Liturgīe

[622] Liturgīe (griech.), in Athen (leiturgia) eine von Bürgern für den Staat persönlich und auf eigne Kosten übernommene Leistung, wie die Choregie und Trierarchie. Im Neuen Testament bezeichnet das Wort L. entweder überhaupt eine Dienstleistung im Sinne der Wohltat oder im engern Sinne das Priesteramt und den priesterlichen Gottesdienst. In der Gegenwart versteht man unter L. den Inbegriff aller ordnungsmäßig bestehenden gottesdienstlichen Handlungen, und der Geistliche wird in dieser Beziehung Liturg genannt. Des nähern bedeutet L. ein Formular oder Buch, welches das bei dem öffentlichen Gottesdienst zu befolgende Ritual enthält, also soviel wie Agende (s. d.). In der ältern Kirche bestand noch kein einheitlicher Gebrauch; aber die Filialkirchen nahmen die L. der Mutterkirche an. Allmählich war man darauf bedacht, eine Gleichheit in der Form des Gottesdienstes zu erzielen; Kirchenversammlungen, dann im Abendland besonders die Päpste erließen die hierzu nötigen Verordnungen. Gleichwohl kamen mit der Teilung des römischen Reiches Nationalliturgien auf. Im 5. Jahrh. war die auf Basilius d. Gr. zurückgeführte L. fast im ganzen Orient verbreitet; von Konstantinopel aus fand eine durch Chrysostomos verkürzte Gestalt derselben Eingang und ist im wesentlichen noch in der griechischen Kirche gebräuchlich. Auch im Abendland haben vielgebrauchte liturgische Bücher (Sakramentarium, Evangeliarium, Epistolarium, Missalen, Brevier, Martyrologium, Ritual, Agende; s. diese Artikel), Offizien genannt, eine gewisse Übereinstimmung der L. durchgeführt, wobei die römische Form schließlich den Sieg über die gallische und mailändische davontrug. Das Konzil zu Trient hat das Recht zu liturgischen Bestimmungen lediglich dem Papst zugesprochen (s. Römisch-katholische Kirche). Die Reformatoren haben den Inhalt der L. auf Schriftverlesung, Gebet und Gesang beschränkt. Luther selbst gab 1526 seine »Deutsche Messe oder Ordnung des Gottesdienstes« heraus, worin viele Gebräuche der römischen Kirche beibehalten, dagegen die lateinische Sprache im Gottesdienst und die Privatmesse beseitigt, die Predigt zum Hauptstück des Kultus erhoben, die Verwaltung des Abendmahls in beiderlei Gestalt angeordnet und diesem die Beichte als Vorbereitung hinzugefügt ward. Die reformierte Kirche brach noch gründlicher mit der L. der katholischen Kirche und beseitigte namentlich fast den gesamten liturgischen Altardienst. Nicht unmittelbar aus den reformatorischen Prinzipien über den Kultus (s. d.) ableitbar ist das, was neuerdings liturgischer Gottesdienst heißt, worin Gesang und Gebet, namentlich neben dem Gemeindegesang auch Chorgesang, die wesentlichsten Elemente bilden, während die Predigt ganz fehlt. S. Liturgik.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 622.
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