Ultramarin

[144] Ultramarin (Lasurblau), schöne kornblumenblaue Farbe, welche sich weder an der Luft, noch in der Hitze verändert; man stellte es früher aus dem Lasursteine (Lapis lazuli) dar, welcher schon im Alterthum bekannt war u. häusig als Edelstein verarbeitet wurde. Die Darstellung dieses echten U-s war sehr umständlich u. das Fabrikat wegen der Seltenheit des Lasursteines so theuer, daß in ganz Europa jährlich kaum 4 Pfund im Werth von etwa 1500 Thlrn. gebraucht wurden. Der Lasurstein wurde in haselnußgroße Stücke zerschlagen, diese sorgfältig abgewaschen, geglüht, in Wasser abgeschreckt u. das erhaltene seine Pulver mit verdünnter Essigsäure digerirt, um den mit dem Lasurstein gemengten kohlensauren Kalk aufzulösen. Darauf wurde der Lasurstein sein gerieben, mit einem gleichen Gewicht eines Gemenges von Harz, Wachs, Leinöl u. Burgunderpech gemischt u. der Teig unter Wasser so lange geknetet, als dasselbe noch blau gefärbt wurde; aus dem Wasser setzte sich das U. als seines Pulver ab. Man erhielt so circa 2–3 Procent vom Gewicht des angewandten Lasursteines. So lange das U. aus dem Lasursteine dargestellt werden mußte, konnte es von keiner technischen Wichtigkeit sein; nachdem man aber gelernt hatte es künstlich zu bereiten, nahm der Verbrauch an U. immer mehr zu, so daß man gegenwärtig die jährliche Consumtion auf über 100,000 Centner schätzt, das Pfund zu durchschnittlich 12–17 Groschen. Die chemische Analyse des Lasursteines lehrt, daß Thonerde, Kieselerde, Natron, Schwefel u. eine Spur Eisen seine Bestandtheile seien, aber wie aus[144] der Verbindung dieser Körper eine blaue Farbe entstehen könne, blieb lange unerforscht. Man hatte im Jahr 1814 beim Aufbrechen eines Sodaofens in der Spiegelfabrik zu St. Gobin u. später wiederholt in Soda- u. Glaubersalzöfen eine blaue Substanz gefunden, welche sich bei näherer Untersuchung als U. erwies. Diese blauen Massen befanden sich immer in der Mitte von Schwefelnatriumkrystallen, was zu beweisen schien, daß dieses zur Bildung des U-s erforderlich sei. Phillips zeigte 1823, daß die blaue Farbe des U-s durch Säuren sofort zerstört werde u. daß dabei ein deutlicher Geruch nach Schwefelwasserstoff wahrzunehmen sei, u. schon vor ihm hatten Döbereiner u. Guyton de Morveau darauf hingewiesen, daß der Schwefel das färbende Princip im U. sein müsse. Guinet war der Erste, welcher 1828 den U. fabrikmäßig darstellte, er hielt sein Verfahren geheim u. gewann unermeßliche Summen, da er Anfangs das Loth mit 31/3 Thlr. verkaufte; im Jahr 1834, wo er sein Fabrikat auf die Pariser Industrieausstellung brachte, war der Preis schon auf 4 u. 51/3 Thlr. pro Pfund gesunken, er fabricirte damals bereits jährlich 120,000 Pfund. In Deutschland hatte Gmelin zuerst ein Verfahren ausfindig gemacht den U. künstlich zu erzeugen, u. 1834 gründete Laverkus die erste Ultramarinfabrik in Wermelskirchen; 1838 entstand die große Ultramarinfabrik in Nürnberg unter der Firma Leykauf, Heine u. Comp. u. späterhin noch mehre andere. Als Rohmaterialien zur Bereitung des U-s wendet man möglichst eisenfreien Kaolin (Porzellanthon), Glaubersalz, Soda, Schwefel u. Kohle an. In den französischen Fabriken dient zur Erzeugung des Schwefelnatriums Soda u. Schwefel, in den deutschen wird es aus dem Glaubersalz gebildet, hier nimmt man häufig auch neben Glaubersalz noch Soda u. Schwefel. Die Mengenverhältnisse, in denen man die Substanzen mischt, sind sehr verschieden, z.B. 100 Kaolin, 83–100 wasserfreies Glaubersalz, 17 Kohle, od. 100 Kaolin, 41 Glaubersalz, 41 wasserfreie Soda, 13 Schwefel, 17 Kohle, d. 100 Kaolin, 100 Soda, 60 Schwefel, 11 Kohle. Die Materialien werden sorgfältig u. höchst innig gemischt u. dann in Tiegeln ob. Kapseln von feuerfestem Thon 7–10 Stunden lang geglüht; dadurch erhält man eine zusammengesinterte graue od. hellgrüne Masse, welche in Wasser aufgeweicht, wiederholt ausgewaschen, gemahlen u. gesiebt wird u. so den grünen U. bildet, welcher nun in den blauen U. überzuführen ist. Zuweilen kommt auch dieser grüne U. als grüne Farbe in den Handel. Die Verwandelung des grünen U-s in blauen erfolgt durch Rösten mit Schwefel unter Luftzutritt; man breitet auf eine Gußeisenplatte eine 1–2 Zoll hohe Schicht Schwefelpulver aus, bedeckt diese mit einer ebenso dicken Schicht des grünen Pulvers u. erhitzt die Platte so weit, daß sich der Schwefel entzündet. Diese Operation wird so lange wiederholt, bis das U. die möglichst schöne Farbe erlangt hat. Statt der eisernen Platten wendet man auch kleine Retorten an, in denen sich eine Flügelwelle bewegt; man erhitzt darin 25–30 Pfund des grünen U-s so weit, bis sich ein Stück Schwefel darin entzündet, mäßigt dann das Feuer u. bringt ein Pfund Schwefel in die Retorte, welcher verbrennt, während die Flügelwelle in Bewegung ist. Nach dem Rösten wird das U. ausgelaugt, getrocknet, gemahlen u. gefärbt. Die Analysen des blauen U-s ergeben als Bestandtheile desselben: 31–37 Kieselerde, 20–25 Thonerde, 7–12 Schwefel, 17–20 Natron, außerdem geringe Mengen Eisen, Kalk u. Magnesia. Allein wodurch eigentlich die blaue Farbe des U-s bedingt wird, ist noch nicht bekannt, doch weiß man mit Sicherheit, daß eine Verbindung von Eisen u. Schwefel das färbende Princip nicht ist, wie man früher glaubte; Einige nehmen an, daß eine Verbindung von Natrium u. Schwefel, Andere, daß eine Verbindung dieses Schwefelnatriums mit unterschwefligsaurem Natron die blaue Farbe bedinge. Die Anwendung des U-s ist eine sehr verbreitete, man benutzt es zum Malen u. Tünchen auf Kalkgrund, als Maler- u. Anstrichfarbe, zum Tapeten- u. Zeugdruck, in der Buntpapierfabrikation, zum Bläuen der Leinwand, der Wäsche, des Papierzeuges, des Zuckers etc. Verfälscht wird das U. mit Kreide, Gyps od. Thon. Bei seiner Anwendung ist zu berücksichtigen, daß seine blaue Farbe durch Sauren verschwindet. Von dem Kobaltultramarin läßt es sich durch sein Verhalten gegen Säuren unterscheiden, da das Kobaltultramarin durch Säuren nicht verändert wird. Das gelbe U. (Gelbin) ist chromsaurer Baryt. Durch Vermischen von U. mit chromsaurem Bleioxyd erhält man eine schöne grüne Farbe.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 144-145.
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