Rind

[938] Rind (Ochs, hierzu Tafel »Rinder I und II« und »Rinderrassen«, mit Textbeilage: Rassen des Hausrindes), Gattung (Bos L.) oder Unterfamilie (Bovina) der paarzehigen Huftiere aus der Familie der Horntiere (Cavicornia), große Tiere von schwerfälliger Statur, mit nach außen gebogenen oder gewundenen, wenigstens an der Spitze runden Hörnern, breiter, nackter Muffel, kurzem Hals, oft mit hängender Fleischwamme, breiten, vorn und hinten wesentlich gleichartig gebauten Hufen (Klauen), langem Schwanz, meist mit einer Quaste, mit Afterklauen und vier Zitzen am Enter, fehlen nur in Australien und Südamerika. Man teilt die Rinder in vier Gruppen: eigentliches R. (Bos), Büffel (s. d., Bubalus), Wisent (s. d., Bison) und Yak (s. d., Poephagus).

Zu den eigentlichen Rindern (Bos s. st.), charakterisiert durch lange, flache Stirn, am Grunde nur wenig verdickte, in gleicher Höhe mit der Stirnleiste stehende Hörner, ziemlich dichte, kurze Behaarung und langen, mit einer Quaste endenden Schwanz, gehört der Gayal (B. frontalis Lamb., Tafel I, Fig. 3). Dieser wird 2,8 m lang, 1,6 m hoch, mit gewaltiger Stirn, sehr dicken, kegelförmigen Hörnern, die sich im ganzen nach außen und aufwärts krümmen, aufrecht stehenden großen Ohren, kleiner doppelter Wamme und den ganzen Oberhals, den Widerrist und die Hälfte des Rückens bedeckender buckelartiger Auftreibung. Das Haar ist tiefschwarz, an der Stirn bräunlich, die Haarbüschel an den Vorderbeinen sind braun, Kinn und Oberlippe weiß. Der Gayal lebt im N. und NO. von Bengalen herdenweise in den Gebirgswäldern, ist sehr mutig, gegen Menschen aber sanft und zutraulich und leicht an die Gefangenschaft zu gewöhnen. Die Gebirgsvölker besitzen große Herden, verwenden ihn aber nur zu Stierkämpfen. Das Fleisch wird gegessen, einigen Hindustämmen gilt er als heiliges Tier. Die Kuh bringt ein Jahr ums andre nach acht- bis neunmonatiger Tragzeit ein Kalb. Mit andern Rinderarten erzeugt der Gayal leicht fruchtbare Blendlinge. In heißen Landstrichen geht er zugrunde. Der Gaur (B. Gaurus H. Sm.), 3 m lang, 1,9 m hoch, mit 85 cm langem Schwanz, steht dem vorigen sehr nahe, ist dunkelbraun, unterseits tief ockergelb, an der Stirn hell graubraun, an den Beinen schmutzigweiß. Er findet sich in allen großen Waldungen Indiens, besonders im Bergland, lebt in kleinen Herden, weidet nur nachts, fällt oft in die Felder und flieht vor dem Menschen, während er anderseits den Tiger erfolgreich bekämpft und, auf der Jagd verwundet, den Jäger wütend anfällt. Das Fleisch ist sehr schmackhaft. In der Gefangenschaft gehen Kälber bald ein. Der Banteng (B. Banteng Raffl., Tafel II, Fig. 2), 2 m lang, 1,5 m hoch, mit 85 cm langem Schwanz, kleinem, aber breitem Kopf, sehr großer, gewölbter Muffel, großem Ohr, unmittelbar hinter dem Kopf auffallend verschmächtigtem und dann sehr verdicktem, kurzem Hals, langem, aber nicht hohem Buckel, großer Wamme und am Grund unregelmäßig gewulsteten, stark gebogenen Hörnern, ist dunkel graubraun mit sehr großem, weißem Spiegel, auch an der untern Hälfte der Beine weiß. Er bewohnt auf Java, Borneo, Sumatra gebirgige Wälder, lebt in kleinen Gesellschaften, weidet hauptsächlich nachts, flüchtet vor dem Menschen, ist aber, in die Enge getrieben, sehr wild und gefährlich. Sein Fleisch ist wohlschmeckend. Junge Kälber werden in der Gefangenschaft vollständig zu Haustieren; man erzielt leicht Blendlinge der Hausrinder mit dem Banteng, zum Teil von wild lebenden Stieren, indem man Kühe in die Wälder treibt. Auch in Europa pflanzt sich der Banteng ohne weiteres fort. Der Zebu (B. indicus L., Tafel II., Fig. 1) ist durch sehr kurze, flach gedrückte Hörner und namentlich durch einen am Widerrist sitzenden oder zwei hintereinander am Vorderrücken befindliche Höcker charakterisiert. Er stammt aus Bengalen, hat sich aber über einen großen Teil Asiens, auch nach Afrika verbreitet. Man unterscheidet mehrere Rassen, von denen der Zebu der Brahmanen groß, starkleibig und kurzbeinig ist, einen gewal ligen Fetthöcker, lang bequasteten Schwanz, eine sehr starke Wamme und an Länge die Ohren nicht erreichende Hörner besitzt. Er ist kurz behaart, meist hellrot oder gelbbraun, aber auch fahlgelb, weiß und gescheckt. Ähnlich ist der afrikanische Buckelochs (B. africanus), in Abessinien und am Kap, mit sehr starkem Gehörn, der in verschiedenen Rassen bis tief im Innern Afrikas[938] gewohnlich in ungeheuern Herden, die den eigentlichen Reichtum ganzer Stämme aus machen, gehalten wird.

Das Hausrind (B. Taurus L.) stellt keine natürliche Art dar, sondern eine Menge durch Kreuzungen und Zucht vielfach veränderter Formen, deren Ursprung wohl in mehreren Arten zu suchen ist. Zu diesen gehört der Auerochs (Ur, B. primigenius Bojan., s. Tafel »Diluvium I«, Fig. 8), der zuletzt in Masovien gelebt zu haben scheint (s. Auerochs). Neben ihm lebte bereits zur Steinzeit in der Schweiz ein kurzhörniges R. (B. brachyceros Ow.), ein rundhörniges R. (B. trochoceros Meyer), vielleicht eine nur in den Hörnern abweichende Form des Auerochsen, ferner eine Art mit auffallend langer Stirn, B. longifrons. Abweichend vom Auerochsen war der großstirnige Ochs (B. frontosus Nilss.), dessen fossile Reste sich mit denen von B. longifrons in Torfmooren Skandinaviens finden, der aber auch in Deutschland heimisch gewesen sein dürfte. Auf Grund dieser Funde fossiler Rinder führte Rütimeyer die Rinderrassen auf 3 Urformen: Primigenius-, Brachyceros- und Frontosus-Rassen, zurück. Diese Unterscheidung kann jedoch nach neuern Schädel- und Skelettmessungen nicht aufrecht erhalten werden, weshalb man zur früher gebräuchlichen Einteilung der zahlreichen Rinderrassen nach ihrer geographischen Verbreitung und mutmaßlichen Verwandtschaft zurückkehren mußte, und zwar in: 1) Steppen-, 2) Niederungs-, 3) ein farbige Gebirgs-, 4) bunte Gebirgs-, 5) Land-, 6) englische und 7) französische Rassen. Weiteres s. in der Textbei lage zu beifolgender Tafel »Rinderrassen«. Vgl. die Schriften von Rütimeyer (s. d.) und Helmich, Die Abstammungsfrage des Hausrindes (Bern 1904) sowie auch die Literatur beim Artikel »Haustiere«.

Rindviehzucht.

Die Zucht und Nutzung des Rindes als Fleisch-, Milch- und Zugtier gewinnt im Hinblick auf die niedern Körner- und hohen Viehproduktenpreise gegenwärtig immer mehr Bedeutung, besonders dort, wo Fleisch-, Milch- und Molkereiprodukte bei dichter Bevölkerung lohnenden und sichern Absatz finden. In wirtschaftlicher Beziehung lohnt sich die Rindviehzucht durch die Verfütterung von Abfällen technischer Gewerbe, wie Schlempe, Rübenschnitten, Trebern u. dgl., und durch die Verwertung von Stallmist, der für die Mehrzahl der Bodenarten und Kulturpflanzen gleich wirksam sich erweist. Je mehr die Intensität des Ackerbaues steigt, um so mehr lohnt sich die Rindviehzucht gegenüber der Schaf- und Pferdezucht.

Das neugeborne R. heißt Kalb, und zwar das männliche Stier-, das weibliche Kuh- und das säugende Saugkalb; das heranwachsende weibliche R. bis zur Geburt des ersten Kalbes Kalbe oder Kalbin, auch R., Ferse, Starke, Queen, danach Erstlingskuh, Kuh und alte Kuh; das heranwachsende männliche bis zur Zuchtverwendung Jungstier, danach ein-, zwei-, dreijähriger, alter Stier, Bullen, Farren, Zuchtbullen, Faselochs, Moni, Hummel etc.; das kastrierte männliche R. Ochs, das ungemästete Mager-, Schmal-, das gemästete Mastvieh, das nicht zuchtfähige: geltes, galtes, güstes oder göltes Vieh; das abzuschaffende: Brackvieh, Merzvieh. Die Benennung der einzelnen Teile des Rindes s. in beistehender Abbildung. Das Alter des Tieres wird in den ersten Lebensjahren nach der Beschaffenheit des Gebisses bestimmt. Das Kalb hat in der Regel schon bei der Geburt 2 Schneidezähne und 12 Vorbackenzähne und mit 4 Wochen das ganze Milchgebiß, d. h. alle Zähne, die später gewechselt und durch bleibende ersetzt werden. Es sind dies alle 8 Schneidezähne im Unterkiefer (der Oberkiefer des Rindes hat keine Schneidezähne) und je 3 von den jederseits oben und unten vorhandenen 6 Backenzähnen.

Benennung der einzelnen Teile des Rinderskeletts.
Benennung der einzelnen Teile des Rinderskeletts.

Mit 6–8 Monaten bricht der vierte (nicht wechselnde) Hinterbackenzahn durch, mit 11/4-11/2 Jahr der fünfte. Dann beginnt der Zahnwechsel; mit 11/2 Jahr werden die Zangen, d. h. das in der Mitte stehende Schneidezahnpaar, gewechselt, mit 2 Jahren sind die bleibenden Ersatzzangen in die Höhe gewachsen, mit 21/2 Jahren wechseln die innern Mittelzähne (d. h. die beiderseits neben den Zangen stehenden Schneidezähne); mit 3 Jahren sind die Ersatzzähne ausgewachsen; mit 31/4-31/2 Jahren wechseln die (jederseits außen neben den innern stehenden) äußern Mittelzähne, ein halbes Jahr später sind ihre Ersatzzähne ausgewachsen; mit 41/4-41/2 Jahren wechseln endlich die äußersten Schneidezähne oder Eckzähne, und mit 43/4-5 Jahren sind ihre Ersatzzähne ausgewachsen. Jetzt ist das bleibende Gebiß vollständig, vollzahnig, da inzwischen (mit 2, 21/2-3 Jahren) auch die sechsten Backenzähne durchgebrochen und alle Milchbackenzähne gewechselt sind. Spätere Lebensjahre sind nach den Zähnen nicht sicher zu bestimmen. Vgl. Schwab, Praktische Zahnlehre zur Alterbestimmung der Rinder (Tafel u. Text, Salzb. 1899).

Die Zucht des Rindes ist je nach dem Züchtungszwecke durchzuführen; derselbe kann sein: 1) Nutzung durch Zuchtviehverkauf; 2) Milchnutzung in erster, Mast- und Zugnutzung in zweiter Linie; 3) Mastnutzung in erster, Milchnutzung in zweiter Linie; 4) Zugnutzung in erster Linie, Mast- und Milchnutzung[939] nebenbei; 5) Vereinigung einiger oder mehrerer Nutzungsrichtungen. Nach dem einzuhaltenden Züchtungszweck ist weiterhin die Rasse der aufzustellenden Tiere und schließlich unter dieser die Zuchttiere selbst zu wählen.

Bei der Beurteilung von Milchkühen, deren Nutzung unmittelbar nicht bekannt ist, ebenso bei der Beurteilung männlicher Tiere auf ihre Eignung zur Hervorbringung milchreicher Nachkommen haben sogen. Milchzeichen große Bedeutung. Als fast immer zutreffende Milchzeichen sind nach Baier zu nennen: 1) die Beschaffenheit von Haut und Haar; 2) ein großes, sein behaartes, zarthäutiges, richtiges Milcheuter mit langen Strichen; 3) möglichst große, allseitige Entwickelung des Brustkorbes, äußerlich gekennzeichnet durch die großen Längen- und Breitenmaße desselben, besonders aber durch die an der Seitenwandung fühlbaren großen Rippenzwischenräume, die nach Wilckens mindestens drei Finger breit sein sollen; 4) bedingungsweise bei Vorhandensein reichlicher Drüsenmassen zutreffend, das Auftreten starker Milchader (Bauchwandvene). Von minderm Belang und zum Teil nicht zutreffend sind: große Entfernung des Haarwirbels auf dem Rücken vom Widerrist und auf der Stirn von der Stirnbeinkante, breiter, hoch hinausreichender Milchspiegel, d. h. ein vom Euter nach der Scheide sich erstreckender, dem Deckhaar der Hinterschenkel entgegengesetzt verlaufender Haarstrich, die obern Milchgruben, die Schwanzbeschaffenheit etc. Neuhauß erkennt die bessere Milchnutzung aus einer dickern, dichter und kräftiger, edler behaarten Haut an Ohren, Bauch, den innern Weichteilen, der Beine etc. sowie nach der verschiedenen Abstufung der Sanftheit der Haare auf dem Haarbüschel, an der Schwanzspitze und auf dem Schopf, als den vom Mittelpunkt des Körpers entferntesten Körperteilen. Vgl. Baier und Kraemer, Erfahrungen über die Milchzeichen der Kuh (Internationaler land- und forstwirtschaftlicher Kongreß zu Wien 1890, Sektion I: Landwirtschaft. Heft 14 u. 93, Wien 1890); Neuhauß-Selchow, Die Bonitierung unsrer Nutztiere, und Brödermann-Knegendorf, Die Bedeutung der Konstitution (Vorträge, Berl. 1889); Neuhauß-Selchow, Über Edelzucht auf Leistung nach Wahrnehmungen in der Praxis (das. 1888); Zürn, Lehre von den Milchzeichen der Kühe (»Landwirtschaftliche Jahrbücher«, 20. Band, Heft 5 u. 6, das. 1890). – Als Zeichen der Mastfähigkeit gelten Frühreife und leichte Ernährung, die nutzbaren Teile sollen am kräftigsten ausgebildet, die Haut leicht verschiebbar sein und Neigung zum Fettansatz unter der Haut an den Weichen, am Kreuz, den Rippen und neben der Schwanzwurzel (Fleischergriffe; s. Mast, S. 417) erkennen lassen. Für die Zugtauglichkeit sprechen Ausdauer, kräftige Lunge, mittellange Beine mit festen Knochen und kräftigen Sehnen etc. Die nach Körperform (s. Viehzucht: Exterieur) und Nutzungseigenschaften ausgewählten Zuchttiere dürfen nicht früher verwendet werden, als dies ihre körperliche Entwickelung zuläßt. Der Zuchtstier kann im Alter von 11/2, bei spätreifen Rassen von 2 Jahren zur Zucht verwendet werden und genügt dann bei Stallhaltung für 60–70 Kühe, bei Weidehaltung für 30 bis 40 Kühe, während die Kuh ein Alter von mindestens 2 Jahren erreicht haben soll, ehe sie zur Zucht verwendet wird. Die Dauer des trächtigen Zustandes beträgt bei der Kuh 9 Monate oder im Durchschnitt 285, im Maximum 350 Tage. Für gewöhnlich wird nur ein Kalb geboren, und 4 Wochen nach der Geburt desselben tritt bei gut genährten, kräftigen Kühen die Brunst wieder ein, die nach Verlauf von 4 Wochen sich wiederholt. Beim Auftreten der zweiten oder dritten Brunst nach der Geburt des Kalbes wird die Kuh wieder zum Stier gelassen. Das Kalb wird gewöhnlich 4–6 Wochen durch Saugen am Euter der Kuh oder durch Tränken aus dem Kübel oder mit einem Saugapparat mit kuhwarmer Milch ernährt. Nach 4–6 Wochen ist beim Kalb das Milchzahngebiß (die wechselnden Zähne) so weit entwickelt, daß es feste Nahrungsstoffe zermalmen kann. Man reicht nun abgerahmte Milch, neuestens in der Milch sein verrührtes verkleistertes Stärkemehl oder Bruchreis (15 bis 25 g auf 1 Lit.), gekochtes Leinsamenmehl, Leinsamenkuchen, Erbsen- oder Hafermehlsuppe, auch wohl saure Milch in allmählich immer größern Quantitäten neben süßem Heu, feingestampften Rüben, bis im Alter von 6–8 Wochen die süße Milch ganz entzogen werden kann, das Kalb abgespänt (abgesetzt, entwöhnt) ist. Zur Beförderung der Knochenbildung ist Futterknochenmehl bis zu 20 g pro Tag und 100 kg Lebendgewicht auf das Futter zu streuen. Auf 100 kg Lebendgewicht des Kalbes hat man in der täglichen Nahrung zu verabreichen:

Tabelle

Während oder bald nach der Säugezeit werden die nicht zur Zucht ausgezogenen Stierkälber mit 6–8 Wochen verschnitten. In Amerika werden die Kälber zur Verhütung von Unglücksfällen durch Stoßen etwa 3–14 Tage nach der Geburt durch Ausbohrung des hervorwachsenden kleinen Hornknopfes oder Behandeln desselben mit Ätzkali enthornt. Bei mehr als zweijährigen Tieren wird das Horn abgesägt. Fehlerhaft gebogne Hörner verbessert man durch das Hörnerrichten. Bei sehr jungen Tieren verbessert man die Hornrichtung durch Schaben und flaches Ausschneiden der Hornspitzen. Andre machen auf der fehlerhaften Seite Einschnitte mit der Säge. Beim Jöcheln benutzt man hölzerne Hornleiter, die mit Riemen angeschnallt werden, wenn die Hörner 8–10 cm lang sind. Bei alten Tieren wird das eingefettete Horn mit einem Wärmeisen erhitzt, so daß es biegsam wird, worauf man eine Hornschraube an legt und diese samt dem Horn nach der Richtung dreht, die das Horn erhalten soll (Hornziehen). Den halbjährigen Jungstieren werden Nasenringe durch die Nasenscheidewand gezogen, mit denen die erwachsenen Tiere gefahrlos gelenkt werden können. Statt der Nasenringe benutzt man auch abnehmbare Nasenzangen (Bullenbändiger, Bullenbremsen).

Das abgesetzte Jungvieh ist in der ersten Zeit kräftig zu nähren, aber nicht zu mästen, und zwar mit Heu, Schrot, späterhin statt des Schrots mit Rüben, Kartoffeln, im Sommer mit Klee und Gras zu füttern. Stickstoffreichere Fütterung des Jungviehs wirkt im allgemeinen auf Frühreife und Mastfähigkeit, stickstoffärmere dagegen auf Milchergiebigkeit und Zugtauglichkeit. Die Ernährung der Milchkühe geschieht am zweckmäßigsten auf der Weide, die aber mit Kleepflanzen und Gräsern dicht bestanden sein und den Tieren Schutz gegen die Witterung gewähren[940] muß; die Kuh muß auf derselben sich in kurzer Zeit sättigen und darauf der Ruhe pflegen können, wenn sie viel Milch geben soll. Die Stallfütterung während des Sommers ist in solchen Wirtschaften gebräuchlich. wo der Betrieb technischer Gewerbe auch für diese Zeit Futter liefert und der ausgedehnte Ackerbau sehr viel Dünger erfordert. Man unterscheidet trockne und grüne Stallfütterung; bei der erstern kommen getrocknete Futterstoffe, namentlich Heu und Stroh, mit Abfällen von technischen Gewerben (Biertreber, Malzkeime, Ölkuchen u. dgl.) zur Verwendung, während bei der zweiten Grünfutter (Luzerne, Esparsette, Klee, Futterwicken, Futtermais u. dgl.) verabreicht wird. Soll der grünen Futtermasse Kraftfutter zugesetzt werden, so eignet sich dazu am besten die Kleie von Roggen und Weizen, wogegen Ölkuchen leicht Durchfall und Getreideschrot Störung in der Verdauung hervorrufen. Bei der Winterfütterung der Kühe wird in ähnlicher Weise wie bei der trocknen Sommerstallfütterung verfahren; jedoch kommen hierbei Wurzeln und Knollenfrüchte zur Verwendung, von denen besonders die Futterrüben auf die Milchabsonderung günstig wirken. Bei der Mästung (s. Mast, S. 417) sind die eiweiß- und stärkemehlhaltigen Futterstoffe von noch größerer Wichtigkeit als bei der Fütterung der Milchkühe, weil sie vornehmlich die Ablagerung von Fett veranlassen. Zur Mästung werden verwendet: Branntweinschlempe, Zuckerrübenschnitte, Körnerschrot, Ölkuchen, Biertreber, Wurzeln und Knollen, Heu etc.

In dem täglichen Futter sollen pro 1000 kg Lebendgewicht in Kilogramm enthalten sein bei:

Tabelle

Die Ernährung der Tiere wird durch sorgfältige Haltung und Pflege wesentlich unterstützt. Sie sind in zweckmäßig eingerichteten Stallungen unterzubringen und durch reichliche Einstreu und fleißiges Putzen rein zu halten, damit sie in voller Nutzung verbleiben.

Die Krankheiten des Rindes sind sehr zahlreich. Eine ganze Anzahl akuter Infektionskrankheiten (Seuchen) befallen vorzugsweise das R. oder sind demselben eigentümlich, wie Rinderpest, Lungenseuche, Milzbrand, Rauschbrand, Maul- und Klauenseuche, Wild- und Rinderseuche, bösartiges Katarrhalfieber, Hämoglobinurie (s. d.). Die verbreitetste Infektionskrankheit der Rinder ist die Tuberkulose, die in der Regel chronisch verläuft. Überhaupt bedingt die Körperkonstitution des Rindes häufig einen chronischen Verlauf krankhafter Prozesse; chronische Eiterungen mit Eindickung (Verkäsung) und Verkalkung des Eiters sowie starke Bindegewebsneubildungen sind für das R. typisch. Häufig sind bei ihm chronische Verdauungsstörungen, Verletzungen des Magens durch mit dem Futter aufgenommene Fremdkörper (s. Herzbeutel-Zwerchfellentzündung) und Aufblähen. Ebenso kommen Schwergeburten und Erkrankungen des Geschlechtsapparates, die oft die Nieren in Mitleidenschaft ziehen, bei Kühen öfter als bei andern Haustieren vor (s. auch Bläschenausschlag, Fehlgeburt, Gebärparese, Scheidenkatarrh). Auch das Euter erkrankt oft, und die starken Verluste, die der Körper durch die fortwährende Milchnutzung erfährt, führen bei ungenügender Fütterung zur Knochenbrüchigkeit und Lecksucht. Von Parasiten kommen besonders Echinokokken und Leberegel, ferner Lungenwürmer und Finnen vor. In der Haut entwickeln sich Dasselbeulen (s. Bremen, S. 376) und umfangreiche Geschwülste (gutartige Warzen und schlimmere Sarkome), an den Kieferknochen sehr häufig Aktinomykome und an den Klauen schwere Eiterungen (s. Panaritium). Lahmheiten werden außerdem besonders durch Erkrankungen des Hüftgelenks herbeigeführt; an den Vorderfußwurzeln entsteht nicht selten Knieschwamm. Vgl. auch die Artikel »Gesundheitspflege der Haustiere« und »Krankheitskennzeichen« und die Karte »Verbreitung der wichtigsten Haussäugetiere« beim Artikel »Haustiere«. Vgl. Krafft, Tierzuchtlehre (8. Aufl., Berl. 1906); May, Das R. (das. 1863, 2 Bde.); Rohde, Rassen, Züchtung und Ernährung des Rindes (3. Aufl. von Eisbein, das. 1885); Baumeister, Anleitung zum Betriebe der Rindviehzucht (5. Aufl., Stuttg. 1889); Funk, Die Rindviehzucht (5. Aufl., Berl. 1903); Kick, Lehrbuch der Rindviehzucht (4. Aufl., Stuttg. 1878); Kühn, Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehes (12. Aufl., Leipz. 1906); Lehnert, Rasse und Leistung unsrer Rinder (3. Aufl., Berl. 1896); Werner, Die Rinderzucht (2. Aufl., das. 1902); Martin, Das R. (Stuttg. 1895); Pabst, Anleitung zur Rindviehzucht (4. Aufl., das. 1880); Ramm, Die Arten und Rassen des Rindes (das. 1901); Lydtin und Werner, Das deutsche R. (Berl. 1899, mit 44 Tafeln); Wilckens, Die Rinderrassen Mitteleuropas (das. 1885); Rueff, Die Rassen des Rindes (Stuttg. 1877); Nörner, Praktische Rindviehzucht (Neudamm 1903); Zacharias, Die Rinderrassen Österreich-Ungarns (Wien 1903); Hansen und Hermes, Die Rindviehzucht im In- und Auslande (Leipz. 1905, 2 Bde.); Knispel, Die öffentlichen Maßnahmen zur Förderung der Rindviehzucht (Berl. 1905); Steuert, Nachbars Rinderzucht (das. 1901); Krämer, Das schönste R. (2. Aufl., das. 1894); Steuert, Die Rinderhaltung (das. 1895); Pusch, Die Beurteilungslehre des Rindes (das. 1896); spezielle Literatur über Rinderrassen s. in der Text beilage.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 938-941.
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