Nancy

[405] Nancy (spr. nāngßi, deutsch Nanzig), Hauptstadt des franz. Depart. Meurthe-et-Moselle und ehemals des Herzogtums Lothringen, 200 m ü. M., am linken Ufer der Meurthe und am Marne-Rheinkanal, Knotenpunkt der Ostbahn, zerfällt in die Altstadt, die sich nördlich am Fuße der noch teilweise erhaltenen Zitadelle zwischen den schönen Promenaden La Pepinière und Cours Léopold ausdehnt, und in die Neustadt mit breiten, geraden Straßen, schönen öffentlichen Plätzen und monumentalen Gebäuden. Unter den Plätzen zeichnet sich der Stanislausplatz (124 m lang, 106 m breit) mit der 1831 errichteten Statue des Königs Stanislaus (von Jacquot), schönem Springbrunnen und einem 1757 zu Ehren Ludwigs XV. errichteten Triumphbogen aus, der diesen Platz von der Place Carrière scheidet. Von den Kirchen sind hervorzuheben: die Kathedrale (18. Jahrh.), die Kirche der Cordeliers (aus dem 15. Jahrh., Eigentum des Kaisers von Österreich, mit der Herzogskapelle und schönen Grabmälern), die Kirche Bon Secours mit den Grabmälern des Königs Stanislaus und seiner Gemahlin, die gotische Kirche St.-Epvre (1874 vollendet) mit 87 m hohem Turm, die gotische Kirche St.-Pierre (1880–85) mit zwei 75 m hohen Türmen, die gotische Kirche St.-Léon (1860–70), die Kirche St.-Nicolas (1875–81) in Renaissancestil. Von den übrigen öffentlichen Gebäuden ist das ehemalige Schloß der Herzoge von Lothringen (1329 begonnen, seit 1510 im gotischen und Renaissancestil erneuert), mit prächtigem Portal und dem lothringischen archäologischen Museum 1871 teilweise abgebrannt, seitdem aber im alten Stil wieder aufgebaut worden. Zu erwähnen sind noch: das ehemalige Universitäts-, jetzt Bibliotheksgebäude, das Stadthaus (17. Jahrh., mit dem Kunstmuseum), das ehemalige Regierungsgebäude (jetzt Sitz des Divisionskommandos), das Theater, das Fakultätsgebäude (1858–70); endlich mehrere stilvolle Torgebäude, wie die Porte de la Craffe (1463 erbaut, 1643 erneuert), die Porte de la Citadelle, die Porte Stanislas, die Porte Désilles (die letztern beiden aus dem 18. Jahrh.) u.a. Die Stadt besitzt ferner Denkmäler des Herzogs René II., des Generals Drouot, des Agronomen Mathieu Dombasle, des Malers Claude Lorrain, des Kupferstechers Callot und des Präsidenten Thiers. Die Zahl der Einwohner beträgt (1901) 102,544. Die industrielle Produktion erstreckt sich namentlich auf Baumwoll- und Schafwollspinnerei und -Weberei, Fabrikation von Stickereien, Hüten, Handschuhen, Schuhwaren, Makkaroni, Öl, Kerzen, chemischen Produkten, Tonwaren, [405] Glas, Ackergeräten und andern Eisenwaren, Klavieren; ferner Tabakmanufaktur, Bierbrauerei etc. N. treibt auch lebhaften Handel. Für den Lokalverkehr besteht eine Straßenbahn. An Unterrichtsanstalten besitzt die Stadt vier Fakultäten (für Jurisprudenz, Medizin, Wissenschaften und Literatur nebst pharmazeutischer Schule, zusammen mit 1903: 1192 Hörern), eine Forstakademie (die einzige in Frankreich), ein großes Seminar, ein Lyzeum, eine Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, je eine Gewerbeschule für Knaben und Mädchen, eine Kunst- und eine Ackerbauschule, ein Musikkonservatorium, ein Taubstummen- und Blindeninstitut. Auch eine öffentliche Bibliothek von 88,000 Bänden und 1200 Manuskripten, eine Universitätsbibliothek (37,000 Bände), ein Kunstmuseum (mit Gemälden italienischer, niederländischer und französischer Schulen, Skulpturen u.a.), ein Botanischer Garten, ein Naturalienkabinett sowie mehrere wissenschaftliche und gemeinnützige Gesellschaften und zahlreiche Wohltätigkeitsinstitute sind vorhanden. N. ist Sitz eines Bischofs, eines evangelisch-reformierten und eines israelitischen Konsistoriums, einer Akademie (für die Departements Meurthe, Maas und Vogesen), eines Appell- und Assisenhofs, eines Handelsgerichts, einer Handelskammer und einer Filiale der Bank von Frankreich. N. ist der Geburtsort des Agronomen Dombasle, der Künstler Callot, Isabey, Grandville u.a. – Im 12. Jahrh. war N. nur ein Schloß und seit 1153 die Residenz der Herzoge von Lothringen. 1475 wurde es von Karl dem Kühnen von Burgund erobert; Herzog René von Lothringen gewann N. 1476 zurück und schlug mit Hilfe der Schweizer 5. Jan. 1477 die Burgunder, wobei Karl der Kühne selbst blieb. René und seine Nachfolger bauten nun an N. eine neue Stadt an, die Herzog Heinrich II. von Lothringen vollendete. 1670 besetzten es die Franzosen unter dem Marschall v. Créqui. Im Ryswyker Frieden gab Ludwig XIV. N. zurück. Durch den Wiener Frieden (1735) wurde es Residenz des vertriebenen Königs von Polen, Stanislaus Leszczynski, der bis zu seinem Tode Lothringen erhielt. Ihm verdankt N. eine Anzahl schöner Gebäude und Plätze. Nach seinem Tode 1766 fiel N. endgültig an Frankreich. Seit 1870 sind auf den die Stadt beherrschenden Höhen mehrere Forts errichtet worden. Vgl. Cayon, Histoire physique, civile, etc., de N. (Nancy 1846); Lepage, Les archives de N. (das. 1866, 4 Bde.); Courbe, Les rues de N. du XVI. siècle à nos jours (das. 1886, 3 Bde.); Pfister, Führer durch N. (Metz 1901) und Histoire de N. (Par. u. Nancy 1902 ff., 3 Bde.); Humbert, N. grande ville (2. Aufl., Nancy 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 405-406.
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