Gegenreformation

[456] Gegenreformation nennt man die Bestrebungen, die sich im 16. Jahrh. zuerst in Spanien und dann in ganz Europa regten, um die protestantische Reformation rückgängig zu machen (s. Deutschland, S. 811). Einerseits wurde dabei die Reinigung und Herstellung der aus dem Mittelalter überlieferten katholischen Kirche ins Auge gefaßt; in diesem Sinn ist das Tridentinische Konzil (s.d.) ein Ergebnis der G. zu nennen; anderseits war die Absicht vorhanden, den Protestantismus, wo immer er Fuß gefaßt hatte, zu unterdrücken und zu vernichten. Die eigentlichen Vorkämpfer der G. sind die spanischen Herrscher, Kaiser Karl V. und König Philipp II., danach die 1609 gegründete Liga (s.d.) im Kampfe mit der 1608 gebildeten protestantischen Union; die tätigsten Gehilfen bei dieser Arbeit, in vieler Hinsicht die treibende geistige Kraft, sind die Jesuiten. Das Zeitalter der G. oder der Religionskriege umfaßt das Jahrhundert vom Augsburger Religionsfrieden (1555) bis zum Westfälischen Frieden (1648), der den Dreißigjährigen Krieg (s.d.) abschloß. Noch im 16. Jahrh. entbrannten durch die G. heftige Kämpfe in den Niederlanden und Frankreich sowie Konflikte zwischen England und Schottland, England und Spanien, Polen und Schweden etc. In Deutschland nahm die G. 1563 ihren Anfang in Bayern, woselbst der Herzog Albrecht L., ein Freund der seit 1556 in Ingolstadt dauernd ansässigen Jesuiten, den dem evangelischen Bekenntnis zugetanen Adel von dem Landtag ausschloß und die evangelischen Prediger und Laien aus dem Lande vertrieb. 1572 verwehrte der Bischof von Trier, Jakob von Eltz, den Protestanten zu seinem Hof den Zutritt, und der Kurfürst von Mainz, Daniel Brendel, restituierte mit Hilfe der Jesuiten 1574 den Katholizismus auf dem Eichsfeld; diesem Beispiel folgten der Bischof Julius Echter von Würzburg, 1587 der Bischof von Bamberg, 1588 der Erzbischof von Salzburg. In Österreich und in den mit diesem Staat eng verbundenen Ländern Böhmen, Schlesien, Mähren und Ungarn feierte die G. ihre größten Triumphe. In Steiermark, Kärnten und Krain erließ der Erzherzog Ferdinand, ein Jesuitenschüler, 1598 ein Dekret, das den lutherischen Predigern die sofortige Entfernung aus seinem Gebiet befahl. Nun zögerte auch Kaiser Rudolf II. nicht länger mit der Aufhebung der den Utraquisten bisher in Böhmen gewährten Privilegien, die er jedoch 1609 in dem Majestätsbrief von neuem gewähren mußte. Auch in Ungarn hatten die Restaurationsversuche Rudolfs II. zunächst denselben Mißerfolg: die Protestanten ertrotzten 1606 den Wiener Frieden, der ihnen volle Religionsfreiheit zugestand. Ihren Höhepunkt erreichte die G. in dem Restitutionsedikt Ferdinands II. 1629, das von den Protestanten die Herausgabe aller seit dem Passauer Vertrag (1552) eingezogenen Kirchengüter forderte und den katholischen Ständen das Recht der völligen Ausrottung des Protestantismus zuerkannte. Der Westfälische Friede machte 1648 gesetzlich (wenn auch nicht tatsächlich) der gewalttätigen G. in Deutschland ein Ende. Das Ergebnis der G. war eine beträchtliche Verstärkung der katholischen Kirche, die in Europa (besonders Frankreich und Polen) das Gebiet wiedergewann, das sie noch heutigestags behauptet, und ihre durch das Tridentinische Konzil (s.d.) gestärkte hierarchische Verfassung unter der absoluten Herrschaft des Papsttums ausbildete. Vgl. Mor. Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der G. (Stuttg. 1889ff., 3 Bde.); G. Droysen, Geschichte der G. (Berl. 1893); Gothein, Ignatius von Loyola und die G. (Halle 1895); Gust. Wolf, Deutsche Geschichte im Zeitalter der G. (Berl. 1898, Bd. 1). Spezialwerke: Pescheck, Geschichte der G. in Böhmen (Leipz. 1844, 2 Bde.); Heppe, Die Restauration des Katholizismus in Fulda, auf dem Eichsfeld und in Würzburg (Marb. 1850); Reuß, La destruction du protestantismeen Bohême (Straßb. 1868); Wiedemann, Geschichte der Reformation und G. im Lande unter der Enns (Prag 1879–86, 5 Bde.); Keller, Die G. in Westfalen und am Niederrhein (Leipz. 1881–1895, 3 Bde.); Gindely, Geschichte der G. in Böhmen[456] (das. 1894); Loserth, Die Reformation und G. in den innerösterreichischen Ländern (Stuttg. 1898); Bibl, Die Einführung der katholischen G. in Niederösterreich (Innsbr. 1900); Lippert, Geschichte der G. in Staat, Kirche und Sitte der Oberpfalz-Kurpfalz (Freiburg 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 456-457.
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