Leberegel

[293] Leberegel (Distomum Retz.), Gattung von Eingeweidewürmern aus der zu den Plattwürmern gehörigen Ordnung der Saugwürmer. Die Familie der Doppellöcher (Distomidae) zeichnet sich durch den Besitz zweier Saugnäpfe aus, von denen der zum Mund führende vorn, der andre weiter hinten auf der Bauchseite liegt (s. »Leberegel« auf Tafel »Würmer II«, Fig. 4). Die kleinen Eier gelangen aus dem Darm, worin die L. leben, mit dem Kot nach außen, und im Wasser schlüpfen aus ihnen meist bewimperte Larven hervor, die bald in eine Schnecke einwandern und sich in ihr zu sogen. Keimschläuchen umgestalten. Diese, entweder ohne oder mit Mund und Darm (sogen. Sporocysten, resp. Redien), erzeugen in sich entweder erst eine zweite Generation von Keimschläuchen oder direkt die sogen. Cerkarien, d.h. geschwänzte Larven, die früher allgemein für besondere Würmer gehalten wurden, obwohl sie außer der völligen Ausbildung der Geschlechtswerkzeuge den erwachsenen Leberegeln schon ähnlich sind. In solcher[293] Form verlassen sie die Keimschläuche (auch Ammen genannt) und deren Wirt und suchen im Wasser neue Tiere (Schnecken, Würmer, Krebse, Insektenlarven etc.), um mit Hilfe ihres Schwanzes sich in dieselben einzubohren und sich darin einzukapseln. Gelangt dann dieser zweite Wirt in den Magen eines dritten, so löst sich die Kapsel (Cyste) auf, und das Distomum kriecht in das bestimmte Organ (Leber, Darm, Harnblase); hier erst wird es geschlechtsreif. Der ganze Entwickelungszyklus ist also an drei Wirte gebunden und somit von vielen Zufälligkeiten abhängig; doch werden diese durch die sehr große Zahl der Eier und durch die geschilderte Art der Fortpflanzung (Heterogonie) ausgeglichen, die übrigens bei den einzelnen Arten gewisse Modifikationen zeigt. – Die bekannteste unter den sehr zahlreichen Arten der Gattung Distomum, von denen etwa zehn verschiedene im Menschen vorkommen, ist der L. (D. hepaticum L), von etwa 3 cm Länge. Er schmarotzt in der Leber von Tieren und erzeugt eventuell die sogen. Leberegelkrankheit (s. d.). Auch im Menschen kommt er gelegentlich vor, dringt sogar in die Pfortader und in das Gebiet der Hohlvene ein, verursacht große Beschwerden und führt zuweilen den Tod herbei. Die erste Larvenform bohrt sich in Sumpfschnecken (Limnaeus minutus) ein und wird in deren Leber zur Sporocyste, die in sich Redien erzeugt, die abermals Redien oder auch (bei höherer Temperatur) direkt Cerkarien hervorbringen; diese verlassen die Schnecke, um sich an Grashalmen etc. zu befestigen, mit einer Kapsel zu umgeben und sich vom Vieh verschlucken zu lassen. Feuchte Weiden sind daher gefährlich. D. lanceolatum Mehlis, 8–9 mm lang, bewohnt ebenfalls die Leber von Tieren und gelegentlich des Menschen (s. Leberegelkrankheit). D. haematobium Bilh. (Bilharzia haematobia) ist getrennt-geschlechtig, das Weibchen schmächtig, zylindrisch, das Männchen mit starken Saugnäpfen und rinnenartig umgeschlagenen Seitenrändern, die einen Kanal zur Aufnahme des Weibchens bilden, das also vom Männchen herumgetragen wird. Beide vereint leben in der Pfortader, Milz, den Darm- und Harnblasenvenen besonders der Abessinier und Ägypter und verursachen böse Entzündungen der Harnwerkzeuge und des Darmes. Distomum Rathouisi Poirier lebt im Darm der Chinesen, D. spathulatum Leuck. in dem der Japaner, pulmonale Poirier in der Lunge derselben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 293-294.
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