Ultramarīn

[885] Ultramarīn (Lasurblau, Azurblau), blauer Farbstoff, der ursprünglich durch ein mechanisches Verfahren aus dem Lasurstein gewonnen wurde und sehr hohen Wert besaß, jetzt aber in gleicher Schönheit aus eisenfreiem Ton, Schwefel und Soda (Sodaultramarin) oder aus Ton, Glaubersalz und Kohle (Sulfatultramarin) künstlich dargestellt wird und sehr billig geworden ist. Man unterscheidet kieselarmes U. von hellem, reinblauem Farbenton, leicht zersetzbar durch Alaun, und kieselreiches U. mit eigentümlich rötlichem Ton und widerstandsfähiger gegen Alaun. Zur Darstellung des Ultramarins werden die Materialien, der Ton nach dem Schlämmen und Glühen, sehr sein gepulvert und innig gemischt. Die Mischung wird in Schamottetiegeln eingestampft und bei möglichst gehindertem Luftzutritt anhaltend stark erhitzt. Hierbei entsteht eine gesinterte, poröse, graue, oft gelbgrüne Masse, die gewaschen, gemahlen, abermals gewaschen, getrocknet und gesiebt wird. Dies grüne U. wird als Tüncherfarbe und im Tapetendruck verwertet, zum bei weitem größten Teil aber in blaues U. verwandelt. Dies geschieht in liegenden Zylindern, in denen das U. unter allmählichem Zusatz von Schwefel erhitzt und, um die Einwirkung der Luft zu befördern, durch eine Flügelwelle umgerührt wird, bis es rein blau erscheint. Die gebildete Schweflige Säure entweicht durch die Esse. Dann wird das U. ausgewaschen, gemahlen, geschlämmt, eventuell mit Koalin oder Gips vermischt, getrocknet und gesiebt. Die Waschwasser vom grünen und blauen U. werden verdampft, um in ihnen enthaltene Natronsalze wiederzugewinnen. Sodaultramarin wird in ähnlicher Weise dargestellt und zeichnet sich durch dunklere Färbung und größern Farbenreichtum aus. Das kieselreiche U. ist ein Sodaultramarin mit 5 bis 10 Proz. vom Gewicht des Koalins fein zerteilter Kieselsäure. Man erhält es in einer einzigen Operation. Es wird mit steigendem Kieselsäuregehalt rötlicher und alaunfester. Auch violette, rote und gelbe Präparate hat man dargestellt, doch sind deren Beziehungen zum blauen U. noch wenig aufgeklärt. Die chemische Konstitution des Ultramarins ist nicht sicher bekannt. U. ist prächtig tiefblau, geruch- und geschmacklos, sehr hygroskopisch (lufttrocken 5 Proz. Feuchtigkeit), unlöslich in den gewöhnlichen Lösungsmitteln, widersteht der Luft, dem Licht und dem Wasser, auch Alkalien und dem Ammoniak, wird aber durch Säuren und sauer reagierende Salze unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff zersetzt. Es erträgt bei Ausschluß der Luft Rotglut und wird erst in höherer Temperatur und beim Glühen an der Luft farblos. U. dient als Wasser-, Kalk- und Ölfarbe, zur Darstellung von Buntpapier, im Tapeten- und Zeugdruck, in der Buchdruckerei und Lithographie, zum Blauen von Wäsche, Papier, Zucker, Stärke, Barylweiß, Stearin, Paraffin. In neuerer Zeit haben blaue Teerfarben das U. vielfach verdrängt. Die gelegentliche Bildung von U. im Sodaosen beobachtete Tessaert 1814, und Vauquelin zeigte, daß die blaue Verbindung mit Lasurstein identisch sei. Gmelin stellte 1822 künstliches U. dar, und Guimet in Lyon bereitete es zuerst in größern Mengen. Unabhängig von Gmelin entdeckte König in Meißen 1828 das U. und gab ein Verfahren an, nach dem es seit 1829 in Meißen dargestellt wurde. Weitere Fabriken wurden 1836 in Wermelskirchen von Leverkus und 1837 in Nürnberg von Leykauf gegründet. 1895 produzierte Deutschland 65,000 dz und 1905 wurden 48,388 dz im Wert von 2,46 Mill. Mk. ausgeführt. Vgl. Vogelsang, Natürliche Ultramarinverbindungen (Bonn 1873); R. Hoffmann, Die Entwickelung der Ultramarinfabrikation (Braunschw. 1875) und Ultramarin (das. 1902); Fürstenau, Das U. und seine Bereitung (Wien 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 885.
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