Hülsenfrüchte

[625] Hülsenfrüchte (Leguminosen, Blattgetreide, Pahlkorn), die Samen vieler Leguminosen, die als Nahrungsmittel benutzt werden. Die wichtigsten H. sind Erbsen, Bohnen, Linsen; ihnen schließen sich an: die Acker- oder Saubohne (Vicia Faba), die Kichererbse (Cicer arietinum), die Platterbse (Lathyrus sativus), Wicke, Wicklinse, Linsenwicke, Kicher. Lupinen werden nur wenig als menschliches Nahrungsmittel benutzt, aber für die wärmern Gegenden stehen die weitverbreitete Erdeichel (Arachis hypogaea), mehrere Dolichos-Arten und die Sojabohne (Soja hispida) in erster Reihe. Die H. sind charakterisiert durch ihren Reichtum an stickstoffhaltigen Körpern, besonders an Legumin. In dieser Hinsicht übertreffen sie das Getreide, das dagegen an Stärkemehl reicher ist. Neben dem Legumin enthalten die H. auch etwas Eiweiß; unter den stickstofffreien Extraktstoffen waltet das Stärkemehl bedeutend vor; Erdeichel und Sojabohne sind fettreich, sonst ist Fett in geringer Menge vorhanden, auch andre Bestandteile, wie aromatische und bittere Stoffe, Gerbsäure etc., treten sehr zurück; an Kali und Kalk aber sind die H. reicher als die Getreidearten. Die quantitative Zusammensetzung ergibt sich aus folgender Tabelle (vgl. auch die auf der Tafel »Nahrungsmittel« gegebene graphische Darstellung derselben):

Tabelle

[625] Dem hohen Nahrungswert der H. (sie bilden das konzentrierteste Nahrungsmittel, das wir besitzen) steht schwere. e Verdaulichkeit gegenüber, die nur durch zweckmäßige Zubereitung einigermaßen gehoben werden kann. Man muß H. mit weichem Wasser kochen, weil das Legumin mit Kalk- und Magnesiasalzen unlösliche Verbindungen bildet. Auch alte H. lassen sich schwer weichkochen. Zur Brotbereitung eignet sich das Mehl der H. wenig und wird auch nur an wenigen Orten dazu benutzt. Robustern Konstitutionen sind die H. sehr zuträglich, ihre Ausnutzung ist gut Von dem Eiweiß der gekochten Linsen werden allerdings nur 60 Proz. resorbiert, von dem des Leguminosenmehls aber 82 Proz. Auch bei Erbsenbrei gehen vom Stickstoff nur 17,5 Proz., von den Kohlehydraten nur 3 Proz. verloren. Über Nachteile, die aus übermäßigem Genuß von Hülsenfrüchten entstehen können, vgl. Lathyrismus. Ein großer Teil der kultivierten H., besonders Erbsen und Bohnen, wird im unreifen Zustand als schmackhaftes und leichtverdauliches Gemüse (s. d.) genossen; die reisen Samen dagegen sind in Mitteleuropa verhältnismäßig wenig beliebt. Ein großer Teil der H. wird gegenwärtig auf Konserven (kondensierte Suppen, Erbswurst, Fleischleguminose etc.) verarbeitet. – Die Benutzung der H. ist uralt, und besonders die Ackerbohne diente schon in frühester Zeit als Nahrungsmittel. Auf dem Wege nach Eleusis stand ein dem Bohnengott Kyamites geweihter Tempel; den Ägyptern dagegen galt diese Bohne als unrein; schon 2800 v. Chr. wurde sie in China eingeführt. Auch Lupinus hirsutus wurde von den alten Griechen kultiviert und diente ärmern Leuten sowie den Kynikern zur Nahrung; die Linse wurde von den Griechen, Juden und Ägyptern gebaut; auch die Erbse war im Altertum geschätzt, und in Indien muß ihre Kultur in eine ferne Zeit zurückgehen, während die Linse erst in neuerer Zeit in Bengalen Eingang fand. Bohnen, Erbsen und Kichererbsen fanden sich auf den Musterwirtschaften Karls d. Gr. und sind jetzt beinahe über die ganze Erde verbreitet. Vgl. Schertler, Anwendung des spezifischen Gewichts als Mittel zur Wertbestimmung der Kartoffeln, Zerealien und H. (Wien 1873), und Artikel »Hülsenfruchtbau«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 625-626.
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