Lupīne

[861] Lupīne (Feigbohne, Wolfsbohne, Lupinus L.), Gattung der Leguminosen, Kräuter oder Halbsträucher, selten Sträucher mit einfachen oder gefingerten, 3–15zähligen Blättern, endständigen, oft quirligen Blütentrauben und weit aus dem Kelch vorragender, meist seidenhaariger Hülfe mit schwammigen Querwänden. Etwa 100 Arten, hauptsächlich im westlichen Nordamerika, einige in Brasilien und im Mittelmeergebiet. Die weiße L. (L. albus L.), mit weißen[861] Blüten und gelbweißen Samen, findet sich im Orient, kultiviert im Mittelmeergebiet und in Mitteleuropa, wurde von den Römern gebaut und auch als Gründünger benutzt; die mehlreichen, aber bittern Samen wurden gegessen. Sie wird auch jetzt noch in Italien kultiviert; im 16. Jahrh. baute man sie am Rhein, im 18. in Sachsen; sie hat als Gründünger Wert, das Vieh aber verschmäht Blattwerk und Samen. Die gemeine Gartenlupine (L. hirsutus L.), mit blauen oder purpurroten, auch fleischfarbenen Blüten und an allen Teilen weichhaarig, wächst in den Mittelmeerländern, wurde von den alten Griechen kultiviert, bei denen ihre Samen den Ärmern, wie noch heute den Mainoten, zur Speise diente. Das Vieh frißt Kraut und Samen begierig, doch fordert die Pflanze bessern Boden und gewährt keinen Vorteil vor der gelben L. Sie wird vielfach in Gärten als Zierpflanze kultiviert. Die sizilische L. (ägyptische, römische, neapolitanische L., L. Termis Forsk.) ist mehr oder minder weichhaarig, hat weiße Blüten mit blauem Schiffchen und Samen, die denen der weißen L. gleichen, aber größer und eckiger sind. Sie wächst in den Mittelmeerländern und wird in Südeuropa häufig kultiviert. Sie gibt reiche Futtermassen, bringt aber bei uns ihre Samen nicht oder sehr spät zur Reise; die Ägypter essen die letztern in Salzwasser gekocht und geschält. Die perennierende L. (L. perennis L.). mit kriechendem Wurzelstock, aus mehreren halben Blütenquirlen bestehenden Blütentrauben, blauen Blumen und kleinen Samen, stammt aus Nordamerika, wo die Samen von Kanada bis Florida gegessen werden, erträgt unsre Winter recht gut, fordert einen guten, wasserhaltenden Boden, nimmt aber den Untergrund nicht in Anspruch und kann daher die perennierenden Kleearten ersetzen, wo der Untergrund fehlerhaft ist. Sie gibt früh und reichlich Futter, das dem Vieh viel weniger zuwider ist als das der gelben L. (L. luteus L.). Diese und die blaue L. (L. angustifolius L.) sind für die Landwirtschaft weitaus am wichtigsten. Die gelbe L. (s. Tafel »Futterpflanzen II«, Fig. 5) hat eine lange, aus mehreren Quirlen zusammengesetzte Blütenähre, große, goldgelbe, wohlriechende Blüten und rundliche, weiße, schwarz gefleckte Samen. Die pfahlförmige Wurzel dringt über 1 m in den Boden. Die gelbe L. stammt aus Sizilien, wurde in Deutschland zuerst 1840 in Groß-Ballerstedt in der Altmark gebaut und verbreitete sich von da sehr bald im Sandland. Die blaue L., die aus Spanien zu uns kam, hat einen nach oben stark verästelten Stengel, kurze, ährenförmige Trauben mit blauen Blüten und rötlichgraue, weiß punktierte Samen von der Größe der Wicken. Die L., und besonders die gelbe, ist für ärmern sandigen Boden wegen ihrer mannigfaltigen Benutzung zur Weide, zu Grünfutter, zur Heu- und Körnergewinnung und ganz besonders auch zur Kräftigung und Hebung des Bodens, als Gründünger, von großem Wert. Sie gedeiht am besten in freier, sonniger Lage, wenn der Ober- und der Untergrund aus Sand besteht und von stagnierender Nässe frei ist. Zunehmender Kalk- und Tongehalt sind von ungünstigem Einfluß. Lehmiger Sand paßt für Futtergewinn, armer Sand, der noch Roggen trägt, für Kornernten; Gips befördert den Blattwuchs. Auf geeignetem Boden kann man sie ein- oder mehreremal nach sich selbst folgen lassen und erhält aus der zweiten und dritten Bestellung das beste Saatgut. Zur Bestellung genügt ein einziges Tiefpflügen, bei trocknem Klima im Herbst. Die Vegetationsdauer beträgt 20–24 Wochen; man erntet, sobald sich die Hülsen am Hauptstengel bräunen, zur Heugewinnung aber bei Halbreife. Die blaue L. ist genügsamer als die gelbe und gedeiht noch auf grandigem Boden und im Sand mit grandigem Untergrund. Das Vieh frißt die Körner der blauen L. lieber als die der gelben. Bei ersterer dringen aber die Wurzeln nicht tief in den Boden ein, und die Nachfrucht, namentlich Roggen, fällt daher viel schlechter aus. Die Keimfähigkeit der L. dauert zwei Jahre. Vgl. Futterbau und Futter und Fütterung. Lupinen enthalten etwa:

Tabelle

Die Lupinenkörner bilden ein leichtverdauliches, bei richtiger Verwendung für Mastzwecke vortrefflich geeignetes Futter. Alle Tiere müssen aber an Lupinen erst gewöhnt werden, und Pferde und Rinder fressen nicht leicht die bittern Kerne. Zur Entbitterung der Lupinen sind zahlreiche Methoden angegeben worden (vgl. Futterbereitung). Die Samen werden auch als Arzneimittel zu kosmetischen Salben und Pflastern benutzt. Häufiger, als man glaubt, werden Lupinen als Kaffeesurrogat benutzt. Anleitung zum Lupinenbau geben die Schriften von Thaer (Berl. 1859), Kette (9. Aufl., das. 1891); vgl. auch Seeling-Säulenfels, Ist die Verallgemeinerung des Lupinenanbaues und der Verfütterung der entbitterten Lupinenkörner wünschenswert? (Wien 1890); Simpson, Anleitung zur vollständigen Entbitterung der blauen L. (Mohrungen 1891). – In Gärten kultiviert man besonders mehrere einjährige Arten und Hybriden, von perennierenden Lupinus polyphyllus Lindl. und L. perennis L., beide aus Nordamerika, mit blauen Blüten.

Die Lupinen enthalten ein kristallisierbares Alkaloid, das Lupinin C21H40N2O2, das farblose, luftbeständige Kristalle bildet, angenehm fruchtartig riecht, intensiv bitter schmeckt, in Wasser, Alkohol und Äther sich löst, bei 68° schmilzt, im Wasserstoffraum bei 255–257° ohne Zersetzung siedet, aber auch schon bei 70° in sehr merkbarer Menge verdampft und sich mit Wasserdämpfen destillieren läßt. Es reagiert stark alkalisch und bildet mit Säuren neutrale kristallisierbare Salze. Neben Lupinin kommt gelbes, dickflüssiges, in Wasser untersinkendes, stark bitteres Lupinidin C8H15N vor, das gegen Sauerstoff sehr empfindlich ist und keinen konstanten Siedepunkt zeigt. Die blaue und die weiße L. enthalten inaktives und rechtsdrehendes Lupanin C15H24N2O. Die Alkaloide des Lupinensamens wirken als Nervengift. Aus dem Kraute der Lupinen wurde auch ein Glykosid, Lupinin C29H32O16+7H2O, dargestellt, und bisweilen enthalten die Lupinen giftiges Lupinotoxin (s. Lupinose). Vgl. Baumert, Das Lupinin (Berl. 1881).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 861-862.
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