Bauernkrieg

[465] Bauernkrieg, die gewaltsame Erhebung der Bauern in einem Teil Deutschlands im Beginn der Reformationszeit 1525. Die Ursachen liegen durchaus nicht nur in einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Bauernstandes, sondern vor allem darin, daß die höhern in den Städten sich entwickelnden Lebensformen bei ihrer Übertragung auf das Land mit den Verfassungszuständen in Widerspruch gerieten: die erhöhten Lebensansprüche des Adels forderten neue, mit dem Recht unvereinbare Lasten der Bauern; der Ertrag der ländlichen Arbeit ließ sich aber nur durch Änderung der Wirtschaftsweise erhöhen, und gegen jede dahin abzielende Maßnahme sträubten sich die Bauern, die geradezu die unwirtschaftliche freie Nutzung von Wald und Weide in der Folge als eine Hauptforderung aufstellten. In den verschiedenen Landesteilen waren die Zustände außerordentlich verschieden; Verallgemeinerung gewisser örtlich nachgewiesener Zustände ist deshalb unzulässig. Allgemein gilt jedoch, daß die bereits im 15. und Anfang des 16. Jahrh. in verschiedenen Gegenden auftretenden Bauernerhebungen ihren tiefern Antrieb und das Ziel durch die Reformation erhalten haben: erst diese Verbindung brachte es dahin, daß fast keine Landschaft 1525 völlig vom Aufruhr verschont blieb. Von radikalen Predigern verleitet, glaubten die Bauern, aus dem Evangelium den Rechtsgrund der Empörung schöpfen zu können. Seit dem Auftreten des Paukers von Niklashausen (s. d.) 1476 hörten die Erhebungen der Bauern in den Alpenländern und in Friesland, in Franken und Thüringen, am Oberrhein und in Schwaben nicht auf. Der »Bundschuh« (s. d.) 1502 und der »Arme Konrad« (s. d., Bd. 1, S. 789) in Württemberg 1514 sind die bekanntesten davon. Eine große Ausdehnung erlangte der windische Bauernbund in Steiermark, Kärnten und Krain, der sich nach mehreren vereinzelten Empörungsversuchen 1515 mit furchtbarer Wut gegen den Adel erhob und erst nach mehrmonatigem Kampfe vom Kaiser Maximilian niedergeworfen wurde. Im Sommer 1524 kam es im südlichen Schwarzwald, in der Landgrafschaft Stühlingen, zu den ersten Bewegungen, die noch rein auf wirtschaftliche Ziele gerichtet sind und keinen Zusammenhang mit dem religiösen Moment aufweisen. Im Algäu entstand das Programm der Bauernbewegung, die sogen. »Zwölf Artikel« (s. d.). Durch Druck, schon 19. März 1525 zu Ulm käuflich, und mündlich rasch verbreitet, fanden sie überall großen Anklang. Sie verlangten vor allem freie Wahl der Pfarrer durch die Gemeinden, lautere Predigt des Evangeliums, Abschaffung des kleinen Zehnten und der Frondienste, Aufhebung des Jagdrechts und Herabsetzung des Zinsfußes; begründet wurden alle Forderungen aus der Bibel. Die Bewegung verbreitete sich rasch durch Österreich und Tirol, im Elsaß und am Mittelrhein. Ein Haufe, aus Untertanen des Pfalzgrafen, der Bischöfe von Mainz und Würzburg, der Deutschherren und vieler Edlen bestehend, wählte den verwegenen Wirt von Ballenberg im Odenwald, Georg Metzler, zum Hauptmann des »evangelischen Heeres«; ein andrer Odenwälder Hause nahm einen Edelmann, Florian Geier (s. d.), zum Führer. Im Hohenloheschen stellte sich der frühere gräfliche Kanzler, Wendel Hippeler, an die Spitze der Bauern, im Heilbronnschen Jäcklein Rohrbach. So zerfielen die Aufständischen in eine große Anzahl »sturmlicher Haufen«, denen jede einheitliche Leitung und Zucht fehlte und die deshalb aufs wildeste sengten, raubten und mordeten; Klöster und Burgen fielen ihnen in Menge zum Opfer. Die anfangs nicht geeinigten kleinen Herren, wie die Grafen Hohenlohe und Löwenstein, mußten sich schimpfliche Demütigungen gefallen lassen: besonders roh war die Gewalttat an dem Grafen Ludwig von Helfenstein, der die Burg Weibertreu bei Weinsberg im April gegen 8000 Bauern verteidigte. Erschreckt nahm der ganze Adel vom Odenwald bis an die schwäbische Grenze die Gesetze der Bauern an. Auch das Bürgertum nahm an der Bewegung kräftigen Anteil. In zahlreichen Städten verlangten die Bürger vom Klerus Verzicht auf seine Steuer- und Gerichtsprivilegien und Einstellung des geistlichen Gewerbebetriebs. Vom Rat forderte man vielfach eine Demokratisierung des städtischen Regiments, und das städtische Proletariat, mit den Bauern sympathisierend, wollte teilen mit den Geistlichen und Reichen. In einer Reihe von Städten, so in Heilbronn, Wimpfen, Dinkelsbühl, Rothenburg ob der Tauber, mußte der Rat mit den Bauern Verträge schließen und sie unterstützen. In Mainz forderte die Bürgerschaft ihre reichsstädtischen Rechte vom Erzbischof zurück, und in Trier stellte sich sogar der Rat an die Spitze der Bewegung.[465]

Nun erkannten auch die Bauern die Notwendigkeit von Zucht und Ordnung und wählten auf Hippelers Vorschlag den Ritter Götz von Berlichingen (s. d.), der als Feind der hohen Geistlichkeit und der Fürsten bei den Bauern beliebt war, zum Feldhauptmann; Götz nahm die Wahl auf einen Monat an, zog mit dem Bauernheer Anfang Mai 1525 vor Würzburg, dessen Bürgerschaft sie freudig begrüßte, und schickte sich zur Belagerung der Feste Frauenberg (Marienberg) an, wo die fränkischen Fürsten und Ritter ihre letzten Streitkräfte unter Markgraf Friedrich von Brandenburg und Sebastian von Rotenhan versammelt hatten. Gleichzeitig tagte in Heilbronn auf Betrieb Hippelers und Friedrich Weigands von Miltenberg ein Bauernausschuß zur Beratung einer vollständigen Reichsreform. Hier entstand der Heilbronner Reichsverfassungsentwurf. Dieser verlangte zur Entschädigung der weltlichen Herren Einziehung der geistlichen Güter und Steuerbeschränkung: eine vollständige Reichsreform in demokratischem Sinne war als Ideal gezeichnet, die Deutschland einen neuen Staats- und Rechtsboden und die Möglichkeit einer großartigen Entwickelung geben sollte. Indessen, von allem andern abgesehen, hatte Kaiser Karl V. zu wenig Verständnis für die deutschen Dinge, er dachte nicht daran, die mächtige Volksbewegung zur Errichtung eines starken einheitlichen Reiches zu benutzen. Zudem schreckten die zügellosen Ausschreitungen und rohen Gewalttaten der Bauern den Mittelstand von einer Beteiligung ab, und vor allem Luther, in dessen Geiste die Führer der Bewegung zu handeln glaubten, sprach sich entschieden gegen diese Betätigung aus, so daß der Radikalismus immer mehr an Aussicht auf Sieg verlor. Im April 1525 erschien Luthers Schrift »Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel« und im Mai »Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern«. In Thüringen waren die sozialpolitischen Bestrebungen aufs engste mit den kirchlichen Reformideen, aber in der schwärmerischen und fanatischen Weise Thomas Münzers verbunden. Dieser war in Mühlhausen zum Ansehen eines von Gott begeisterten Propheten gelangt; er entschied in Rat und Gericht nach seiner innern Offenbarung, ließ die Pfarrer vertreiben, die Klöster zerstören und die Schlösser und Burgen der Herren stürmen. Vom Thüringer Wald bis zum Harz hin war alles in wilder Bewegung, hier ging alles auf »allgemeines erbarmungsloses Verderben« hinaus: Münzer erwies sich als Gegner jeder Obrigkeit und Gesellschaftsordnung. Auf Luthers Mahnruf verband sich Landgraf Philipp von Hessen mit Kurfürst Johann und den Herzögen Georg und Heinrich von Sachsen und besiegte 15. Mai 1525 Münzer bei Frankenhausen. Über 5000 Bauern wurden getötet; Münzer ward gefangen und vor Mühlhausen hingerichtet.

Unt dieselbe Zeit begann in Süddeutschland die nachdrückliche Bekämpfung des Aufstandes. Zuerst wurden die Unruhen im Elsaß durch den Herzog Anton von Lothringen gedämpft. In Schwaben sicherte sich der Hauptmann des Schwäbischen Bundes, Georg Truchseß von Waldburg, durch einen Vertrag mit den Seebauern den Rücken und besiegte die württembergischen Bauern bei Böblingen, worauf sich das ganze Land unterwarf. Nachdem er Weinsberg zur Strafe in Asche gelegt, vereinigte er sich in Franken mit den Kurfürsten von der Pfalz und von Trier und rückte mit 8000 Mann zu Fuß und 2500 Reitern gegen Würzburg, wo die Bauern noch immer vergeblich den Frauenberg belagerten. Auf die Kunde von seinem Herannahen zog der Odenwälder Haufe ihm entgegen, löste sich aber nach Berlichingens heimlichem Entweichen auf dem Marsch auf. Nur 2000 Bauern unter Metzler hatten den Mut, bei Königshofen dem Feinde die Spitze zu bieten, wurden aber 2. Juni gänzlich vernichtet. Nun hielten die Herren in Franken Gericht: in Würzburg wurden 60 Bürger hingerichtet, in Kitzingen auf Befehl des Markgrafen Kasimir von Ansbach 57 Männern die Augen ausgestochen, weil sie einst gerufen, sie wollten keinen Markgrafen mehr sehen. Auch die städtische Bewegung sank ergebnislos in sich zusammen: Schweinfurt, Bamberg und andre Städte erkauften durch schwere Geldbußen Schonung; in Rotenburg wurden die Rädelsführer des Aufstandes enthauptet. Berlichingen wurde zwei Jahre in Hast, dann auf seinem Schloß Hornberg festgehalten; Hippeler starb im Gefängnis. Die mittelrheinischen Bauern wurden 24. Juni bei Pfeddersheim vom pfalztrierschen Heer aufgerieben. Länger dauerte die Unterdrückung am Oberrhein und in den Alpen, wo sich die Bauern schließlich von selbst zerstreuten. Überall wurde nun von den siegreichen Gewalten strengstes Strafgericht geübt und den Bauern ein noch härterer Druck auferlegt. So war das Ende des Bauernkrieges Besiegung der Gewalt durch Gewalt, ohne innere Heilung der Schäden, und außer den Verwüstungen von Klöstern und Schlössern sein Ergebnis für Deutschland die Lähmung des nationalen Lebens und an manchen Orten die Zurückdrängung der Reformation.

Vgl. Lorenz Fries (1491–1550), Geschichte des Bauernkriegs in Ostfranken (hrsg. von Schäffler und Henner, Würzb. 1884); Zimmermann, Allgemeine Geschichte des großen Bauernkriegs (2. Aufl., Stuttg. 1856, 2 Bde.; hrsg. von Blos, das. 1891); Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522–1526 (Freib. i. Br. 1851); Cornelius, Studien zur Geschichte des Bauernkriegs (Münch. 1861); Zöllner, Zur Vorgeschichte des Bauernkriegs (Dresd. 1872); Stolze, Desgl. (Leipz. 1900); Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkriegs aus Oberschwaben (Freib. i. Br. 1877); Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Südwestdeutschland (Stuttg. 1884); K. Kaser, Politische und soziale Bewegungen im deutschen Bürgertum zu Beginn des 16. Jahrhunderts (das. 1899). Die Schrift Bebels über den B. (Leipz. 1876) ist eine sozialistische Tendenzschrift.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 465-466.
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