Kalk

[242] Kalk (Calx, Kalkerde, Terra calcarea), 1) (Them.), Verbindung des Calciums (s.d.) mit Sauerstoff. Im wasserfreien reinen Zustande, als sogenannter Ätzkalk (Calcarea caustica) ist er weiß, leicht zerreiblich, ätzend u. von alkalischer Reaction, nur in sehr hohen Hitzegraden schmelzbar; zum Glühen erhitzt leuchtet er sehr stark; er muß in wohlverschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden, weil er an der Luft Feuchtigkeit u. Kohlensäure anzieht u. dann zu einem weißen Pulver (Kalkmehl) zerfällt. In kaltem Wasser ist der Ätzkalk leichter löslich als in heißem, noch leichter in einer Zuckerlösung; 3 Theile Syrup lösen so viel K., wie 700 Theile reines Wasser Im Großen wird der K. technisch mehr od. weniger rein aus Kalkstein (kohlensaurem K.), in Kalkbrennereien, durch starkes Erhitzen desselben gewonnen (s. Kalk 4), u. zwar am reinsten aus weißem Marmor od. gereinigten Austerschalen. Beim Erhitzen des kohlensaurem K-es in einem Luftstrom entweicht die Kohlensäure u. der K. bleibt als Ätzkalk, gebrannter K., zurück. Dieser gebrannte K. ist von der verbreitetsten Anwendung. Bei seiner großen Verwandtschaft zu Kohlensäure dient er zur Zerlegung kohlensaurer Salze, zur Darstellung von ätzenden Alkalien, ferner zur Bereitung des Glases, zur Herstellung von Luft- u. hydraulischem Mörtel; als Düngungsmittel, zur Enthaarung der thierischen Häute, zum Bleichen, Färben, zur Seifebereitung, in Zuckerraffinerien, zur Gasbereitung, zum Weißtünchen u. zu vielen anderen technischen Verrichtungen, endlich wird er auch als Arzneimittel angewendet, innerlich bes. gegen Magensäure, Lungenabscesse, Diabetes etc. u. als austrocknendes Mittel äußerlich; meist in Form von Ätzkalk (Calcaria), Kalkwasser (Aq. calcariae), Linimentum calcareum, d.i. eine Mischung von Kalkwasser mit fetten Ölen, auch sind viele Kalksalze officinell. Im Kleinen kann man Ätzkalk leicht darstellen, indem man ein Stück Kreide od. Marmor in fettes Ol od. Zuckerlösung taucht u. erhitzt. Die reine Kalkerde (Talciumoxyd) hat große Verwandtschaft zum Wasser u. bildet mit demselben Kalkhydrat, Ca O, H O. Man stellt dieses am besten dar, wenn man gebrannten K. mit Wasser besprengt; hierbei tritt eine starke Erhitzung des K-es ein, es entsteht oft ein Leuchten im Dunkeln u. Schießbaumwolle od. Schwefel darauf geworfen, entzündet sich; auch sind auf diese Weise zuweilen Feuersbrünste entstanden, indem gebrannter K. zufällig naß wurde. Zugleich bewirkt diese Verbindung des K-es mit Wasser eine solche Auflockerung des Hydrats, daß er am Ende dieses, als Kalklöschen (s. unten 4) bekannten Processes, in ein blendend weißes, voluminöses Pulver zerfällt. Völligtrocken, enthalten (nach Berzelius) 100 Gewichttheile davon 75 Calciumoxyd u. 25 Theile Wasser. Setzt man zu viel Wasser plötzlich zu, so geschieht das Löschen nur unvollkommen, man sagt, der K. wird ersäuft; durch allmäliges Zusetzen der doppelten Menge Wassers jedoch erhält man einen dünnflüssigen Brei, welcher nach dem Erkalten zu einer weichen Masse wird (der gelöschte Maurerkalk), wie sie als Mörtel angewendet wird. Wird noch mehr Wasser zugegossen, so erhält man eine trübe, milchfarbige Flüssigkeit (die Kalkmilch); durch 700 Theile kaltes Wasser aber erfolgt eine vollkommene Auflösung des Hydrats u. die geklärte [242] Flüssigkeit bekommt dann den Namen Kalkwasser. Die Wärme vermindert die Auflöslichkeit, so daß zur Lösung von 1 Theil Ätzkalk 1200 Theile warmes Wasser erforderlich sind. Der Luft ausgesetzt, zieht das Kalkwasser bald Kohlensäure an, u. es setzt sich der entstehende kohlensaure Kalk als eine krystallinische Rinde auf der Oberfläche (als Kalkrahm) ab. Über die Verbindungen des K-es mit Säuren zu Salzen s. unter den betreffenden Säuren; 2) bei den alten Chemikern jeder feste Körper, der im Feuer aufgelockert wurde; der Begriff dieser Verkalkung fand bes. bei den Metallen Anwendung, u. man verstand unter Metallkalke die Metalloxyde, weil diese durch die Einwirkung der Hitze oxydirt wurden, ihren metallischen Charakter verloren u. in eine lockere Substanz übergeführt wurden; 3) (Min.), so v.w. Kalkspath; 4) (Bauw.), der beim Bauen als Verbindungsmittel der Steine u. zum Bewurf der Mauern gebrauchte K. wird aus Kalksteinen (Steinkalk), Marmor (Marmorkalk), Muschelschalen (Muschelkalk), od. Gypssteinen (Gypskalk, Sparkalk, s. Gyps), gewonnen, indem man diese Gegenstände brennt, dann mit Wasser löscht u. nach Verhältniß Sand darunter mischt. Ungelöschter K. heißt Bethkalk. Das Kalkbrennen geschieht, indem man durch starke Gluth von den Kalksteinen die fremdartigen Theile, z.B. Schwefel u. bes. die kohlensaure Luft, ausscheidet, wodurch bewirkt wird, daß der K im Wasser zerfällt u. zu Kalkmörtel gebraucht werden kann. Durch das Brennen wird der K. um 1/3 bis 1/2 leichter. Man brennt den K. im Freien (Kalkrost), schichtenweis auf einer 3 Fuß hohen Lage Holz, od. in Gruben, od. in Kalköfen. Ein Kalkofen besteht aus einem hohlen gemauerten Raume, worin die Kalksteine locker aufgeschichtet u. von dem, auf einem gemauerten Herde brennenden Feuer gebrannt werden. Mehrere Thüren dienen zum Ausnehmen des K-es, wenn derselbe von oben eingesetzt wird, mehrere Mundlöcher zum Einwerfen des Holzes. Die eingesetzten Kalksteine werden mit einer Lehmdecke bedeckt, in welcher Zuglöcher angebracht sind. Das Kalkbrennen dauert 40–60 auch 100 Stunden u. beginnt mit dem Schmauchfeuer mit Reisig u. kleinem Spaltholze; dann folgt das stärkste, Flackerfeuer, welches die Steine zur Weißglühhitze bringt; zuletzt läßt man den Ofen durch schwächeres Feuer allmälig abkühlen. In Schachtöfen, welche ununterbrochen benutzt werden können, gibt man Kalksteine u. Kohlen schichtenweis auf, z.B. in England, Frankreich, den Niederlanden, Schlesien etc. Die Form des Schachtes ist die eines umgekehrten Kegels (Ovoids). Oder man entzündet das Brennmaterial auf rings um den Ofenschacht angebrachten Feuerungen, u. nicht das Brennmaterial, sondern die Flamme kommt mit den Kalksteinen in unmittelbare Berührung, wie z.B. bei Porzellan- u. Steingutösen. Der Steinkalk ist nach dem Brennen gewöhnlich weiß (Weißkalk) u. wird zum Ausweißen der Zimmer gebraucht; oft auch grau (grauer K. u. Mehlkalk). Dieser K. trocknet schnell, wird daher gern zu Wasserbauten genommen u. trocken gelöscht u. kann immer gleich gebraucht werden. Der K. muß höchstens einige Wochen nach dem Brennen gelöscht werden. K., welcher durch längeres Stehen sich an der Luft nach u. nach selbst gelöscht hat (Staub- od. abgestandener K.), ist nicht zu gebrauchen. Das Kalklöschen geschieht, indem man den K. mit Wasser begießt u. den Sand sogleich darunter mischt (Kalksetzen), od. indem man den K. auf einen 3 Fuß hohen Haufen schüttet, ihn gänzlich 2 Fuß dick mit Sand bedeckt u. allmälig) so viel Wasser darauf gießt, bis der K. völlig durchnäßt ist (trocken löschen); od. indem man eine Grube ausschalt od. ausmauert (Kalkgrube); neben diese einen Kasten von Bretern (Kalkkasten) stellt u. die Seite nach der Grube zu mit einem Schieber versieht, von wo aus eine Rinne in die Kalkgrube führt. In den Kalkkasten schüttet man einige Mulden gebrannten K. u. befeuchtet die Steine; wenn der K. gekocht hat, stößt man ihn mit dem Kalkhaken auseinander; alsdann gießt man noch ein Mal so viel Wasser als K. hinzu u. rührt die Masse so lange unter einander, bis sie zähe u. flüssig ist. Ist der K. durch langes Rühren einer fetten Milch (Kalkmilch) gleich, so läßt man ihn durch den Schieber des Kalkkastens in die Grube laufen (einsümpfen), bis dieselbe voll ist. Der so gelöschte K (Sauerkalk) kann über 10 Jahre in der Grube liegen u. wird je länger desto besser. Vor Austrockenen u. Gefrieren bewahrt man ihn mit einer Decke von Sand. Soll der gelöschte K. zum Mauern verbraucht werden, so wird er mit Sand vermischt (Mauerkalk, Mauerspeise, im engeren Sinne Sandkalk, Kalkmörtel). Zum Vermauern, bes. zwischen Bruchsteinen, ist grobkörniger Sand besser; zum Putzen wird seiner Sand darunter gemischt. Statt des Sandes nimmt man auch zerstoßene Ziegelsteine, gebrannte thönerne od. Glasscherben, Eisenschlacken u. Steinkohlen u. bildet dadurch den besten Mörtel, bes. zum äußeren Bewurf der Mauern, s.u. Cement. Soll der Kalkmörtelschnell trocknen u. festhalten, so mischt man Gyps darunter; dieser Gypsmörtel dient im südlichen Deutschland u. der Schweiz zum Abputz der Zimmerdecken u. Wände. Mergelkalk wird aus Kalkerde bereitet, welche man zu großen Ziegeln (Kalksoden) streicht, bei geringem Feuer brennt u. dann mit Wasser auflöst. Mit Thon vermischter Mergel gibt hydraulischen Mörtel, der beim Wasserbau gut anzuwenden ist. Man hat auch aus Eierschalen Weißkalk gebrannt, welcher gut zum Tünchen ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 242-243.
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