College

[224] College (spr. -ēdsch), in England korporative Institute der Universitäten, die teils dem Mittelalter entstammen, teils in neuerer Zeit nach dem Muster der mittelalterlichen Universitätskollegia (s. Kollegium) gestiftet wurden. So hat Oxford 20 Colleges, wovon das älteste, University C., angeblich vom König Alfred 872, das jüngste, Keble C., 1870 gegründet wurde. Cambridge zählt 17 Colleges, deren Ursprung in den Zeitraum von 1287–1821 fällt. Hierzu kommen noch die Halls, die (wenigstens in Oxford) keine Fellowships (s. unten) haben. Diese Colleges sind meist reich und mit prächtigen Gebäuden ausgestattet, worin Lehrer und Schüler zusammen wohnen. Jedes C. hat seinen Dirigenten (Master, Warden ode r Rector, auch Provost, President, Principal oder Dean, wie z. B. beim Christ Church C. zu Oxford) und eine gewisse Anzahl Fellows (Kollegen), die ansehnliche Gehälter beziehen und neuerdings auf besondere Erlaubnis auch heiraten dürfen. Wird ein Fellow Professor, so steht ihm ohne weiteres das Recht der Verheiratung zu. Durch neuere Gesetze (1854,1868,1877) ist die Zahl der idle Fellowships (Fellowstellen ohne Lehramt) zugunsten wirklicher Professuren allmählich verringert. Das eigentliche Lehrpersonal eines ältern C. bildeten die Tutors. Deren Unterricht beschränkte sich auf die Fächer der allgemeinen Bildung, namentlich Lateinisch, Griechisch und Mathematik; alle Fachstudien waren dem Privatunterricht überlassen. Wegen dieses Mangels der alten Colleges wurde in London neben der Universität 1829 das King's C. gegründet, worin auch neuere Sprachen, Geschichte, Physik, Rechtswissenschaft etc. in den Kreis der Lehrfächer aufgenommen sind. Seitdem ist man bemüht, unter tunlichster Wahrung der überlieferten Formen die reichen Mittel auch der alten Colleges modernen Ansprüchen dienstbar zu machen. – Analog den Colleges der beiden alten Universitäten sind meist diejenigen großen Anstalten auf altkirchlicher Grundlage eingerichtet, die für den Universitätsbesuch vorbereiten. Auch sie werden zumeist als Colleges bezeichnet, aber auch als Public oder Grammar schools. Auch hier wird auf behagliches, anständiges Zusammenleben, körperliche Übungen im Freien etc. großes Gewicht gelegt. Als Lehrer wirken teils die eigentlichen Mitglieder der Korporation (Fellows), die jedoch meist nur zu einer zeitlich begrenzten Anwesenheit (annual residence) im C. verpflichtet sind, teils jüngere, zeitweise angestellte Hilfskräfte (Tutors). Die Schüler tragen wie die Students an den Universitäten vorgeschriebene Kleidung. Diese Anstalten sind teils Internate, wie Eton, Rugby etc., teils Day-schools, die ihre Zöglinge nur an den Schultagen bis Abend beköstigen, selten reine Schulanstalten oder Externate. Die bekanntesten ältern derartigen Colleges sind: Winchester C. (1393), Eton C. (1411), St. Paul's School (London, jetzt Hammersmith; 1508), Westminster School (erneuert 1570), Christ's Hospital (1552), Merchant-Taylors' School (1561), Rugby (1567), Harrow School (1571), Charterhouse School (1611). Die Organisation der Colleges in unterrichtlicher Hinsicht ist sehr mannigfaltig; doch haben sie meist sechs aufsteigende Klassen (Forms oder Books), deren drei untere gemeinsam, deren obere in einen realistischen und einen humanistischen Zweig getrennt sind. Vgl. für die Colleges der Universitäten: Rashdall, The universities in the middle ages (Oxford 1895, 2 Bde.); für die übrigen: Aronstein, Die Entwickelung der höhern Knabenschulen in England (Marburg 1897). Dort auch nähere Literaturangaben. – Das Royal Military C. zu Sandhurst in Berkshire, 1799 gegründet, ist eine Kadettenanstalt. Ähnliche Institute gründete die Ostindische Kompagnie zu Addiscomb und zu Haileybury, doch gingen aus letzterm auch ihre Zivilbeamten hervor. Die Colleges in Dulwich (1612), Bromley und Morden sind reiche Stifter (Heim- und Pflegstätten) für Witwen, Waisen, Emeriten etc. gewisser Berufsstände. Das medizinische Kollegium (C. of physicians) in London wurde 1523 unter Heinrich VIII. errichtet und mit Privilegien ausgestattet. Hierzu kam 1800 das C. of surgeons. Die Colleges of physicians and of surgeons haben nicht das den Universitäten vorbehaltene Recht der Doktorpromotion; doch dürfen die an ihnen Geprüften als Ärzte praktizieren. Diese führen dann einen der folgenden [224] Titel: L.(icenciate), M.(ember) oder F.(ellow) R. C. P. (d. i. of the Royal C. of Physicians) und M. oder F. R. C. S. (d. i. of the Royal C. of Surgeons). Für Schottland und Irland gibt es ähnliche Institute in Edinburg und Dublin. Das C. of Civilians, gewöhnlich Doctors' Commons genannt, wurde durch Doktor Harvey, Dean of the Arches, für künftige Professoren des Zivilrechts in London gegründet. Hier residieren auch die Richter des Arches' Court, der Admiralität, des Prerogative Court etc., die nach dem Reglement an einer gemeinschaftlichen Tafel speisen sollten, woher der Name 1) Doctors' Commons.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gibt es eine Menge Colleges, von denen einige an die deutschen Universitäten, die meisten aber an die mittlern und höhern Klassen der deutschen Gymnasien erinnern. Die ältesten und angesehensten Anstalten jener vornehmern Art sind die Harvard University zu Cambridge im Staat Massachusetts, mit einer Bibliothek von etwa 250,000 Bänden (gestiftet 1638), das Yale C. zu Newhaven in Connecticut (gestiftet 1700), das Columbia C. in New York, die University of Virginia in Albemarle County (Virginia). Unter den neuern Anstalten ragen die reich ausgestattete, konfessionslose Cornell University in Ithaca (Staat New York) und Lafayette C. in Easton (Pennsylvanien) hervor. 1882 zählte der amtliche »Report« der Zentralbehörde für Unterrichtswesen 364 Colleges und Universities auf, deren große Mehrzahl (280) von kirchlichen Genossenschaften unterhalten ward. Die Einrichtung dieser Anstalten und die Ziele, die sie sich stecken, sind sehr verschieden; sie folgen aber in den Grundzügen meist dem Vorbilde der englischen Colleges. Viele der amerikanischen Colleges stehen auch der weiblichen Jugend offen, andre, wissenschaftlich weniger angesehene, nur dieser. Außer den der allgemeinen Bildung gewidmeten oder mehrere Fakultäten umfassenden Colleges und Universities (1895: 476) gab es gleichzeitig 149 theologische, 72 juristische, 142 (1900: 156) medizinische, 45 zahnärztliche, 39 pharmazeutische, 9 tierärztliche, 81 mathematisch-naturwissenschaftliche, 335 kaufmännische Berufsschulen, die meist ebenfalls den Namen C. führen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 224-225.
Lizenz:
Faksimiles:
224 | 225
Kategorien: