Eiweiß [1]

[580] Eiweiß (Albumin), eine Gruppe von Eiweißkörpern, zu der man das Serumalbumin, das Eieralbumin und das Milchalbumin rechnet. Diese Albumine sind in gut ausgebildeten Kristallen und nahezu aschefrei erhalten worden, sie sind in Wasser, verdünnten Säuren, Alkalien und Salzlösungen löslich, zeigen die gewöhnlichen Eigenschaften der Eiweißkörper, werden relativ schwer unlöslich und sind schwerer fällbar als die Globuline und viele Proteïde. Die Lösungen werden von Säuren und von Alkalien denaturiert, d.h. in glasartig durchsichtige bis weiße opaleszierende Gallerte verwandelt (Acidalbumin und Alkalialbuminat), indem das E. die Rolle einer Base oder einer Säure spielt. Die Verwandlung des Eiweißes in Acidalbumin wird stark beschleunigt, wenn die Wirkung der Säure bei Körpertemperatur durch Pepsin unterstützt wird. Das Acidalbumin wird dann sehr schnell in Albumose und Pepton verwandelt. Bei dem resistentern Serumalbumin wirkt Pepsin besonders stark beschleunigend, so daß es leichter verdaulich ist als Eieralbumin. Die Spaltungsprodukte sind die gewöhnlichen aller Eiweißkörper. Die Kristalle zeigen sehr verschiedene Formen, sind aber kristallographisch identisch; sie sind doppelbrechend, bleiben lange löslich und saugen Farbstoffe, Salze etc. auf, ohne sich damit zu verbinden. Ihre Lösungen gerinnen beim Erhitzen, die trocknen Kristalle aber ertragen ohne Zersetzung eine Temperatur von 150°. – Serumalbumin (Bluteiweiß) mit etwa 53,08 Kohlenstoff, 7,1 Wasserstoff, 15,93 Stickstoff, 1,9 Schwefel und 21,99 Sauerstoff bildet die Hälfte der Eiweißkörper des Blutserums der Wirbeltiere, kommt auch in der Lymphe vor und in krankhaften Transsudaten; es gerinnt bei 65–72°. Ob die Serumalbumine der einzelnen Tierarten identisch sind, ist zweifelhaft. Alle Eiweißkörper, die in der Nahrung dem Körper zugeführt werden, werden in Serumalbumin und Serumglobulin verwandelt, und aus diesen beiden Körpern gehen alle Eiweißkörper des Organismus hervor. – Eieralbumin mit etwa 53,28 Kohlenstoff, 7,26 Wasserstoff, 15 Stickstoff, 1,18 Schwefel und 23,28 Sauerstoff bildet (neben einem Globulin und einem Mukoid) den Hauptbestandteil des Eiereiweißes. Wird es ungekocht in sehr großen Mengen genossen, so wird es anscheinend als solches resorbiert und durch den Harn unter Schädigung der Nierenepithelien ausgeschieden. Die Lösung gerinnt bei 56–64,5°. Das E. der Eier der Nesthocker erstarrt beim Erhitzen durchsichtig (Tataeiweiß), eine Erscheinung, die durch den Mangel an Salzen bedingt ist. – Milchalbumin findet sich neben Kaseïn in der Milch, enthält etwa 52,19 Kohlenstoff, 7,18 Wasserstoff, 15,77 Stickstoff, 1,73 Schwefel, 23,13 Sauerstoff und gerinnt bei 67–72°.

Für technische Zwecke wird E. aus Eiern und Blut dargestellt. Man trennt das Weiße sorgfältig vom Dotter der Eier, seiht es durch ein seines Haarsieb und trocknet es in flachen Zink- oder Porzellangefäßen in einer gut geheizten und ventilierten Kammer bei 50°. In 30–36 Stunden erhält man eine blätterige, blaßgelbe, in dünnen Stücken völlig durchsichtige, fast geruchlose und in Wasser ohne merkliche Trübung lösliche Masse. 250 Eier liefern 1 kg trocknes E. Bei der Darstellung von E. aus Blut läßt man dieses in Zinkschüsseln unberührt gerinnen, gießt etwa abgeschiedenes Serum ab, zerschneidet den entstehen den Kuchen in 3–4 ccm große Würfel, bringt diese in Abtropfsiebe und trennt das zuerst abfließende dunklere Serum von dem später folgenden hellern, das wie Hühnereiweiß getrocknet wird. Um schwach gefärbtes E. zu bleichen, säuert man es mit Essigsäure an, peitscht es mit 0,25 Proz. Terpentinöl (Patentalbumin), entfernt die sich abscheidenden Unreinigkeiten, neutralisiert mit Ammoniak und verdampft. Auf Ausbeute und Qualität des Blutalbumins haben Gesundheitszustand, Fütterungsart, die Schlachtmethode und die Gattung des Tieres großen Einfluß. Ein Stück Rindvieh liefert etwa 18 Lit. Blut, daraus 4 L. Serum und aus diesem 400 g E. Durch methodisches Auslaugen des abgetropften Blutkuchens mit Wasser und Verdampfen der Flüssigkeit erhält man ein dunkles Albumin. Die abgetropften Blutkuchen dienen als Mastfutter für Schweine.

E. hat die größte Bedeutung als Nahrungsstoff; in der Technik dient es zum Klären trüber Flüssigkeiten, indem es bei der durch Erhitzung herbeigeführten Gerinnung alle trübenden Teilchen einschließt und mit sich niederreißt; außerdem benutzt man es, mit Kalk gemischt, als Kitt, zum Grundieren bei der Vergoldung und zur Bereitung von Albuminpapier für die Photographie. Die ausgedehnteste Verwendung findet E. in der Zeugdruckerei, indem man Mischungen desselben mit Körperfarben, wie Ultramarin, Chromgelb, aufdruckt und dann das Gewebe bis zur Gerinnung des Eiweißes erhitzt. Das gerinnende E. haftet an der Faser und schließt mechanisch den Farbkörper ein. Albumin dient aber auch als Mordant oder Beize in der Färberei. Druckt man z. B. auf Baumwolle eine Lösung von Anilinviolett und E., so ist die Farbe nach dem Trocknen matt und glanzlos und haftet auch noch nicht fest auf dem Gewebe; sobald man aber den Stoff mit Wasserdampf erhitzt, gerinnt das E., die schön violette Nuance tritt hervor, und der Farbstoff wird auf dem Gewebe befestigt. Tränkt man Baumwolle mit Eiweißlösung und setzt sie heißen Dämpfen aus, so kann sie wie Wolle mit Anilinfarbstoffen gefärbt werden. Das trockne Albumin wird besonders in Deutschland, Österreich, aber auch in Südamerika und Australien dargestellt, wo die Fleischextraktindustrie massenhaft über Tierblut verfügt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 580.
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