Konsistorĭum

[415] Konsistorĭum (lat., »Versammlungsort«), 1) in der römischen Kaiserzeit seit Konstantin die ständige Behörde, die zur unmittelbaren Beratung des Kaisers berufen war, der kaiserliche Geheime Rat (consistorium principis), hervorgegangen aus der schon von den frühern Kaisern angenommenen Gepflogenheit, sich mit einem Beirat von Rechtsgelehrten (consilium principis) zu umgeben, wo es sich um Entscheidung von Rechtsangelegenheiten handelte. Im K. wurden die feierlichen Audienzen des Kaisers abgehalten, die Gesetzentwürfe beraten, Prozesse in höchster Instanz verhandelt und entschieden; die hierüber geführten Protokolle hießen acta consistorii. 2) Das K. des Papstes ist das höchste Staatskollegium desselben, das aus einer Versammlung von Kardinälen unter Vorsitz des Papstes besteht. Die sogen. öffentlichen oder außerordentlichen Konsistorien finden nur bei besondern Anlässen, z. B. beim Empfang auswärtiger Gesandten, mit großer Feierlichkeit statt. In den sogen. geheimen Konsistorien, bei denen nur Kardinäle gegenwärtig sind, wird über alle wichtigen Angelegenheiten, die Ernennung der Kardinäle, der Erzbischöfe, der Bischöfe u. dgl. beschlossen. 3) Das bischöfliche K. ist der dem Bischof, bez. dem Generalvikar oder dem bischöflichen Offizial zur Verwaltung der Diözese beigegebene Rat. Bald heißen die einzelnen Behörden: das Generalvikariat oder das Offizialat (bischöfliche Gericht) K., bald beide in ihrer Gesamtheit (mit Einschluß des Bischofs auch Ordinariat). Zu Mitgliedern (Konsistorialräten) werden außer den Domkapitularen manchmal auch weltliche Juristen (Konsistorialassessoren, in Österreich auch Konsistorialadvokaten) ernannt

4) In der protestantischen Kirche hängt die Einsetzung landesherrlicher Konsistorien mit der Theorie zusammen, daß die bischöfliche Gewalt auf den Landesherrn übergegangen, und daß bieser als der oberste Landesbischof (summus episcopus) und als das Oberhaupt der evangelischen Landeskirche zu betrachten sei. Das K. ist nun die Behörde, durch die der Landesherr das im zustehende Kirchenregiment tatsächlich ausübt (sogen. Konsistorialverfassung). So wurde schon 1542, infolge eines Gutachtens der Reformatoren von 1539, zuerst zu Wittenberg ein K. errichtet, was sodann nach dem Augsburgischen Religionsfrieden von 1555 zunächst in allen evangelischen Ländern geschah. Die Konsistorien erhielten von dem Landesherrn ihre Instruktion; die Rechte, die sie selbständig auszuüben hatten, bezeichnete man mit dem Ausdruck jura regiminis ecclesiastici vicaria, im Gegensatz zu den dem Landesherrn vorbehaltenen jura regiminis ecclesiastici reservata. Zu letztern gehörte fast allgemein die Gesetzgebung samt der in ihr enthaltenen Organisationsgewalt, das Dispensationsrecht und die Verleihung der Kirchenämter, zu den erstern die Aussicht über die Lehre und über die Liturgie, über die Amtsführung und über den Lebenswandel der Geistlichen, die Straf- und Disziplinargerichtsbarkeit über dieselben, die Prüfung der Kandidaten für geistliche Ämter, die Handhabung der Kirchenzucht, die Oberaufsicht über die kirchliche Vermögensverwaltung und die Anordnung der Ordination und Institution der Geistlichen. Dazu kam zumeist eine förmliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen. Die neuere Rechtsentwickelung hat die Zuständigkeit der Konsistorien durchweg auf das rein kirchliche Gebiet beschränkt. In diesem Rahmen sind ihnen jetzt mitunter auch Gegenstände überwiesen, die früher der landesherrlichen Entschließung vorbehalten waren, während sie anderseits für manche Angelegenheiten der laufenden Verwaltung Synodalausschüsse zuziehen müssen. Von denjenigen Staaten abgesehen, in denen das K. mit dem Kultusministerium vereinigt ist, besteht ein Unterschied in der Konsistorialverfassung insofern, als die konsistorialen Zentralorgane (Oberkonsistorium, Oberkirchenrat) entweder dem Landesherrn unmittelbar unterstehen, oder aber dem Kultusministerium untergeordnet sind. In Preußen bildet für die neun ältern Provinzen der evangelische Oberkirchenrat in Berlin, der direkt unter dem König steht und kollegialisch organisiert ist, die oberste Kirchenbehörde. Unter dieser stehen die gleichfalls kollegialisch eingerichteten Konsistorien für die einzelnen Provinzen. In den neuen Provinzen sind die Konsistorien zu Kiel, Kassel, Frankfurt a. M. und Wiesbaden dem Kultusminister unterstellt. Für die Provinz Hannover bestehen unter einem Landeskonsistorium in Hannover, das unter dem Kultusministerium steht, mehrere Provinzialkollegien. In Bayern besteht, dem Kultusministerium untergeordnet, ein Oberkonsistorium in München, unter dem die Konsistorien in Ansbach und Bayreuth[415] stehen, ferner für die Pfalz ein K. in Speyer. Für das Großherzogtum Hessen ist ein Oberkonsistorium in Darmstadt errichtet. In Württemberg steht das evangelische K. unter dem Ministerialdepartement des Kirchen- und Schulwesens. Im Königreich Sachsen wird die landesherrliche Kirchengewalt, solange der König katholisch ist, von den »in Evangelicis beauftragten« Staatsministern ausgeübt, unter denen das Landeskonsistorium in Dresden steht. In Österreich ist der evangelische Oberkirchenrat dem Ministerium für Kultus und Unterricht unterstellt. Die Konsistorien setzen sich aus geistlichen und weltlichen Räten zusammen. Vereinzelt kommen auch noch sogen. Mediat- oder Unterkonsistorien vor, die als Unterbehörden gewisser Städte oder Standesherren in Unterordnung unter das landesherrliche Kirchenregiment gewisse durch Herkommen oder Privilegien bestimmte Rechte konsistorialer Art zu verwalten haben. Vgl. Friedberg, Das geltende Verfassungsrecht der evangelischen Landeskirchen (Leipz. 1888); Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands (das. 1893). – In Frankreich u. Elsaß-Lothringen ist K. die Bezeichnung für den Kirchenvorstand in lutherischen und in reformierten Gemeinden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 415-416.
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