, Braunschw.); »Textil- und Färberei-Zeitung« (hrsg. von Buntrock, das., seit 1903); »The chemical technologist devoted to the arts and manufacturers relating to dyeing, calico printing, bleaching, finishing, sizing, alkali and vitriol making, etc.« (Manchester); »Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse« (Mülhausen i. Elf.); »Bulletin de la Société industrielle de Rouen« (Rouen). Vgl. auch die Literatur bei den Artikeln »Appretur« und »Bleichen«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 320-325.
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