Tiger

[550] Tiger (Königstiger, Felis Tigris L., s. Tafel »Raubtiere V«, Fig. 1, und Tafel »Orientalische Fauna«, Fig. 13), Raubtier aus der Familie und der Gattung der Katzen, gewöhnlich 1,6 m lang mit 80 cm langem, quastenlosem Schwanz und am Widerrist etwa 80 cm hoch. Alte Männchen erreichen eine Gesamtlänge von 2,9 m. Das Weibchen ist kleiner. Die Behaarung ist kurz und glatt und nur an den Wangen bartartig verlängert. Auf dem Rücken ist die rostgelbe Grundfarbe dunkler, an den Seiten lichter, Unterseite, Innenseite der Gliedmaßen, Hinterleib, Lippen und die untern Teile der Wangen sind weiß. Vom Rücken aus ziehen sich unregelmäßige, zum Teil doppelte, schwarze Querstreifen in schiefer Richtung nach der Brust und dem Bauch herab. Der Schwanz ist dunkel geringelt; die Schnurren sind weiß, die rundsternigen Augen gelblichbraun. Der T. findet sich in Asien in drei Varietäten (sibirischer, bengalischer und Javatiger) vom 8.° südl. Br. bis zum 53.° nördl. Br., also bis in das südliche Sibirien und vom Kaukasus bis zum untern Amur. Von seinem Hauptsitz, Vorder- und Hinterindien, aus verbreitet er sich durch Tibet, Persien und die weite Steppe zwischen Indien, China und Sibirien bis zum Ararat im W. von Armenien, nach N. bis in die Bucharei und Dsungarei, nach Osten vom Baikalsee durch die Mandschurei bis nach Korea an die Meeresküste. In China findet er sich fast überall. Auf den Inseln des Indischen Archipels, mit Ausnahme Javas und Sumatras, scheint er zu fehlen. Er bewohnt Dschangeln oder Rohrdickichte mit Gesträuch und hochstämmige Wälder. Auch kommt er dicht an Dörfer und Städte heran. Seine Bewegungen sind ungemein rasch und ausdauernd; er klettert gewandt an Bäumen empor und schwimmt über breite Ströme. Er streift zu jeder Tageszeit umher; seine Beute lautlos beschleichend, stürzt er sich pfeilschnell mit gewaltigen Sätzen auf dieselbe und schlägt mit seinen Krallen furchtbare, fast immer tödliche Wunden. Er trägt einen Menschen und selbst ein Pferd oder einen Büffel im Rachen fort, und nur die stärksten Säugetiere, wie Elefant, Nashorn, Wildbüffel, sind vor ihm sicher. Hat ein T. einmal Menschenfleisch gekostet, so zieht er es jedem andern vor. Eine verfehlte Beute verfolgt er nicht weiter. Wild und verwegen, zeigt er doch in der Gefahr wenig Mut, und wenn er sich verfolgt sieht, ergreift er die Flucht. Man hat ihn sonst mit großer Übertreibung eine furchtbare Geißel der Länder genannt, doch wird in neuester Zeit die unbedingte Ausrottung des Tigers gemißbilligt, weil ohne ihn der Ackerbauer sich unmöglich gegen übermäßig hohen Wildschaden schützen könne. Die Tigerin trägt 105 Tage und wirft 2–3 (selten 5) Junge. In Indien betrachtet man den T. mit abergläubischer Furcht und sieht in ihm eine Art von strafendem Gott. Auch in Ostsibirien herrschen ähnliche Vorstellungen, und auf Sumatra erblickt man im T. nur die Hülle eines verstorbenen Menschen und wagt nicht, ihn zu töten. Den alten Griechen war der T. wenig bekannt. Auch die Römer wurden erst seit Varros Zeit mit ihm bekannt, und Scaurus zeigte zuerst 743 der Stadt einen gezähmten T. im Käfig; später kamen T. häufig nach Rom. Der Kaiser Heliogabalus soll sogar gezähmte T. vor seinen Wagen gespannt haben. Nach dem Bericht von Marco Polo benutzte der Chan der Tatarei gezähmte T. zur Jagd. Noch heute lassen indische Fürsten gefangene T. mit andern starken Tieren kämpfen, auf Java auch mit Lanzenträgern. Der T. ist zähmbar, bleibt aber stets gefährlich. Er hält sich gut in der Gefangenschaft und pflanzt sich auch fort. Man hat auch Bastarde von Löwen und Tigern erhalten. Die Tigerfelle, die über England und Rußland in den Handel kommen, werden als kostbare Salonzierde, in Asien auch zu Pferde- und Schlittendecken benutzt. Die Kirgisen verwenden sie zur Verzierung der Köcher und schätzen sie sehr hoch. Das Fleisch soll wohlschmeckend sein, und die Tungusen glauben, daß es Mut und Kraft verleihe; in China dient es als Arzneimittel. In andern Ländern schätzt man mehr Zähne, Klauen, Fett und Leber. Vgl. Brandt, Untersuchungen über die Verbreitung des Tigers (Petersb. 1856); Fayrer, The royal Tiger of Bengal (Lond. 1875). – Amerikanischer T., soviel wie Jaguar, s. Pantherkatzen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 550.
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